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28.07.07 / Leidensberichte / Häftlinge aus Hohenschönhausen über ihre Haftzeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-07 vom 28. Juli 2007

Leidensberichte
Häftlinge aus Hohenschönhausen über ihre Haftzeit

"Die Hände gefesselt, über dem Kopf eine Kapuze gestülpt, stieß man mich nach Beendigung der Fahrt die Treppe hinunter. Der erste Eindruck nach Entfernung der Fessel und der Kapuze: An der Kellerdecke hing eine Ampelanlage, wie man sie im Straßenverkehr kennt. Die Schaltungen der Ampel auf Rot oder Grün sollten verhindern, daß Häftlinge sich auf den Gängen begegnen ... Von April 1947 bis Dezember 1948 sollte ich nie einem Leidensgefährten begegnen." Die Jahreszahlen verraten, daß es sich bei dem Berichtenden nicht um einen Guantanamo-Häftling handeln kann, auch wenn die Haftbedingungen ähnliches vermuten lassen. Dies ist der Bericht von Ewald Ernst, der aufgrund seiner Funktion als Fraktionsgeschäftsführer der CDU in Sachsen-Anhalt den Herrschenden der sowjetisch besetzen Zone ein Dorn im Auge war. Also hieß es, ab ins Gefängnis nach Hohenschönhausen.

Berichte wie diese hat Hubertus Knabe, wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, in "Gefangen in Hohenschönhausen - Stasi-Häftlinge berichten" zusammengetragen.

Das als Taschenbuch herausgekommene Buch gibt eindrucksvoll Kenntnis über die Situation in dem Gefängnis.

Anhand der Berichte, die alle vier Jahrzehnte abdecken, wird deutlich, wie mit den Inhaftierten umgegangen wurde, die sich keinerlei Vergehen im klassischen Sinne haben zuschulden kommen lassen. Eine andere politische Gesinnung, Plakate kleben oder ein Antrag auf Ausreise sind einige der Gründe, die die Betroffenen nach Hohenschönhausen brachten.

"In der Isolation der Untersuchungshaft wurde meine Sehnsucht nach zwischenmenschlichem Kontakt beinahe unerträglich groß. Jedes Geräusch, das von außen in die Zelle drang, nahm ich mit großer Konzentration wahr ...", so Sigrid Paul, die wegen "Beihilfe zur Republikflucht" einsaß und wochenlang permanentem Schlafentzug ausgesetzt war.

Erica Wallach wiederum schildert, daß sie innerhalb von zwölf Monaten dreimal baden durfte, was für sie jedesmal ein Vergnügen war.

"Ich fühlte mich wohlig entspannt. Das Bad und die Unterhaltung mit einem Menschen - auch wenn er mein Kerkermeister war, gestiefelt und gespornt, und ich nur sein wehrloses, nacktes Opfer - gaben mir großen Auftrieb."

Arno Wend beschreibt die Arbeitsweise in Hohenschönhausen so: "Die Methoden ... sind oft recht primitiv und plump. Gerade dadurch sind sie aber doch außerordentlich wirksam. Der Mensch wird durch die vollständige Mißachtung seiner Persönlichkeitswerte, körperliche Folterungen und die vollständige Isolierung von seinen Angehörigen und der Außenwelt systematisch zermürbt. Dazu tragen noch Versagung jeder geistigen und körperlichen Betätigung während der Untersuchungshaft entscheidend bei. Es gehört ein gutes Maß an Härte, Selbstbehauptungswillen und innere Kraft dazu, um diesen Torturen und Belastungen widerstehen zu können."

Und das erschreckendste ist, daß der Arzt von Waltraud Krüger, der versucht hat, sie mit bewußtseinsschädigenden Psychopharmaka gefügig zu machen, noch heute in einer eigenen Praxis seinem Beruf nachgeht. Zudem: Er ist nur einer von vielen, die ungeschoren den Systemwechsel überstanden haben und nie zur Rechenschaft gezogen worden sind.            Rebecca Bellano

Hubertus Knabe (Hrsg.): "Gefangen in Hohenschönhausen - Stasi-Häftlinge berichten", List, Berlin 2007, broschiert, 380 Seiten, 8,95 Euro, Best.-Nr. 6270


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