20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.08.07 / Skandinavier stürmen Berlin / Auf Dänen, Schweden und Norweger wirkt die deutsche Metropole wie ein Magnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-07 vom 11. August 2007

Skandinavier stürmen Berlin
Auf Dänen, Schweden und Norweger wirkt die deutsche Metropole wie ein Magnet
von Harald Fourier

Weil Regen aufkommt, ist Lene plötzlich sehr aufgeregt. Die junge Frau steht auf der Oranienburger Straße vor dem alten Postfuhramt, in dem jetzt Fotokunst ausgestellt wird, und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Meine Freundin hat doch eine Dachgeschoßwohnung. Ich muß unbedingt dahin und die Fenster schließen.“

Mit Regen hatte die Studentin nicht gerechnet. Sie verabschiedet sich und sprintet sofort los, um das drohende Unheil zu verhindern. Sonst könnte die Freundin sehr sauer werden. Die beiden kommen aus Dänemark, genauer: aus Kopenhagen, soviel war herauszubekommen, bevor diese Zufallsbekanntschaft sich wegen des Regens auf und davon machen muß.

Es wird nicht die letzte Begegnung mit einer feschen Skandinavierin gewesen sein, denn Berlin ist richtig „in“ bei unseren nördlichen Nachbarn. Deswegen zieht es immer mehr Dänen, Schweden und Norweger nach Berlin. Doch kaum einer hat es bislang gemerkt. Die Neuankömmlinge bereiten keine Integrationsprobleme, rauben keine Jacken, sind nicht auf Sozialhilfe angewiesen. Statt dessen kaufen sie sich in den Immobilienmarkt ein.

In Berlin ist viel los. Kopenhagen oder Stockholm sehen dagegen ziemlich alt und langweilig aus. Deutschkenntnisse sind im Norden verhältnismäßig weitverbreitet. Was liegt näher als der Kurztrip in die deutsche Hauptstadt? Mit Air Berlin kostet der einfache Flug ab Kopenhagen 29 Euro. Billigkonkurrent Sterling lockt sogar mit einem „Flypris“ von 21 Dänenkronen, das sind gerade mal drei Euro.

Lene ist auch nicht das erste Mal in Berlin gewesen. Sie kommt immer wieder, weil sie die Künstlerszene interessiert, die Kultur, das Nachtleben. Auch dänische Künstler kommen reihenweise an die Spree.

Berlin hat sich zu einem Mekka für die junge dänische Künstlerszene entwickelt, weiß die dänische Botschaft zu berichten. Vor allem niedrigere Lebenshaltungskosten und deutlich geringere Mieten locken Kunstschaffende aus dem Norden in die deutsche Hauptstadt. „Aber auch die Offenheit ist in Berlin größer“, sagte Birgitte Jensen, Kulturattaché an der dänischen Botschaft in Berlin. 300 dänische Kulturschaffende und Künstler seien in den vergangenen Jahren in die Stadt geströmt. In Dänemark selbst ist auch eine Welle der Deutschlandbegeisterung ausgebrochen. Es gibt Kneipen, die heißen „Republik Weimar“, „Zum Biergarten“ oder „Gefährlich“. Zu den 6000 dauerhaft in Berlin lebenden Dänen kommen noch etliche Kurzzeittouristen, von denen sich viele eine Ferienwohnung zulegen.

In Berlin-Mitte stehen 100-Quadratmeterwohnungen in einem sanierten Plattenbau mit erstklassiger Lage (nahe am Gendarmenmarkt) schon für 114000 Euro zum Verkauf. Für die Hälfte davon gibt es Ein-Zimmer-Wohnungen in restaurierten Altbauten in guter Innenstadtlage wie Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg. Das sind Preise, von denen Skandinavier nur träumen können.

Und nicht nur die. In allen anderen europäischen Großstädten ist Wohnraum teurer. In Berlin kostet eine Wohnung etwa 1500 Euro pro Quadratmeter, in Rom aber 2880, in Oslo 3400 und in Kopenhagen sogar 4040 Euro. Madrid und Paris liegen mit 5000 und 5560 Euro noch mal darüber. Von London soll gar nicht erst die Rede sein.

Auch die Einkäufe ausländischer Großanleger wie Pensionsfonds wirken sich nicht direkt auf den Marktpreis für einzelne Wohnungen aus: Solche Investoren kaufen keine einzelne Wohnung, sondern nur ganze Häuserblöcke. Also erhöht ihr Engagement – wie derzeit in Dresden – nicht den Marktpreis kleiner Einzelobjekte. Allerdings: Auch in dieser Liga wächst die Nachfrage, wie der Berliner Chef des Immobilienmaklers Aengevelt bestätigt. „Oh, das ist aber billig“, sagen seine schwedischen oder dänischen Kunden, wenn er ihnen die Preise für Immobilien in Berlin vorliest, berichtet Peter Starke.

Es gibt sogar schon eine dänische Immobilienmaklerin, die sich auf das Geschäft mit ihren Landsleuten konzentriert. Trine Borre (29) macht anderen Dänen den Ankauf einer Wohnung leicht. Sie hilft beim Umgang mit Behörden und beim Notartermin. Sie kann nicht klagen über ihr Geschäft mit den Berlinfans. „Viele kommen in unser Büro und wollen eine Wohnung kaufen, egal welche“, hat sie dem „Spiegel“ verraten.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in Berlins hoher Attraktivität. „Arm, aber sexy“, würde Klaus Wowereit wohl dazu sagen. Skandinavische Städte sind einfach nicht so lebendig. Dabei versuchen die Verantwortlichen vor Ort, Städte wie Kopenhagen oder Stockholm interessanter zu machen.

Der dänische Wissenschaftler Ebbe Volquardsen hat sich lange damit beschäftigt, wie Kopenhagen lebenswerter für junge Leute und Familien gemacht werden kann. 2004 hat der Ethnologe eine Studie mit dem Titel „Potentiale zur Schaffung kreativer Milieus in Kopenhagen“ verfaßt.

Große Fortschritte hat die Studie offenbar nicht ausgelöst. Volquardsen hat inzwischen umgesattelt. Vor einigen Monaten hat der Däne eine neue Feldstudie veröffentlicht. Schon aus dem Titel geht hervor, wohin die Reise geht: „Community, Netzwerk, Szene: Dänische Kulturproduzenten in Berlin“.

Foto: „Viele wollen eine Wohnung kaufen“: Touristen in der Berliner Kastanienalle


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren