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04.08.07 / »Ihren Ring trage ich mit Vergnügen« / Braut- und Ehebriefe des preußischen Generals Carl von Clausewitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

»Ihren Ring trage ich mit Vergnügen«
Braut- und Ehebriefe des preußischen Generals Carl von Clausewitz
von Dirk Klose

Im Herbst 1806 wird der Stabskapitän Carl von Clausewitz an der Spitze eines preußischen Bataillons in Richtung Thüringen aufbrechen. Der Krieg Preußens gegen Napoleon hatte begonnen. Kurz vor der katastrophalen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt schreibt der 26jährige Clausewitz an seine heimliche Verlobte, Marie Gräfin von Brühl, nach Berlin:

„Ihren Ring trage ich mit unaussprechlichem Vergnügen. Und ich darf nur daran denken, daß meine liebe Marie ihn zwölf Jahre trug, so geht eine magische Gewalt von ihm aus. O meine herrliche, teure Marie! Wie liebe ich Sie, wie glücklich bin ich, von Ihnen geliebt zu werden!“

Gemeinhin kennt man Carl von Clausewitz (1780-1831) als den großen Kriegstheoretiker des 19. Jahrhunderts, der das geflügelte Wort prägte: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ und der bis heute an allen Kriegsschulen in Ost und West gelehrt wird. In der Tat gehörte Clausewitz zusammen mit den etwas älteren Generälen Scharnhorst und Gneisenau zu jenen Militärs in Preußen, die nach der katastrophalen Niederlage gegen Napoleon mit ebenso kühler Rationalität als auch mit heißem Herzen eine grundlegende Reform des Staates anstrebten.

Weniger bekannt ist, daß Clausewitz auch ein großer Liebender war. Der Goetheforscher Erich Trunz hat den Briefwechsel des Ehepaars Clausewitz auf eine Stufe mit jenen der Weimarer Geistesgrößen gestellt und dessen geistige Größe und Herzenswärme gerühmt. Das ist um so bemerkenswerter, als Clausewitz - aus ärmlichen Verhältnissen stammend - sich als Autodidakt Wissen und Bildung aneignen mußte; sein Vater, ein friederizianischer Veteran, hatte in Burg bei Magdeburg seine große Familie mehr schlecht als recht durchgebracht.

Der junge Carl kam schon mit 13 Jahren in eine militärische Ausbildung, nahm 1793 an der Belagerung des jakobinisch geprägten Mainz teil und konnte sich dann in den folgenden Friedensjahren das für einen Offizier nötige Wissen aneignen. Durch Scharnhorsts Vermittlung war er 1803 Adjutant des fast gleichaltrigen Prinzen August von Preußen geworden, einem Neffen Friedrichs des Großen. In der zunächst ungewohnten Welt des Hofes lernte er die um ein Jahr ältere Marie kennen, eine Enkelin des sächsischen Staatsmannes, nach dem die Brühl’sche Terrasse in Dresden benannt ist. Es war eines der berühmtesten Adelsgeschlechter Europas, und so war es verständlich, daß Maries Mutter gegen eine Verbindung ihrer Tochter mit dem mittellosen Kleinadligen war. Aber Marie ließ nicht locker. 1805 hatten sich beide heimlich verlobt, und so berichtet sie einmal: „Mit Mama ist alles beim alten; sie ist gut und freundlich, aber sie schweigt. Doch scheint sie mir seit einiger Zeit weicher; sie hat kürzlich mit viel Rührung die ,Delphine‘ der Madame de Stael gelesen, und es scheint mir nicht unmöglich, daß eine so lebhafte Schilderung eines tiefen Gefühls sie in eine jugendlichere Stimmung versetzt haben könnte. Wenn dieses Mittel helfen kann, will ich mir Mühe geben, ihr recht viele rührende Romane in die Hände zu spielen.“

Fünf lange Jahre mußten die Liebenden warten, bis sie im Dezember 1810 in der Berliner Marienkirche endlich getraut werden konnten. In den Notjahren Preußens nach 1806 fiel jedes Talent auf, so auch der junge Clausewitz, der bei fast allen wichtigen Reformen im Militärwesen beteiligt war. Clausewitz drängte auf Taten, verließ 1812 Preußen, was den König zutiefst verbitterte, und trat in russische Dienste, wo er im Herbst und Winter gegen Napoleon kämpft. Es kommt zu der berühmt-absurden Situation, daß er als Parlamentär des russischen Generals Diebisch in der folgenreichen Begegnung in der Mühle von Tauroggen auf den preußischen General Yorck von Wartenburg trifft, der auf eigene Faust eine Vereinbarung mit den Russen getroffen hatte. Aus dem preußischen (!) Hauptquartier kann er eine Nachricht an Marie senden; diese hatte bereits um sein Leben gefürchtet:

„Wie vieles, was sonst dunkel und verworren in mir war, hat er in Klarheit verwandelt, wie viele Mißtöne hat er in Harmonie aufgelöst. Ja, es ist nicht zuviel gesagt, daß ich durch ihn erst wirklich lebe. Selbst in der freudlosen Einsamkeit, in der ich jetzt lebe, bleibt mir meine Liebe, die Überzeugung der seinigen und der Stolz auf seinen Wert.“

Clausewitz kämpft 1813 nur auf Nebenschauplätzen der Befreiungskriege; aber im Sommer 1815 zieht er als (wieder preußischer) Oberst und Stabschef in Blüchers Armee in Paris ein. Von dort schreibt er Marie, schildert die kriegerischen Ereignisse und die Hoffnung auf baldigen Frieden:

„Lebe wohl, teuerste Freundin meiner Seele! Glücklich, unaussprechlich glücklich fühle ich mich, nach einer solchen Epoche noch etwas zu besitzen, was mehr wert ist als aller Triumph, noch einem Augenblicke entgegenzueilen, der alles andere übertrifft: Ich liebe Dich nie mehr als im höchsten Glücke und im höchsten Unglücke, denn Dein Verdienst steht höher als alle Erscheinungen des ersteren und füllt jede Lücke aus, die das letztere in meinem Schicksal hervorbringen könnte.“

Nicht der höchste militärische Triumph war ihm am wichtigsten, sondern die Liebe zu seiner Frau. Es war eine mehr als 20 Jahre dauernde Ehe aus Liebe, die in den ruhigeren Jahren nach 1815 ihre Erfüllung fand. Nach einem kurzen Kommando unter Gneisenau in Koblenz - dessen liberales Regiment wird von dem wieder konservativ gewordenen Berlin argwöhnisch als „Wallensteins Lager am Rhein“ beäugt - wird Clausewitz Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin, allerdings nur mit Verwaltungs-, nicht mit Lehrauftrag, so daß er Zeit genug hat, sein berühmtes Buch „Vom Kriege“ zu schreiben, aus dem ein anderer Kernsatz lautet: „Die politische Absicht ist der Zweck, der Krieg ist das Mittel, und niemals kann das Mittel ohne Zweck gedacht werden.“

Selbst auf Kurzreisen nach Potsdam überfällt ihn Sehnsucht nach seiner Frau: „Meine teure Marie. Daß Potsdam allerhand ernste und trübe Töne in mir anklingen läßt, bin ich schon gewohnt. Auch diesmal fühle ich mich hier sehr allein. Diese Entfernung von Dir hat, wie Du begreifen kannst, etwas Trübes. Aber übermorgen denke ich zwischen zwei und drei schon in Deinen Armen zu sein, Du geliebte, teure Freundin meiner Seele.“

Im Herbst 1831 ist Clausewitz in Breslau gestorben. Er war als Stabschef unter Gneisenau in das aufständische Posen kommandiert worden, wo er wie auch Gneisenau der Cholera erlag. In Breslau ist er beigesetzt worden, ebenso wie fünf Jahre später Marie, die sich zuletzt intensiv um die Herausgabe seiner Werke gekümmert hatte. Auf dem gemeinsamen Grabstein wurde die Inschrift eingelassen: „Amara Mors Amorem non separat“ - Der liebende Tod trennt nicht die Liebe.“

Liebe gegen den Willen ihrer Eltern: Marie Gräfin von Brühl beharrte auf ihrer Liebe zu Carl von Clausewitz. Fotos (2): Archiv


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