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28.07.07 / Die großen Vier / Der Strommarkt Deutschland: Liberalisierung krankt am Oligopol

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-07 vom 28. Juli 2007

Die großen Vier
Der Strommarkt Deutschland: Liberalisierung krankt am Oligopol
von Mariano Albrecht

Vor fast zehn Jahren versprachen deutsche Politiker den Bürgern mit der Liberalisierung des Strommarktes für mehr Wettbewerb und somit verbraucherfreundliche Preise zu sorgen. Doch Fehlanzeige, trotz Einsparmöglichkeiten durch Anbieterwechsel sind die Strompreise explodiert. Den Grund dafür erkannte Werner Marnette, Vorstandschef der Norddeutschen Affinerie, und handelte sich prompt Ärger ein. Marnette hatte salopp festgestellt, daß die vier großen Konzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt hätten. Die Konzerne erwirkten einen Gerichtsbeschluß, der Marnette diese Aussage künftig verbietet. Harte Bandagen auf dem heiß umkämpften Strommarkt Deutschland, das spüren auch die Verbraucher.

Im EU-Vergleich hat Deutschland die vierthöchsten Strompreise nach Dänemark, Italien und den Niederlanden, und die Unternehmen E.ON und RWE sind nach dem französischen Konzern EdF die größten Stromkonzerne in Europa. Neben den großen Vier, die auch gleichzeitig die Netzbetreiber sind, tummeln sich auf dem Schlachtfeld Deutschland zirka 1000 Energieanbieter, ein freier Markt möchte man meinen, doch müssen die kleineren Erzeuger ihren Strom zur Steckdose des Kunden transportieren und ohne die Netze der Großen geht das nicht.

Die Stromererzeuger müssen eine Einspeisungs- oder Durchleitungsgebühr an den Netzbetreiber zahlen. Da hierbei Interessen kollidieren, tobt ein ständiger Kampf zwischen David und Goliath. Die Bundesregierung hat für die Überwachung des Wettbewerbs die Bundesnetzagentur gegründet. Die Agentur hat die Aufgabe, einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten und die von den Unternehmen erhobenen Netznutzungsentgelte zu kontrollieren.

Dies soll den Endverbrauchern nicht nur durch größere Auswahlmöglichkeiten bei den Energielieferanten, sondern auch in Form günstigerer Preise zugute kommen.  Doch der Strompreis, den der Endkunde zahlt, setzt sich nicht nur aus dem Erzeugerpreis und der Netznutzungsgebühr zusammen. Strom ist ein Produkt, das den Gesetzen des Marktes unterliegt und an der Leipziger Strombörse (EEX) gehandelt wird. Da die Kapazitäten knapp sind und der Bedarf steigt, steigt auch der Preis. An der EEX sind etwa 150 Stromerzeuger aus 19 Ländern aktiv. Deutschland ist einer der größten Exporteure von Elektroenergie und gleichzeitig Importeur, die Mischung macht's. Während der E.ON-Konzern seinen Kunden um die Jahrtausendwende noch vorgegaukelt hatte, sich seinen Strom für die heimische Steckdose selbst mixen zu können, der vielleicht umweltbewußte Verbraucher konnte durch Kreuzchen im Vertrag auswählen, ob er lieber mit 80 Prozent Kernkraft und 20 Prozent aus Kohleenergie seine vier Wände erhellen oder lieber mit einem Mix aus Wind, Wasser und Solarstrom sein Gewissen beruhigen wollte, geht es an der Strombörse allein ums Geld. Zwar wurde E.ON die Verbraucherverdummung mittlerweile verboten, doch auch eine "Kennzeichnungspflicht" für die Art der Stromerzeugung ist in Anbetracht des internationalen Handels eher Augenwischerei und beruhigt nur den, der fest daran glauben will. Eine feste Größe für den Kunden hingegen ist der Preis, der auf der Rechnung steht, und da hat sich seit der Liberalisierung einiges getan.

Während der staatlich verfügte Anteil an den Stromkosten 1998 noch ein Viertel betrug, liegt er heute bei rund 40 Prozent. Eine durchschnittliche Stromrechnung für einen Drei-Personen-Haushalt liegt bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden etwa bei 57 Euro monatlich.

Der Stromanbieter kassiert davon lediglich 35 Euro, fünf Euro fließen als Konzessionsabgabe an die Kommunen, sechs Euro gehen als Stromsteuer an das Finanzamt, mit einem Euro wird der Bau von Anlagen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz gefördert und zwei Euro fließen in die Förderung von Projekten nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Satte 22 Euro für Nebenkosten. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 schlug noch einmal mit 1,50 Euro zu Buche.

Mit Blick auf den von der Bundesregierung beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie, die einen Anteil von 29 Prozent der Stromerzeugung ausmacht, wird schnell klar, daß sich auch bei einem Aufstocken der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien auf zwölf Prozent bis zum Jahr 2010 eine Vergrößerung des Anteils der Energiegewinnung aus Gas und Kohle kaum vermeiden läßt. Da im Kyotoprotokoll aber die Senkung der Kohlendioxyd-Emission vorgesehen ist, müssen die Stromerzeuger mit steigenden Preisen für die CO2-Emissionszertifikate rechnen, was sich letztlich in den Strompreisen niederschlägt. Angesichts der Milliardengewinne der Stromerzeuger ist die Liberalisierung des Strommarktes Deutschland allenfalls ein Geschäft für die Großen der Branche. Das bewies der am Anfang des Monats stattgefundene Energiegipfel der Bundesregierung, in dessen Vorfeld 126 Stromanbieter ihre Preise um bis zu 34 Prozent erhöht hatten. Die Konzerne nutzten die Gelegenheit.

 

 

Zeitzeugen

Wulf H. Bernotat - Der 1948 geborene Manager ist seit Mai 2003 Vorstandsvorsitzender des weltgrößten nichtstaatlichen Engergieversorgers, der E.ON AG. Bernotat begann seine Karriere beim Shell-Konzern, bis er 1996 zur Veba-Oel wechselte, aus der E.ON hervorging. Der studierte Jurist ist bekannt dafür, Mitarbeiter unterschiedlichster Hierarchiestufen bei Zufallsbegegnungen in der Kantine anzusprechen, um so seinen Überblick über das gesamte Unternehmen zu schärfen.

 

Utz Claasen - Der erst 44jährige Chef der EnBW (Energie Baden-Württemberg) gilt im Unterschied zu Bernotat als polarisierende Persönlichkeit. Claasen machte mit 17 sein Abitur mit der Note 0,7. Ihm wird vorgeworfen, die vorherigen Ergebnisse seines Unternehmens extra schlechtgerechnet zu haben. Außerdem gibt es Gerüchte über sein Wissen um die Bespitzelung ehemaliger Mitarbeiter. Seit Mai 2003 im Amt, will Claasen seinen 2008 auslaufenden Vertrag nicht verlängern.

 

Harry Roels - Der vergangenen Donnerstag 59 Jahre alt gewordene Niederländer leitet die RWE AG seit Februar 2003. Der graduierte Chemiker war wie E.ON-Chef Bernotat zunächst für Shell tätig, wo er zuletzt im Vorstand saß. Roels tritt Ende Januar 2008 in den Ruhestand, Nachfolger wird Jürgen Großmann.

 

Lars Göran Josefsson - Der 1950 geborene Schwede ist seit 2000 Präsident und Vorstandsvorsitzender des schwedischen Energieriesen Vattenfall. Zuvor war Josefsson in der schwedischen Rüstungsindustrie und beim Telefonhersteller Ericsson tätig. Josefsson spricht fließend Deutsch.

 

Fritz Vahrenholt - Der 58jährige Chemiker ist seit 2001 Vorstandsvorsitzender des Windenergieanbieters REpower. Er begann seine Karriere beim Bundesumweltamt, 1991 bis 1997 war er Umweltsenator des Hamburger Bürgermeisters Henning Vorscherau (SPD) und Aufsichtsratsvorsitzender der   mehrheitlich in staatlichem Besitz befindlichen HEW. Danach wechselte er vorübergehend zur Shell AG. Vahrenholt erregte Aufsehen, als er, der Windenergie-Manager, vor den wirtschaftlichen Folgen eines Atomausstiegs warnte.


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