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21.07.07 / "Ganz Kiel war auf den Beinen" / Die Kieler Woche, das größte Segelsportereignis der Welt, das größte Volksfest in Nordeuropa, wird 125 Jahre alt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

"Ganz Kiel war auf den Beinen"
Die Kieler Woche, das größte Segelsportereignis der Welt, das größte Volksfest in Nordeuropa, wird 125 Jahre alt
von Corinna Weinert

Sie ist Seglern aller Kontinente bekannt, genießt bei Diplomaten, Marinern und Parlamentariern guten Ruf, sie ist die Feier einer ganzen Stadt und lockt alle Jahre wieder mehrere Millionen Gäste an die Förde nach Schleswig-Holstein: die Kieler Woche, das größte Segelsportereignis der Welt und zugleich das größte Volksfest in Nordeuropa. Die Kieler Woche findet jedes Jahr in der letzten vollen Juniwoche statt, wird aber bereits am Sonnabend davor mit dem so genannten Glasen und dem Holstenbummel eröffnet. Die Geschichte der Kieler Woche begann jedoch an einem Julitag vor 125 Jahren, am 23. Juli 1882.

 

Ihren Ursprung hat die Kieler Woche in einer Segelregatta auf der Förde, die 1882 von 20 Yachten ausgetragen wurde. Schon die erste Kieler Woche war ein gesellschaftliches Ereignis: "Ganz Kiel war auf den Beinen", vermerkte die "Kieler Zeitung", über das Fest, zu dem bereits Sonderzüge und gecharterte Dampfer die Menschen in die Stadt brachten.

Aus der Wettfahrt von Marineoffizieren und Kaufleuten wurde bald eine mehrtägige Regattaserie mit internationaler Beteiligung. Kaiser, Könige und Industrielle segelten mit. Die Kieler Woche wurde zu einem gesellschaftlichen Ereignis - und zu einem Stück deutscher Geschichte, in dem sich ihre Höhen und Tiefen spiegelten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab der damalige Oberbürgermeister Andreas Gayk der Veranstaltung ein neues Gerüst; die Kieler Woche sollte ein Fest im Zeichen von Frieden und Völkerverständigung werden. Das noch heute gültige Konzept verbindet den Segelsport mit einer fröhlichen Feier, kulturellen Ereignissen und gesellschaftspolitischen Diskussionen. Insbesondere letztere Komponente brachte der Kieler Woche eine neue Bedeutung. Schnell entwickelte sich die Stadt zu einem Tor in die internationale Gemeinschaft. Bundespräsidenten, Minister, und Staatsoberhäupter gehörten schon früh zu den regelmäßigen Besuchern der Veranstaltung und brachten ihr einen Ruf als Vorbild für Europa ein.

Etwa 5000 Segler, die auf 2000 Booten die Wettbewerbe bestreiten, und über drei Millionen Besucher kommen jedes Jahr in die Stadt. Entlang der Kiellinie und am Willy-Brandt-Ufer sind Bühnen und Stände aufgebaut, auf dem Rathausplatz und in der Fußgängerzone werden Spezialitäten verschiedener Länder angeboten. Das sportliche Zentrum der Kieler Woche liegt großenteils in Schilksee, hier beginnen die meisten Segelregatten. Aber auch an der Kiellinie kann man vor allem vom Westufer aus weitere, kleinere Sportaktivitäten wie Kanuwasserball, klassisches Kutterpullen, Marinekutterregatten oder Optimistensegeln verfolgen. Einen Höhepunkt der Kieler Woche bildet die große Windjammerparade auf der Kieler Förde, an der Hunderte Segelyachten und Traditionssegler teilnehmen.

Die Kieler Woche hat eine bewegte Geschichte. Die Geburtsstunde der Festwoche war am 23. Juli 1882, als die Wettfahrt erstmals von Marineoffizieren und Kaufleuten ausgetragen wurde. 1889 reisten bereits 200 Teilnehmer aus aller Welt an. In jenem Jahr besuchte auch Kaiser Wilhelm II. erstmals die Kieler Regatten. Über den flottenbegeisterten Herrscher heißt es: "Wilhelm II. versetzte damals seine Mannschaft in Angst und Schrecken, sobald er das Ruder der riesigen Meteor beanspruchte. Majestät konnten kaum den Kurs halten." Von 1894 an war der Monarch regelmäßiger Gast der Kieler Woche, wie die mehrtägige Regattenveranstaltung - geprägt durch die lokale Zeitung - mittlerweile genannt wurde. Bei einer der Regatten ließ sich der Kaiser in britischer Marineuniform fotografieren. Er betonte, stolz zu sein, die Uniform zu tragen, die Lord Nelson getragen habe. Wilhelm II., Enkel der legendären Queen Victoria, war schließlich nicht nur ehrenhalber Oberst der britischen Dragoner, sondern auch Admiral der Royal Navy.

1914 traf während der Regatten die Nachricht vom Attentat in Sarajewo ein, worauf hin die Veranstaltung beendet wurde. Im Ersten Weltkrieg stellte man die Regatten ein, und auch im Zweiten Weltkrieg unterbrach man die Kieler Woche. Es waren dann die Engländer, die 1945 eine erste Segelwoche unter dem Namen "Kiel Week" organisierten. Die Veranstaltung wurde zum Segelsport-Spektakel Nummer eins. 1947 erfolgte mit der Septemberwoche "Kiel im Aufbau" die Grundsteinlegung für die neue Festwoche. 1948 fanden im Juni die ersten deutschen Kieler-Woche-Segelregatten nach dem Krieg statt. An der zweiten Aufbauwoche im September nahmen offizielle Vertreter aus Großbritannien und skandinavischen Staaten teil. Im darauffolgenden Jahr wurden die Aufbau- und die Segelwoche zur Kieler Woche vereinigt. 1950 kamen schon drei Millionen Besucher, und auch Theodor Heuss wohnte dem Ereignis als Bundespräsident bei.

Die olympischen Segelwettbewerbe brachten der kleinen Stadt an der Förde großen Ruhm; sie wurden 1936 und 1977 im Rahmen der Kieler Woche ausgetragen.

Mit neuen gesellschafts- und kulturpolitischen Veranstaltungen begann in den 70er Jahren eine neue Phase. Offizielle Vertreter aus allen Staaten rund um die Ostsee treffen sich seither auf dem "Kieler-Woche-Kongreß", Städte-Delegationen nutzen das "Internationale Städteforum" als Plattform für den Austausch, und Schriftsteller aus dem In- und Ausland nehmen am "P.E.N.-Kongreß" teil.

Der kulturelle Teil wurde durch die Spiellinie um eine Paradenummer erweitert, und mit über 20 Nationen startete der "Europäische Markt", der schon bald darauf als "Internationaler Markt" kulinarische und kunsthandwerkliche Angebote aus aller Welt hatte.

Im neuen Jahrtausend verlieh man im Rahmen der Kieler Woche erstmals den Wissenschaftspreis, der an den Pathologen Prof. Dr. Karl Lennert ging.

Die Kieler Woche, das größte Segelsportereignis der Welt, das größte Volksfest in Nordeuropa - ein unvergleichliches Erlebnis, ein Stück deutsche Geschichte.

Foto: Zeichnung Fritz Stoltenbergs vom Blumenkorso am Abend des 28. Juni 1894: In jenem Jahr verwendete die Presse erstmals die Bezeichung "Kieler Woche" für die Regattaveranstaltung.


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