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04.08.07 / Einfach Abnicken / Eine eigene Meinung ist in der Unions-Fraktion unerwünscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

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Eine eigene Meinung ist in der Unions-Fraktion unerwünscht
von Hans Lody

Der im vergangenen Dezember aus der CDU ausgetretene Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche hat der CDU/CSU-Fraktion „demokratische Defizite“ vorgeworfen und die Praxis der Meinungsbildung in der Fraktion scharf kritisiert. Im Gespräch mit der „Preußischen Allgemeinen Zeitung“ beschrieb Nitzsche die Sitzungen als reine Abnickveranstaltungen, die Marschrichtung sei stets vorgegeben: „Diskutiert wird wenig. Eine Debatte ist da auch nicht erwünscht. Meist melden sich nur alte Abgeordnete zu Wort, die nicht wieder aufgestellt werden, Neulinge, die noch nichts wissen, oder die ,Querulanten‘, kurz Leute, die mit allem abgeschlossen haben und nichts mehr ,wollen‘.“

Daß kein ernsthafter Widerspruch aufkomme, dafür werde bereits im Vorfeld der Sitzungen gesorgt, so Nitzsche: „Termin und Themen werden von der Fraktionsführung streng geheimgehalten. Man hat also als einzelner gar keine Chance, sich vorzubereiten.“

Vereinzelte Versuche, die vorgegebene Linie in Frage zu stellen, erfolgten daher unorganisiert und seien schon aus diesem Grunde nicht mehrheitsfähig.

Um aber ganz sicher zu gehen, würden möglicherweise kontroverse Themen überdies in den Sitzungen der Landesgruppen rechtzeitig vorbehandelt. Dort tagen die Unionsabgeordneten aus den einzelnen Bundesländern jeweils unter sich. Sinn dieser Sitzungen sei es, daß die Landesgruppenchefs dort mögliche Abweichler aufspürten und ruhig stellten.

Aus diesem Klima heraus ist es laut Nitzsche auch zu erklären, daß der aus der Union gedrängte Fuldaer Abgeordnete Martin Hohmann praktisch keine Unterstützung durch seine Fraktionskollegen erfahren habe. Nur „heimlich haben dem Kollegen Hohmann manche auf die Schulter geklopft. Damals fehlte vielen der Mut, Martin Hohmann offen zu unterstützen.“ Er würde heute anders handeln, beteuert Nitzsche, und räumt ein: „Nachher redet es sich immer klug.“

Henry Nitzsche errang 2002 das Bundestags-Direktmandat für den sächsischen Wahlkreis Kamenz / Hoyerswerda / Großenhain, das er 2005 verteidigen konnte. Wegen seines Wahlspruchs „Arbeit, Familie, Vaterland“ geriet der heute 48jährige vierfache Vater schon früh unter Druck von links. Als er schließlich einen deutschen „Schuldkult“ anprangerte und in einem erregten Wortbeitrag auf „Multikulti-Schwuchteln in Berlin“ schimpfte, setzte sich auch die Unionsführung pikiert von dem Sachsen ab, der Ende 2006 schließlich selbst aus Partei und Fraktion austrat. Heute sitzt Nitzsche als unabhängiger Abgeordneter im Plenarsaal des Reichstags. Der CDU wirft er Verwässerung ihrer Positionen vor, was sich im rasanten Rückgang der Mitgliederzahl niederschlage: „Die CDU verliert Monat für Monat 2000 Mitglieder. Ich wollte nicht der letzte sein.“

Henry Nitzsche Foto: ddp


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