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25.08.07 / Karl der Große befahl den Anbau / Ein Loblied auf die Melisse – Sie macht Geist und Herz fröhlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-07 vom 25. August 2007

Karl der Große befahl den Anbau
Ein Loblied auf die Melisse – Sie macht Geist und Herz fröhlich
von Anne Bahrs

Bereits im 11. Jahrhundert soll Avicenna, ein berühmter arabischer Arzt-Philosoph, seine Schüler gelehrt haben: „Melisse macht Geist und Herz fröhlich!” Daß seine Erfahrung auch heute noch nicht überholt ist, wissen unsere experimentierfreudigen Hobbyköche. Denn sie kennen die Wirkung einer erfrischenden Bowle mit der lieblich-säuerlichen Zitronenwürze junger Melissenblätter auf ihre sommerlichen Gäste. Ob sie wohl auch das Rezept des morgendlichen Muntermachers kennen? Adamus Lonicerus gab es 1679 in seinem zu Frankfurt erschienenen „Kräuterbuch” preis: „Mutterkraut zerschnitten und wenig gestoßen, guten Wein darüber gegossen und über Nacht stehen lassen in einem reinen Geschirr wol verdeckt, darnach destilliert, deß Wassers nüchtern ein Löffel voll getrunken, macht den Menschen schnelle Sinn, und einen scharfen Verstand und gute Gedächtnuß.“

 Auch ein wohlriechender Melissen-Essig ist leicht selbst zu bereiten: Einen Liter Essig läßt man zusammen mit 100 Gramm frischen, gehackten Blättern des Bienenkrauts 14 Tage ziehen und seiht ihn dann ab. Für Salate und süß-saure Speisen sehr zu empfehlen! Salatfreunde geben den verschiedensten Variationen der knackigen Frischkost gern grüne Gewürzkräuter bei. Vom frühen Lenz bis in den späten Herbst hinein können die ovalen, üppig wachsenden zarten Blätter der bis zu 80 Zentimeter hohen Zitronenmelisse gepflückt werden. Zum Überwintern schneidet man die mehrjährigen Stauden zurück und bedeckt sie mit schützendem Reisig oder Laub. Zeitig im Frühjahr schlagen die jungen Triebe aus.

Wer die Mühe nicht scheut, wird Melissensamen bereits im Blumentopf keimen lassen. Die jungen Pflanzen, die man – ebenso Stecklinge – auch beim Gärtner erwerben kann, sollten aber erst nach den Eisheiligen im Garten eingesetzt werden. Sie lieben einen sonnigen Platz und nährstoff-reichen, lehmigen Boden.

Das beste Aroma entfaltet die würzige Duftpflanze, wenn man ihre Blätter bei trockenem Wetter pflückt. Unsere Finger übernehmen schnell den intensiven Zitronengeruch des saftigen Grüns, das bis 0,25 Prozent ätherisches Öl enthält, hauptsächlich Citral, Citronellal, Geraniol und Linalool.

Von Juni bis August blüht die Zitronenmelisse unermüdlich. Ihre vielen hellblauen und gelblich-weißen Lippenblüten sitzen in den Blattachsen direkt am vierkantigen Stiel. Ihr Duft macht sie zur beliebtesten Bienenpflanze, und daher kommt auch ihr Name. Melisse bedeutet im Griechischen: Biene. Der Volksmund nennt sie Bienen-, Immen-, Herz, Pfaffen- und Mutterkraut, findet auch „Herztrost“ passend.

Aus den beachtlichen botanischen Aufzeichnungen des römischen Feldherrn Plinius (23 bis 79 nach Chr.) erfahren wir, wie beliebt die Zitronenmelisse, die dort „Apiastrum“ (von Apias = lat: Biene) heißt, wie wichtig sie den Menschen auch damals war. Melisse und Biene galten auch für die alten Römer als eine Einheit, zusammengehörend. Allein Honig gab die begehrte Süße noch viele Jahrhunderte lang. Darum war man stets bemüht, die Tracht der Bienen zu mehren. Erfahrung hatte die Menschen gelehrt, neue Immenkörbe mit Melissenzweigen auszulegen. Denn so lockte man junge Völker an. Noch heute reibt mancher Imker seine Bienenstöcke mit Blättern der Zitronenmelisse aus, ehe ein Schwarm dort einzieht.

Des Honigs wegen pflanzten die Araber früh schon felderweit die Zitronenmelisse an. Nach dem 7. Jahrhundert verbreitete sich die schnell wachsende Pflanze über Südeuropa. Wildwachsend finden wir sie oft im Schutz der Macchien auf den Mittelmeerinseln und auf Erdansammlungen der felsigen Küstenregion.

Benediktinermönche lernten in Italien die Würz- und Heilkraft der Melisse kennen. Ihnen oblag auch die medizinische Betreuung der zu ihren Klöstern gehörenden Gemeinden.

Dank der heilenden, zumindest aber schmerzlindernden Wirkung der der Melisse innewohnenden Droge konnte sie bei vielen Erkrankungen des Körpers und der Seele helfen. Darum befahl Karl der Große, in allen Gärten seiner Pfalzen und kleineren Güter, bei allen Klöstern, die Melisse anzubauen.

Im Jahre 1611 gelang es den Karmeliterinnen, aus getrockneten Melissenblättern den noch heute sehr geschätzten Melissengeist herzustellen. Die bei vielen Klöstern nach hauseigenen Rezepten angebotenen Kräuterliköre enthalten die Würze des Immenkrautes.

Pharmazeutische Firmen und Parfümhersteller lassen weltweit in großen Gebieten die so vielseitig wirksame, duftende Bienen-, Gewürz- und Heilpflanze anbauen. Denn noch immer schätzt man ihre beruhigende, verdauungsfördernde, entkrampfende Wirkung gegen Frauenleiden, Hysterie, Herzschwäche, Magenkrämpfe, Fallsucht und Melancholie.

Für die gute hauseigene Küche und auch als Bienenfutter sollte die Zitronenmelisse in unseren Gärten nicht fehlen.


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