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18.08.07 / Wasserstraßen im Moor / Das Emsland hat nicht nur Schiffsneubauten, sondern auch eine romantische Landschaft zu bieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Wasserstraßen im Moor
Das Emsland hat nicht nur Schiffsneubauten, sondern auch eine romantische Landschaft zu bieten
von Anne Bahrs

Von ihrer Mündung aufwärts bis nach Papenburg ist die Ems eingedeicht und bis hierher auch für Schiffe über vier Meter Tiefgang befahrbar. Friedlich, geruhsam, träge zieht der Fluß durch das niedrige Land. Aber wenn das im Jahre 2002 fertiggestellte, mächtige Ems-Sperrwerk Gandersum bei Leer, das offiziell das Landesinnere bei gefürchteten Sturmfluten schützen soll, den Wasserspiegel des Flusses vorübergehend um 2,70 Meter anhebt, können die riesigen Kreuzfahrtschiffe, Ozeanriesen mit mehr als 90000 Bruttoregistertonnen, die weltweit gerühmte Meyer Werft in Richtung Meer verlassen: ein Wunderwerk der Technik!

Viele Schleusen öffnen sich, um das Wasser aus den Moorgräben und Kanälen einzuleiten bei Ebbe. Sie schließen sich bei Flut. Die Macht des „Blanken Hans“ reicht bis hierher. Als gierig und gefräßig ist die Nordsee bekannt und gefürchtet.

Die Landschaft zwischen Oldenburg und den Niederlanden kennt aber auch den Fluch des unheimlichen Moores. Es liegt zu unserer Zeit noch ein zauberhaftes Leuchten über den Äckern und Wiesen zwischen goldgesprenkelten, dunklen Gräben, wenn die Sonne über Binsen und Wollgras sowie farbenprächtigen Blüten im Sumpf spielt.

Dämonische Nebel aber lagen viele 1000 Jahre über faulendem Krüppelholz.

Nichts hatte ein dauerndes Lebensrecht neben den Tümpeln des Moores. Torfmoose erblühten und breiteten sich sommers wie ein roter Teppich darüber, faulten in der Nässe, rissen Leben mit in die Tiefe, daraus dann in vielen Jahrtausenden die einige Meter dicke schwarze Torfschicht gepreßt wurde. Wehe der Menschenseele, die sich ins Moor wagte!

Das Denkmal an Papenburgs Mittelkanal unweit des Fehn-Freilicht-Museums erinnert an Dietrich von Velen, der in dieser Wildnis hier im Jahre 1631 eine Siedlung gründete. Die ersten Moorkolonisten mußten Gräben ausheben, darin sich das Wasser sammeln konnte. Das Fehngebiet entstand, durch das sich heute wie ein sorgsam gespanntes Spinnennetz viele Wasserstraßen ziehen.  Die Behausungen der frühen Moorkolonisten werden so ausgesehen haben wie die Torfhütte unter dem von Grassoden und Besenheide bewachsenen Dach, das der aufmerksame Besucher auf der kleinen Wurt hinter der Schleuse entdeckt.

Ein Knüppelweg führt auf die niedrige Holztür zu, durch die der sich Duckende eintreten kann, wenn er den großen Riegel beiseite geschoben hat. Die Feuerstelle sieht er vor sich unter dem mit Lehm verschmierten Rauchfang, rechts daneben den Platz für die Ziege mit Heidekraut als Einstreu, links den breiten Bretterkasten, gepolstert mit getrocknetem Moos über den Reisern, die Schlafstatt der Menschen. Das Schicksal der Neusiedler springt hier den Betrachter an, zusammengerafft wie ein Dreizeiler: „Den Ersten der Tod! Den Zweiten die Not! Den Dritten das Brot!“

Hinter dieser armseligen, aus Torfsoden aufgeschichteten Hütte führt ein schmaler Pfad über Bohlen ins Moor.

Schmetterlinge flattern hier im Sonnenschein über Steinbrech und Wollgras.

Mücken und Libellen spielen über braunen Tümpeln und sich daraus erhebenden Grasbulten, Binsen, Glocken- und Rosmarinheide. Rauschebeeren sieht er, und weit in der Ferne fächelt der Wind sanfte Wellen über das rosa Blütenmeer eines Buchweizenfeldes. Oder ist das eine Fata Morgana?

Es erinnert bereits an das bessere Leben späterer Siedlergenerationen, die das abgetorfte Land Meter um Meter mit jungfräulichem Marschboden fruchtbar zu machen suchten, den die heimkehrenden Torfschiffer auf ihren Rückfahrten mitbrachten, wenn sie die von den Städtern als gutes Brennmaterial geschätzten Torfsoden zumeist in Leer entladen hatten. Die Torfschiffer und ihre Familien wohnten in kleinen Backsteinhäusern, wie sie gegenüber der Schleuse besichtigt werden können. Hier zeigen nun Kunsthandwerker ihre Arbeiten.

In diesen kleinen Räumen haben die Frauen mit ihren zumeist sehr zahlreichen Kindern gelebt, Torf gegraben, sobald die Witterung dieses zuließ, und die Soden zu kugeligen Türmen geschichtet, durch die der trocknende Wind fahren konnte. Auf bereits nutzbarem Boden haben sie eine kleine Landwirtschaft betrieben. Gräben begrenzten ihr Eigentum, waren die Wege zueinander von Haus zu Haus.

Zwischen den Zugbrücken über den Mittelkanal, die auch jetzt geöffnet werden, wenn ein Segelschiff der Wassersportler passieren will, liegt der Torso eines Torfkahns, an dem die kunstvolle Bauweise, die akkurate Arbeit der Schiffszimmerer, zu erkennen ist. Einige 100 Meter weiter treideln zwei – bronzene – Torfschiffer ihren beladenen Kahn der Ems entgegen. „Später wurden für diese Arbeit Ochsen ins Geschirr gelegt ...“, berichten die Informationstafeln am Ufer.

Mittelpunkt des Fehn-Freilicht-Museums ist das Kapitänshaus am Kanal. Es wurde um 1840 gebaut, erfuhr später eine gewisse Modernisierung, als der Kapitän Rudolf Dreyer und seine junge Frau statt der Butzen ein richtiges Schlafgemach begehrten und eine Stube mit Ofen, der gußeiserne Seitenplatten mit biblischen Motiven trug.

Gegenüber dem hohen Windrad, modernes Zeichen umweltfreundlicher Energieerzeugung aus der Naturkraft, finden in vielen Parzellen unter einem Dach von rankenden Gewächsen die Autos der Gäste Platz, liebevoll und praktisch ausgestattete Ferienhäuser bieten Wassersportlern und Wanderfreudigen ruhige Quartiere.

Foto: Millimeterarbeit: Ein Neubau der Meyer-Werft in Papenburg bei der Überführung auf der Ems


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