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04.08.07 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-07 vom 04. August 2007

Betrogen / Was Politiker und Bahnhofsbettler gemeinsam haben? Ihre angeblichen Gründe fürs Geld einsammeln sind meistens gelogen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Es hat lange gedauert, die Deutschen ans Steuernzahlen zu gewöhnen. Nachdem sich die Römer zwischen Rhein und Elbe festgesetzt hatten, ging es nach anfänglichen Auseinandersetzungen eine kurze Weile recht gemütlich zu zwischen den Germanen und ihren neuen Herren. Als die Lateiner anfingen, Abgaben zu verlangen und ihrer Forderung auch noch gewaltsam Nachdruck verliehen, war es mit dem Frieden bald vorbei. Nach nicht einmal zwei Dekaden sank der römische Adler in den deutschen Staub.

Viel später richteten ausgerechnet die Deutschen jenen Adler wieder auf und mit ihm die Tradition der römischen Kaiser. Ärgerlicherweise hatte sich inzwischen auch die Pest der Steuerbescheide wieder ausgebreitet. Im Mittelalter mit seinem breit gefächerten Vasallenwesen fand die Abzocke den idealen Nährboden, und zwar ab jetzt dauerhaft. Dabei haben die Untertanen bis heute Schwierigkeiten, zwischen berechtigten Forderungen der Obrigkeit und vulgärem Raubrittertum zu unterscheiden.

Letztlich geht es ohnehin nur um die Methode des Eintreibens: Die Langfinger machen ihren Opfern Angst, um an ihre Börse zu gelangen, die vornehmeren Abgreifer machen uns ein schlechtes Gewissen und appellieren an unser „Verantwortungsgefühl“. Ganz Fiese locken mit Geschenken, die wir angeblich für unsere Steuergroschen bekämen. Auf die können wir dann lange warten.

Am Schluß kommt also immer das selbe heraus. So war es im düsteren Mittelalter, und weil sich die Masche bewährt hat, blieb sie bis heute unverändert.

Als die Deutschen Angst bekamen wegen des islamistischen Terrors, sahen die Politiker ihre Chance und erhöhten sofort die Tabaksteuer. Angeblich, um mit dem Geld für mehr Sicherheit zu sorgen, wie sie versprachen. Und wie sicher sind wir jetzt? Die Furcht vor der Verarmung im Alter nutzten sie flugs zur Erfindung der Ökosteuer „für die Rente“.

Kürzlich dann die Mehrwertsteuer, für die sollte es tolle Geschenke bei den Lohnnebenkosten geben. Und war da nicht auch irgendwo von „mehr Bildung“ die Rede? Ach, wer soll sich das alles merken! Und wozu auch? Es ist wie mit dem armen Bettler am Bahnhof, der einem seit Jahr und Tag die immer gleiche Geschichte von der verlorenen Fahrkarte serviert, deretwegen er ohne eine milde Gabe nun festsäße. Wir wissen, daß wir betrogen werden, und geben trotzdem. Und wenn nicht, auch gut - nur eines sollte man auf keinen Fall tun: den Tropf zur Rede stellen. Dann kann es Ärger geben! Wer läßt sich schon gern überführen?

Das gilt für Politiker nicht minder. Vor Monaten schon war aufgedeckt worden, daß Mittel für den „Aufbau Ost“ in großem Stil mal für dies, mal für das zweckentfremdet wurden. Glücklicherweise ist die Debatte schnell in den Besserungsschwüren der Landesregierungen erstickt, doch nun lodert sie an anderer Stelle um so brenzliger wieder auf: Dreist fragen Kritiker, ob der „Soli“ noch zeitgemäß sei.

Heftig erschrocken fährt die Koalition ihre denkbar schwersten Geschütze auf: Nationale Solidarität! Verantwortung für die Kinder! Da kommen wir uns gleich ganz häßlich vor, und das sollen wir auch.

Die Koalition wackelt und klappert nämlich bedenklich, niemand weiß, ob und wann sie kracht. Dann wäre sofort Wahlkampf, und wer Wahlkampf führt, muß Geschenke machen können. Unsere Stimmen sind ja nicht umsonst. Wovon aber sollen die Parteien die kleinen Aufmerksamkeiten für ihre Klientel bezahlen, wenn wir ihnen vorher die Soli-Kohle wegnehmen? Peer Steinbrück nennt die Kritik an der Sondersteuer „unverantwortlich“.

Andere gehen etwas gerissener vor und reagieren „zurückhaltend“ oder versprechen gar eine „Prüfung“ der Forderungen. Dabei erinnern sie uns irgendwie an den Bettler mit seiner Fahrkartengeschichte, weshalb wir wissen, wie es weitergeht: Der Soli überlebt uns alle. Das Gestöhne über ihn wird bald ebenso zum Repertoire deutscher Dauernörgelei gehören wie das Lamento über unser Wetter.

Das genauer betrachtet gar nicht so schlecht ist. Wer wollte denn bitte schön jetzt tauschen mit Engländern oder Mittelmeeranrainern? Die einen sind abgesoffen, während die anderen hinter Rußschwaden verschwinden. Herzlichen Dank auch!

Das angenehme deutsche Klima wird von uns viel zu wenig gewürdigt, die Ausländer sind da weitaus fairer, unter ihnen richtig prominente, die von Deutschland derart entzückt sind, daß sie hierher auswandern! Der weltbekannte US-Schauspieler Brad Pitt versetzt die deutsche Hauptstadt in Aufruhr, weil er dort beim Brötchenholen gesichtet wurde. Nun kam heraus: Pitt will tatsächlich mit seiner Partnerin nach Berlin ziehen. Warum ausgerechnet die deutsche Hauptstadt? Weil seine Herzdame in letzter Zeit bedenklich mager geworden sei.

Also wegen der Küche. Während der Leinwandstar seine Frau mit Berliner Spezialitäten wie „Boulette mit Gurke“ aufpäppelt, überlegen in England angeblich ganze Heerscharen von Unterhaltungskünstlern, ebenfalls nach Berlin zu gehen.

Grund: Siehe oben. Beweis: Die Südküste Britanniens erschauderte dieser Tage vor einem weißen Hai, der sich an die englischen Gestade verirrt hatte. Die Panik legte sich erst, als herauskam, daß sich das vermeintliche Monster vegetarisch ernährt. Wir haben schon viel Böses über das Nahrungsangebot auf der Insel vernommen, aber daß es so düster aussieht, daß sogar wilde Raubtiere freiwillig auf Diät gehen, ist denn doch ein Schock.

Von den Neu-Berlinern spricht oder schreibt natürlich keiner Deutsch. Damit das auch so bleibt, tritt am 1. August mal wieder eine neue Rechtschreibordnung in Kraft. Danach müssen Schüler, Beamte und andere, deren Textereien unter der direkten Kontrolle des Staates stehen, „abwärtsfahren“ wieder zusammenschreiben. „Kennenlernen“ hingegen dürfen sie wieder zusammenschreiben, müssen es aber nicht. Und während „Biographie“ nach der Regel nun „Biografie“ zu buchstabieren ist, bleibt bei „Tomographie“ die griechische Form bindend, weil es sich um einen wissenschaftlichen Fachausdruck handelt. So viel Logik war selten.

Gewiß müssen wir damit rechnen, daß diese Änderung der Reform von 1996 nicht die letzte Fingerei an dem Wunderwerk bleibt, gegen das ein italienisches Renaissance-Labyrinth (Labürint?) so langweilig aussieht wie kariertes Papier.

Im Interesse ausländischer Deutschlerner ist also für lang anhaltende Spannung gesorgt. Sie werden nie mit letzter Sicherheit wissen, wie lange ihre neuerworbenen Kenntnisse gültig bleiben, der Kultusministerkonferenz (KMK) sei Dank.

Der Herr Pitt aber kommt dennoch nicht mit leeren Händen. So einige deutsche Wörter haben es ja in die englische Sprachwelt geschafft: Der Schauspieler weiß bereits, was „Schnaps“, „Wurst“ und „Sauerkraut“ bedeuten, und wo seine Kinder stecken, wenn sie im „Kindergarten“ sind.

Die Angelsachsen haben sogar die deutsche Unsitte übernommen, „deutsche“ Wörter eigenhändig zu erfinden, so wie wir uns englische gebastelt haben, die in den USA oder Britannien niemand kennt, etwa „Handy“ oder „Oldtimer“. Vom deutschen „glitzern“ abgeleitet nennen sie eine billig aufgedonnerte Theatervorstellung „glitzy“, und Leute, die allzu sehr im Strom ihrer Epoche schwimmen, werden als „zeitgeisty“ getadelt.

Alles ganz nett, nicht wahr? Nur manches bleibt auch rätselhaft. Wer unideologisch und allein an der Sache orientiert ein Land führt, der betreibt auf englisch „realpolitik“. Daß sich die Englischsprecher ausgerechnet hierfür ein deutsches Lehnwort geholt haben, erstaunt. Das muß passiert sein, bevor eine KMK vorgeführt hat, was hierzulande unter Politik verstanden wird.


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