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18.08.07 / Überleben im ewigen Eis / Antarktis-Sonderkommando hielt bis September 1945 Stellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Überleben im ewigen Eis
Antarktis-Sonderkommando hielt bis September 1945 Stellung

„Gefangen im arktischen Eis“ ist ein erstaunliches Buch. Stimmungen und Gefühlslagen in Deutschland 1944 / 45 werden treulich gespiegelt, wenn der Leiter des Unternehmens seine Eindrücke, Erlebnisse und die Forschungsarbeiten vom Wettertrupp „Haudegen“ erzählt. So wird verständlich, aus welchen Motiven die nur aus Freiwilligen bestehende elf Mann starke Einheit im Sommer 1944 zu einem letzten, gefahrvollen Einsatz in die arktische Nacht und Wildnis aufbrach. Vom Feind bedroht, der die Station natürlich einpeilen und ausheben konnte, umgeben von der harten Natur, der Kälte und ewigen Nacht im Winter, den Gefahren durch Eisbären und frontnahe gegnerische Schlittenkommandos, hielt diese Truppe, völlig auf sich alleingestellt, Humor, Moral, Überlebenswille und Pflichterfüllung aufrecht. Es waren alles handverlesene, meist sehr junge Männer, die ausgebildet im Schneekrieg und für das Zusammenleben auf engstem Raum, die für die Kriegführung so wichtige Funk- und Wetterarbeit im hohen Norden abwickeln sollten.

In der Einführung berichtet der kanadische Historiker W. Barr von den zahlreichen deutschen Wetterstationen auf Grönland, Spitzbergen, Franz-Josef-Land und der Bäreninsel, die teils von der Luftwaffe, teils von der Kriegsmarine betrieben wurden. Fast alle wurden von dem Gegner nach und nach ausgehoben. Der Wettertrupp „Haudegen“, nach dem Expeditionsleiter Dr. Dege benannt, war in voller Absicht in dem abgelegensten Gebiet an der Nordküste von Nordostland eingerichtet und mit Nebenlagern versehen worden, um bei Feindeinwirkungen ausweichen zu können.

Nach Erprobungen in der Ostsee stechen Anfang September 1944 der kleine umgebaute Fischdampfer „Busch“ und U 307, Kommandant Herrle, in See, um das Unternehmen „Haudegen“ zu starten. Leiter ist der 35jährige Geograph und Lehrer Dr. Wilhelm Dege, der schon als Student verschiedene Sommer in der Arktis geforscht hatte. Als er 1943 von Norwegen nach Deutschland berufen wurde und eine dreitägige Prozedur, später auch einen Lehrgang als Marineoffizier erledigte, wußte er noch nichts von dem Sonderkommando, das ihn die nächsten Jahre beschäftigen und fesseln sollte. Bestens geeignet als Instruktor, Erzieher und Mensch, als Vorbild und Stationskommandant, gibt sein Bericht etwas von der tiefen Begeisterung zu verstehen, die ihn und seine Soldaten beseelte, alle unerfahren mit dem Leben und Überwintern im ewigen Eis und trotzdem guten Mutes, mit positiver Einstellung zur Sache.

Er erzählt nicht nur über das ihnen aufgetragene Wetterprogramm und die militärischen Sicherungsmaßnahmen einschließlich der Anlage von Depots für den Fall von Angriffen, nein, auch wissenschaftliche Studien, Exkursionen, Jagdwanderungen und Erlebnisse haarsträubender Art tauchen aus den Tagebüchern wieder auf.

Der Zusammenhalt der Truppe bewährt sich, als im April 1945 die Anfrage kommt, ob das Kommando auch bis 1946 aushalten könnte. Schwierig wird die Lage bei der Kapitulation, als böse Gerüchte durch den Äther rauschen und die trostlose Zukunft für die deutsche Heimat sichtbar wird. Als „Sondereinheit“ mußten sie mit lebenslänglicher Deportation rechnen, das Schicksal ihrer Angehörigen in West und Ost war ungeklärt. Doch der „verlorene Haufen“ gab nicht auf. Sie sprengten ihren Minenschutzgürtel, arbeiteten weiter und gaben Wettermeldungen nach dem internationalen Schlüssel. Im September 1945 stellten sich die Männer dem kleinen norwegischen Suchschiff, das sie abholen sollte, hielten aber MG 42 und Schnapsflaschen in der Rückhand.

In den Anhängen zum Buch berichten W. Barr über den Krieg auf Spitzbergen und Dr. Eckart Dege, der Sohn des Arktisforschers, über das Nachkriegsschicksal der Haudegen-Crew und über einen Besuch auf der Station Haudegen nach 40 Jahren, wo sie als wichtigsten Fund das Kriegstagebuch bargen, das Vater Dege bis zum 21. Juli 1945 geführt hatte und verstecken mußte, weil er die Rache der Sieger fürchtete. Auf diese Weise blieb ein eindruckvolles Zeugnis deutscher Polarforschung erhalten.           Hans Otto Ebner

Wilhelm Dege: „Gefangen im arktischen Eis – Wettertrupp Haudegen – Die letzte deutsche Arktisstation des Zweiten Weltkrieges“, Convent Verlag, Bremerhaven und Hamburg 2006, 425 Seiten, 29,90 Euro, Best.-Nr. 6309


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