© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-07 vom 11. August 2007

Ost-Deutsch (27):
Rückwärts
von Wolf Oschlies

Das Plakat habe ich natürlich sofort geklaut: Wettbewerb im „rikverc vozenje“ (Rückwärtsfahren) im makedonischen Ohrid, August 1981. Bis dato war „rikverc“ für mich nur der Rückwärtsgang, gelernt aus der Frage von Autoverleihern: „Weißt du, wo der rikverc liegt?“ Inzwischen kenne ich die Bedeutungsvielfalt des Worts, wobei Automobilistisches nach wie vor präsent ist, vor allem in der südslawischen Macho-Debatte, warum Frauen nie das „parkiranje u rikverc“ lernen, das „rückwärts einparken“. Dazu die wichtigen Fragen, warum die „rikverc lampe“ (slowenisch) es nicht tut oder das „zubcanik od rikverca“ (kroatisch: Zahnrad vom Rückwärtsgang) krächzt.

Im März 2007 hatte die Serbische Nationalbank zwei Nachrichten, eine gute, daß „cene u rikverc“ seien (Preise zurückgehen), und eine schlechte, daß auch „plate u rikverc“ gingen (Gehälter zurück). Natürlich könnte man dieses „rückwärts“ gut mit eigenen Wörtern wie „unazad“ oder anderen bezeichnen, aber wenn der Bosnier Nedad Memic Recht hat, dann war hier der deutsche Einfluß im Spiel, der von 40 Jahren österreichischer Präsenz in Bosnien, 1878 bis 1918, ausging. Abgezählte 700 deutsche Lehnwörter hat Memic allein in Sarajevo aufgespürt, darunter auch „rikverc“. 

„Rikverc“ ist überall in Ex-Jugoslawien ein Synonym für „Krise“: „Narod v rikvercu“, konstatierten die Slowenen 2001: Volk im Rückwärts. Wenn in Kroatien die Sozialdemokraten mal wieder nicht gegen die Konservativen ankommen, redet die Presse von „crveni rikverc“, von rotem Rückwärts. „Je li Hrvatska pokrenuta naprijed ili u rikverc, ili tapka u mestu“, sorgen sich Kroaten zu jedem Jahresende: Bewegte sich Kroatien vorwärts oder rückwärts oder trampelt es auf der Stelle? Ende 2006 fragte ein Kommentator die Politiker, „zasto ste nas pokrenuli u rikverc“ – warum habt ihr uns rückwärts geworfen?

Aber es geht auch heiterer. Wer in Makedonien gar nichts begreift, dem ist eben „mosokot vo rikverc“, der Verstand im Rückwärtsgang. Aus dem bosnischen Bihac kommt die Rockband „Rikverc“, die mit ihren sozialkritischen Liedern größte Erfolge feiert, besonders 2006 beim „Kumrovec Music Fest“. Das heißt etwas: In Kumrovec wurde 1892 Josip Broz geboren, seit 1934 als Tito bekannt.