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18.08.07 / Der mit dem Hufeisengrill / Vor 60 Jahren starb der italienische Autoproduzent Ettore Bugatti

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Der mit dem Hufeisengrill
Vor 60 Jahren starb der italienische Autoproduzent Ettore Bugatti
von Manuel Ruoff

Viele (Künstler-)Biographien beginnen damit, daß einer unter dem Einfluß seiner Familie mit einer Ausbildung zu einem „ordentlichen“, einem Brotberuf beginnt und diese dann irgendwann abbricht, um sich statt dessen der Kunst zuzuwenden. Bei Ettore Bugatti war es umgekehrt.

Der gebürtige Mailänder wurde am 15. September 1881 in eine Künstlerfamilie geboren. Sein Vater Carlo war der Schöpfer reich eingelegter, orientalisierender Luxusmöbel, sein Bruder Rembrandt wurde Tierbildhauer und sein Onkel Giovanni Segantini war Maler. Ettores Schicksal schien es zu sein, wie sein Bruder Rembrandt Bildhauer zu werden. Bereits als Junge kam er in die Bildhauerklasse des Prinzen Paul Troubetzkoy, der in Mailand an der Accademia di Belle Arti di Brera lehrte. Wohl ein motorisiertes Dreirad der Mailänder Fahrradfabrik Prinetti & Strucchi, das er 1895 sah, bewog ihn jedoch, die Kunstakademie zu verlassen und zu der Fahrradfabrik zu wechseln. Da war er 16 Jahre alt.

1898 baute er bereits ein eigenes motorisiertes Dreirad. Weitere folgten. Bugatti baute jedoch nicht nur Fahrzeuge, sondern er nahm mit diesen auch erfolgreich an Rennen teil. Dank der finanziellen Unterstützung eines Freundes der Familie konnte er schließlich auch ein eigenes Auto bauen, das 1901 nicht nur auf der Mailänder Internationalen Ausstellung ausgestellt wurde, sondern dort auch mit dem Großen Preis der Stadt Mailand und einem Preis des Französischen Automobilclubs ausgezeichnet wurde. Der Unternehmer Baron Eugène de Dietrich erwarb die Lizenz und übertrug Bugatti die Leitung der Autoabteilung seines Werkes im elsaß-lothringischen Niederbronn-Reichshofen. Der Baron machte Bugatti jedoch schließlich zum Vorwurf, über der Entwicklung und Konstruktion von Rennwagen die Serienproduktion zu vernachlässigen, und so endete 1904 die Zusammenarbeit. Bugatti wechselte zum Autohändler Emil E. C. Mathis, der unter anderem auch Autos des Barons verkaufte. Nun begann der Italiener in Mathis’ Elsässischer Maschinenbau-Gesellschaft Kraftfahrzeuge zu bauen. Aber Mathis hatten Bugattis Autos zu viele Macken, und so endete auch diese Zusammenarbeit. Ohne jegliche vertragliche Bindung entwickelte Bugatti einen 50-PS-Wagen und bot diesen 1907 der Gasmotoren-Fabrik Deutz an. Deutz baute das Fahrzeug in Lizenz und Bugatti wurde Leiter der Produktionsabteilung in Köln. Bereits zwei Jahre später trennte sich jedoch auch Deutz von Bugatti wegen angeblicher „Unwirtschaftlichkeit“ seiner Automobile.

Aber in der Zwischenzeit hatte der Italiener im Keller den „Ur-Bugatti“ hergestellt. Mit den 20000 Mark Abfindung von Deutz und der Unterstützung des mit ihm befreundeten Leiters der Straßburger Filiale der Darmstädter Bank pachtete er für 5000 Mark pro Jahr eine stillgelegte Färberei im 25 Kilometer südwestlich von Straßburg gelegenen Molsheim und nahm dort die Produktion eigener Automobile auf. Bereits im ersten Jahr wurden dort von rund 20 Werksangehörigen fünf Exemplare des auf dem „Ur-Bugatti“ basierenden Typ 13 gebaut. Das rund 90 Stundenkilometer schnelle Gefährt kostete mit sportlichem Aufbau ungefähr 6000 Mark. Das war nicht gerade billig.

Um die als Käufer seiner Sportwagen anvisierte finanzkräftige Oberschicht anzusprechen, versuchte der Pferdeliebhaber Bugatti die Assoziation zu Vollblütern zu wecken. Sichtbaren Ausdruck findet dieser Versuch bis zum heutigen Tage in dem für Bugattis so typischen hufeisenförmigen Kühlergrill. Auch erinnerte die ganze Anlage in Molsheim mit dem Schloß St. Jean, der von der Familie bewohnten Villa und den Pferdeställen eher an einen Gutsbetrieb denn an eine Fabrik. Nicht umsonst wurde Bugatti gerne als „le Patron“ bezeichnet. Das war nicht aufgesetzt. Bugatti nutzte vielmehr das eigene Lebensgefühl für das Image seiner Produkte.

Bis zum Ersten Weltkrieg waren 350 Wagen verkauft, die Mitarbeiterzahl auf 400 angewachsen. Obwohl Molsheim im zum Kaiserreich gehörenden Elsaß-Lothringen lag, war Bugatti frankophil. Entsprechend verhielt er sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Er verließ Molsheim und gelangte über die neutrale Schweiz und sein Heimatland Italien nach Paris, wo er erst einen acht- und dann einen 16-zylindrigen Motor für den Einsatz in Kriegsflugzeugen entwickelte. Der 16-Zylinder kam zwar zu spät für den Kriegseinsatz, wurde jedoch von den US-Amerikanern tatsächlich gebaut, und die daraus resultierenden Lizenzgebühren waren Bugatti für die Wiederinbetriebnahme seines Werkes im nun französischen Molsheim herzlich willkommen.

In der Zwischenkriegszeit liegen die goldenen Jahre von Bugatti. Bis 1939 verließen knapp 8000 Hochleistungswagen das Werk. Der Italiener entwickelte neue, größere und leistungsfähigere Motoren, die Produktpalette wurde erweitert, die Fahrzeuge mit dem Hufeisengrill überzeugten auf den Rennpisten dieser Welt, und das Unternehmen expandierte. Bis zur Wende von den 20er zu den 30er Jahren stieg die Zahl der Mitarbeiter auf 1200. Dann kam die Weltwirtschaftskrise. Erschwerend kam hinzu, daß genau zu diesem Moment Bugatti mit dem teuersten Wagen seiner Zeit auf den Markt kam, für dessen Motorisierung er auf seinen im Krieg entwickelten 16-Zylinder-Motor zurückgriff. Der „Royale“ verkaufte sich miserabel. Da war es Glück im Unglück, daß Bugatti einen Auftrag an Land ziehen konnte, für die französische Staatsbahn Hochgeschwindigkeitszüge zu bauen, in die er die eigentlich für den „Royale“ vorgesehenen Aggregate einbauen konnte. Die Pleite war damit abgewendet. Nach dem durch die Weltwirtschaftskrise verursachten starken Einbruch betrug die Zahl der Beschäftigten im Molsheimer Werk 1936 15000.

In jenem Jahr 1936 hatte Ettore Bugatti ein schwerwiegendes Schlüsselerlebnis. Unter dem Einfluß der Gewerkschaften wurde in seinem Werk gestreikt. Der „Patron“ empfand das als Vertrauensbruch. Er übergab die Geschäftsführung seinem ältesten Sohn Jean. Jean war ähnlich wie sein Vater hoch begabt, nur auf anderem Gebiet. So qualitativ hochwertig Chassis und Antrieb des Vaters, so schön und elegant die Karosserien des Sohnes. Die Kombination war ein Erfolgsrezept. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam der Kronprinz und Hoffnungsträger jedoch bei einer Testfahrt ums Leben. Im Krieg wurde das Automobilwerk von den Deutschen für Rüstungszwecke zweckentfremdet. Danach hatte Bugatti Probleme, das Werk zurückzuerhalten. Zum einen hatte er es zumindest formal an die Deutschen verkauft. Zum anderen wurde der Italiener zu seinem Entsetzen ungeachtet seiner Frankreichliebe von den Franzosen als Angehöriger einer Feindmacht behandelt. Schließlich gab der französische Staat das Werk doch noch zurück, allerdings geplündert von kanadischen und US-amerikanischen Truppen. Die goldenen Zeiten von Bugatti waren endgültig vorbei. Am 21. August 1947 starb Bugatti in Paris. Schon zu seinen Lebzeiten hatte die Firma mit ihren geringen Stückzahlen Durststrecken nur durch die Lizenzgebühren überlebt, die er für seine diversen erfolgreichen Entwicklungen für Fremdunternehmen erhielt. 1963 teilte die Bugatti-Familie den verbliebenen Mitarbeitern mit, daß Hispano Suiza das Werk in Molsheim übernommen habe.

Foto: Ettore Bugatti: Der Italiener achtete nicht nur bei Autos auf (sportliche) Eleganz und Qualität.


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