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18.08.07 / Theaterdonner an der Elbe / Was steckt hinter den Diskussionen um eine neue Brücke bei Dresden?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Theaterdonner an der Elbe
Was steckt hinter den Diskussionen um eine neue Brücke bei Dresden?
von Silke Osman

Bauen sie oder bauen sie nicht? Diese Frage beschäftigt seit Monaten die Menschen in Dresden und weit darüber hinaus. Sie bauen nicht, zumindest vorerst nicht. Das hat das  Verwaltungsgericht Dresden zum Schutz der Kleinen Hufeisennase, einer bedrohten Fledermausart, jetzt beschlossen. Eine Brücke mit dem romantisch klingenden Namen Waldschlößchenbrücke soll das Elbtal bei Dresden queren, um die Stadt und ihre Bewohner vor dem lästigen Straßenverkehr zu schützen. Die Bürger selbst hatten sich für eine solche Brücke entschieden. Gute Idee, möchte man ausrufen, wo liegt das Problem, sieht man einmal von dem der Kleinen Hufeisennase ab?

Diese einzigartige Kulturlandschaft des Elbtals mit Weinbergen, Elbwiesen, Wasserburgen, Schlössern und Parks wurde 2004 in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen. Derzeit umfaßt diese Liste insgesamt 851 Denkmäler in 141 Ländern. Davon sind 660 Kulturdenkmäler und 166 Naturdenkmäler, weitere 25 Denkmäler gehören sowohl dem Kultur- als auch dem Naturerbe an. „Sie zu schützen liegt nicht allein in der Verantwortung eines einzelnen Staates, sondern ist Aufgabe der Völkergemeinschaft“, so die Unesco. Insgesamt haben 184 Staaten dieses „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ seit seiner Verabschiedung 1972 unterzeichnet. Über die von den Unterzeichnerstaaten jährlich vorgelegten Neuanträge entscheidet das Unesco-Welterbekomitee, das sich aus 21 jeweils für sechs Jahre gewählten Vertretern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Es prüft, ob die vorgeschlagenen Stätten die in der Konvention festgelegten Kriterien erfüllen (siehe Kasten).

Als die Überlegungen für eine neue Brücke über die Elbe bekannt wurden, stellte die Unesco Dresden und das Elbtal auf die „Rote Liste“ der gefährdeten Welterbegüter. Nach Artikel 11 der Welterbekonvention werden in diese sogenannte „Rote Liste“ Stätten des Welterbes aufgenommen, „die durch ernste und spezifische Gefahren bedroht sind und für deren Erhaltung umfangreiche Maßnahmen erforderlich sind“. Mit einer Aufnahme der Bauarbeiten für die Waldschlößchenbrücke gilt es als sicher, daß Dresden und dem Elbtal der Welterbetitel aberkannt werden würde. Kritiker bemängeln, daß man sich nicht einmal Gedanken gemacht habe, einen Tunnel als Querungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen. Sie verweisen auf den Kölner Dom, der im Juli 2004 auf die „Rote Liste“ gesetzt worden war, nachdem die Stadt Köln auch weiterhin Hochhäuser bauen lassen wollte, die den Blick auf den Dom beeinträchtigen. Nach mehreren Beratungen durch die Unesco wurden diese Pläne endlich verworfen. Nun gibt es eine sogenannte Pufferzone auf beiden Rheinseiten und nahe liegende Hochhäuser dürfen nicht höher als 60 Meter gebaut werden. Entsprechend beschloß die Unesco im Juli 2006, den Dom wieder von der „Roten Liste“ zu streichen. Immer wieder gelang es, der drohenden Aufnahme in die „Rote Liste“ zu entgehen. So auch in Stralsund, wo wenige 100 Meter von der historischen Altstadt entfernt, die 2002 in die Welterbeliste aufgenommen worden war, mit der Rügenbrücke eine der größten deutschen Straßenbrücken entstand – nicht als preiswerte Balkenbrücke, sondern als teurere Schrägseilbrücke. Wenngleich auch diese Lösung kritischen Betrachtern nicht gefallen mag, zu sehr wird der Blick auf die Stadtsilhouette verstellt.

Sollte Dresden der Titel, der übrigens auch touristisch vermarktet wird, tatsächlich einmal aberkannt werden, so wird der Besucherstrom in dieses barocke Kleinod deutscher Baumeisterkunst kaum versiegen. Der eine oder andere wird wegen des Theaterdonners um das Welterbe jetzt erst recht an die Elbe fahren. Vielleicht auch, um einen Blick auf die Kleine Hufeisennase zu werfen, der Retterin des Dresdner Weltkulturerbes.

 

Wer kommt auf die Liste?

1. Die Güter stellen ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft dar.

2. Die Güter zeigen, für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde, einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung von Architektur oder Technologie, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung auf.

3. Die Güter stellen ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur dar.

4. Die Güter stellen ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften dar, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen.

5. Die Güter stellen ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder Meeresnutzung dar, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder der Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere, wenn diese unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht wird.

6. Die Güter sind in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft. (Das Komitee einigte sich, daß dieses Kriterium in der Regel nur in Verbindung mit anderen Kriterien angewandt werden sollte.)

7. Die Güter weisen überragende Naturerscheinungen oder Gebiete von außergewöhnlicher Naturschönheit und ästhetischer Bedeutung auf.

8. Die Güter stellen außergewöhnliche Beispiele der Hauptstufen der Erdgeschichte dar, darunter der Entwicklung des Lebens, wesentlicher im Gang befindlicher geologischer Prozesse bei der Entwicklung von Landschaftsformen oder wesentlicher geomorphologischer oder physiogeographischer Merkmale.

9. Die Güter stellen außergewöhnliche Beispiele bedeutender in Gang befindlicher ökologischer und biologischer Prozesse in der Evolution und Entwicklung von Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeres-Ökosystemen sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften dar.

10. Die Güter enthalten die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt auf der Erde bedeutendsten und typischsten Lebensräume, einschließlich solcher, die bedrohte Arten enthalten, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.

(Quelle: wikipedia.de)

Foto: Romantisches Elbtal bei Dresden: Nicht nur die malerische Silhouette der Stadt, sondern auch die Möglichkeit der touristischen Vermarktung als Weltkulturerbe wird durch den Brückenneubau in Frage gestellt.


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