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18.08.07 / Nebel am Meer / Wenn die Grenze zwischen Himmel und Wasser verschwindet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-07 vom 18. August 2007

Nebel am Meer
Wenn die Grenze zwischen Himmel und Wasser verschwindet
von Hans Bahrs

So schnell breitet sich der Nebel hier über das Wasser, wie sonst nirgendwo auf dem Festland. Rund um die Inseln lauert das Meer, und wenn die Nebelfrauen über ihm tanzend ihre grauen Gewänder schwingen, verschwimmen alle Konturen.

Wo endet das Wasser, wo beginnt der Himmel? Ist hier schon das Vorland, welches das Meer als geduldiger Baumeister hergeschafft hat, jeden Tag ein wenig mit der Flut, und wenn diese wieder weicht, die feinen Sinkstoffe zurück bleiben, in denen sich die Queller nach einiger Zeit ansiedeln? Ich weiß es nicht.

Vögel schreien, aber ihr wilder Ruf wird vom Nebel verschluckt. Er gellt nicht mehr nach.

Nur ahnen kann der einsame Wanderer auf dem hohen Deich, der nun langsam durch den Nebel schreitet und wieder Sicht zu gewinnen sucht, wo sich die Vögel niedergelassen haben. Vielleicht hocken sie, eng aneinander gereiht, auf den erhöhten Buhnen, die noch nicht von der Flut erfaßt sind. Schon hört man das Wasser gurgelnd kommen. Woge um Woge arbeitet es sich an den Deich heran. Aber sehen kann man es nicht.

Irgendwo in der Ferne, wo der Nebel nun am dichtesten hockt, muß die große Sandbank liegen, die auch bei hohem Wellengang aus dem Wasser aufragt.

Dort sitzen Tausende und Abertausende von Vögeln und warten darauf, daß der Nebel weicht und sie aufsteigen können in den Himmel, der ihnen gehört von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Und das ist für ein Vogelleben nur eine geringe Zeitspanne, aber für die freiesten Geschöpfe unter Gottes Sonne nicht minder wichtig als für uns.

Der Wanderer, der langsam den Deich entlang schreitet, fühlt sich auf diesem Menschenwerk aus Asphalt, Kleie, Grassoden und Dung sicher. Denn er weiß, dieser Deich reckt sich hoch hinauf und wurde so fest gegründet, daß daran hier die Gewalt der See auch bei mächtigem Hochwasser noch immer gescheitert ist. Aber höchste Wachsamkeit ist geboten.  Der „blanke Hans“ signalisiert oft Gefahr!

Von fernher tönt Rufen. Oder täuschen die Sinne? – Tutet da nicht aus Richtung der weit entfernten Fahrrinne die Sirene eines Schiffes? Aus dem Nebel kommt keine Antwort.

Der einsame Wanderer begegnet auf dem Deich heute keinem Menschen. Wohl dem, der jetzt sicher in der warmen Stube sitzen kann, denkt er und strebt der Straße zu, die jetzt in das Land hinein führt.

Nicht lange danach ist der Deich im Nebel versunken. Die Straße ist fest, irgendwo in der Ferne werden Häuser und darin Menschen sein.

Hier wird er rasten und warten, bis der Nebel verfliegt.


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