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25.08.07 / Noch viel übereinander und sich selbst lernen / 32. deutsch-polnische Schulbuchkonferenz erfüllte die deutschen Erwartungen nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-07 vom 25. August 2007

Noch viel übereinander und sich selbst lernen
32. deutsch-polnische Schulbuchkonferenz erfüllte die deutschen Erwartungen nicht
von Karlheinz Lau

Um es vorwegzusagen, die Erwartung an die 32. deutsch-polnische Schulbuchkonferenz wurde nicht erfüllt. Und es war auch gar nicht möglich, die früheren deutschen Ostgebiete als geographischen Raum darzustellen, weil selbst die aktuellen Geographiebücher in Deutschland diese Fragestellungen überhaupt nicht behandeln.

Bezogen auf die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind Lehrbücher Seismographen, die das Geschichtsbild der jeweils handelnden Generationen widerspiegeln. Bereits 1978 bestand das geteilte Deutschland nur aus der DDR, der Bundesrepublik und aus dem geteilten Berlin. Folgende Empfehlung der Kultusminister wurde ignoriert: „Unter geographischen Gesichtspunkten sollen die politische Gliederung Deutschlands und einzelne Landschaften behandelt werden; dafür kommen neben solchen, die in der DDR liegen, auch Landschaften aus den ehemals deutschen Ostgebieten in Frage.“

Die Kenntnis der Geschichte und Kultur des deutschen Ostens in unserer Bevölkerung ist genau der neuralgische Punkt, der mit Bedauern und auch Verwunderung von polnischen Konferenzteilnehmern angesprochen wurde. Diese Verwunderung wird auch erklärt durch die Tatsache, daß offensichtlich die Polen mit ihren verlorenen Ostgebieten, heute zu Litauen, Weißrußland und zur Ukraine gehörend, ganz anders umgehen: Diese Territorien sind Teil der „mental map“ ihrer nationalen Identität. Davon zeugen Reisen, Spezialprogramme für Schüler und Studenten, Pflege der Geschichte dieser Territorien, kommunale Kontakte, starke Berücksichtigung dieser Themen in den Schulbüchern, kurzum ein Bündel von Aktivitäten, die von der polnischen Gesellschaft getragen werden.

Vieles kommt uns bekannt vor, bloß mit dem Unterschied, daß diese Aktivitäten von Organisationen der Vertriebenen getragen werden – wenig beachtet von der Öffentlichkeit. Die bange Frage bleibt; wer trägt den Staffelstab weiter, wenn die Erlebnisgenerationen nicht mehr da sind, was übrigens auch für Polen gilt, wobei dort vergleichbare Besorgnisse offensichtlich nicht bestehen. Nicht nur für den Geographen werden Räume als Orte menschlichen Handelns definiert, und zwar in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Der renommierte Polonist und Geograph Ekkehard Buchhofer, Universität Marburg, kennzeichnete die früheren Ostgebiete und heutigen polnischen Westgebiete als besonderen Raum im Vergleich zu Restpolen, und zwar in Bezug auf die Einstellung seiner jetzigen Bewohner zu Deutschland und zur EU. Hier erkennt man konkret die Ergebnisse zwischenzeitlich regelmäßiger Begegnungen mit Deutschen und mit Deutschland; viele Vertriebene haben stabile Kontakte zu den heutigen Einwohnern hergestellt, mit der Folge, daß auch die Geschichte vor 1945 zur Kenntnis genommen wird.

Die These von den wiedergewonnenen, urslawischen Gebieten ist nicht mehr offizielles Geschichtsbild. Unmittelbar in den Jahren nach 1945 war sie noch historische Legitimation für polnische Neusiedler aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten, aus denen sie vertrieben wurden.

Die wichtigste Erkenntnis für die deutschen Teilnehmer waren die eklatanten Kenntnisdefizite über Polen, aber auch über den historischen deutschen Osten. Diese können nicht ausschließlich für einen Teil der Bevölkerung durch die Tabuisierung des Themas in der DDR erklärt werden. Für den Bürger, für die Medien, für den Sprachgebrauch der Politiker steht der Begriff „Osten“ heute für die ehemalige DDR beziehungsweise die neuen Länder.

Die Frage bleibt, wie versucht werden kann, diese ja seit Jahrzehnten beklagten Kenntnisdefizite abzubauen oder wie man das historische Ostdeutschland den Menschen in Deutschland nahebringen kann. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Sichtbare Zeichen“ muß nun endlich Gestalt annehmen. Es ist überfällig, daß die Kulturleistungen und die historische Bedeutung der früheren Ostprovinzen für unsere Nationalgeschichte in einer zu schaffenden Einrichtung vertieft und gründlich präsentiert werden.

Das von zahlreichen Politikern befürwortete deutsch-polnische Geschichtsbuch könnte eine Rolle spielen. Im Augenblick gibt es aber dafür nur Absichtserklärungen, und wie sich die gegenwärtige polnische Regierung dazu verhält, ist völlig offen.

Die nächste Konferenz wird in zwei Jahren unter Leitung des neuen polnischen Vorsitzenden Professor Robert Traba in Polen stattfinden. Traba leitet das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften und ist Mitbegründer der Kulturgemeinschaft „Borussia“ in Allenstein; er steht für eine konstruktive deutsch-polnische Zusammenarbeit.

Nachzutragen bleibt, daß demnächst im Cornelsen Schulbuchverlag eine Materialsammlung über die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte erscheinen wird, die vom Deutschen Polen Institut in Darmstadt erarbeitet wurde. Auf die Akzentsetzungen wird man gespannt sein.


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