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04.08.07 / Von wegen süß / Die echte Holly ist schärfer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

Von wegen süß
Die echte Holly ist schärfer

Als 2006 der nicht sonderlich bekannte, geschweige denn schöne Philip Seymour Hoffman für seine Leistung in der Film-Biographie über den US-Schriftsteller Truman Capote mit dem Oscar als bester männlicher Schauspieler ausgezeichnet wurde, war die Reaktion des Massenpublikums eher gleichgültig. Im Gegensatz zu Brad Pitt, George Clooney, Leonardo di Caprio: Wer ist Hoffman und wer ist überhaupt dieser Capote? Die Geschichte über den wegen seiner Drogenexzesse, Gefängnisaufenthalte und Nervenzusammenbrüche berüchtigten und an einer Überdosis Tabletten 1984 verstorbenen US-Schriftsteller Capote war zu deprimierend und zu wenig glamourös, um das Publikum zu begeistern.

Jetzt, ein Jahr später, schließt die „Süddeutsche Zeitung“ mit ihrer Bibliothek-Reihe für viele eine Bildungslücke, denn Capote war tatsächlich noch für etwas anderes bekannt, auch wenn man den Lebens-Versager damit nicht in Verbindung bringen mag: „Frühstück bei Tiffany“.

Audrey Hepburn wurde durch die Hauptrolle in der Capote-Verfilmung unsterblich. Der Charme der von ihr verkörperten Hauptfigur Holly Golightly und deren Neigung zu Glamour, genauer, zu Schmuckstücken des Juweliers Tiffany, bezaubert noch heute junge Mädchen. Taschen mit dem Gesicht Audreys alias Hollys waren 2006 ein häufig zu sehendes Accessoire.

Doch die süße Holly der Verfilmung ist nicht die aus Capotes Werk. Das Buch kann man durchaus dem Autor mit zweifelhaftem Lebenswandel zuschreiben. Bei ihm ist alles ein wenig verkommener und schäbiger als im Film, der für das Massen-Publikum der 60er Jahre entschärft wurde. Was im Film süß ist, ist im Buch drastischer. Tiffany kommt in der Literaturvorlage nur am Rande vor, statt dessen kommt ein Mafia-Boss vor, Holly wird verhaftet, wird unehelich schwanger, verliert ihr Kind und verschwindet nach Brasilien, später Afrika. Allerdings gibt es auch hier Hollys Ehemann aus der Provinz, der seine Lulamae, die er ehelichte als sie 14 Jahre war, verzweifelt sucht. Auch der namenlose Kater kommt vor und natürlich der Erzähler, den sie nach ihrem geistig behinderten Bruder Fred nennt.

Wie die Holly vom Autor Capote im Original gedacht war, kann der Leser jetzt für wenig Geld in der von der „Süddeutschen Zeitung“ herausgebrachten Bibliothek nachlesen - und „Frühstück bei Tiffany“ ist nur einer von über 50 bekannten Titeln. R. Bellano

Truman Capote: „Frühstück bei Tiffany“, Süddeutsche Zeitung, München 2007, geb., 110 Seiten, 5,90 Euro, Best.-Nr. 6272


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