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01.09.07 / Eine Metropole verheilt / Stadthäuser statt Wohnsilos: Im Herzen Berlins werden Maßstäbe für zeitgemäße Stadtplanung gesetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Eine Metropole verheilt
Stadthäuser statt Wohnsilos: Im Herzen Berlins werden Maßstäbe für zeitgemäße Stadtplanung gesetzt
von Peter Westphal

Der Prenzlauer Berg ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich ein Stadtbezirk zu wandeln vermag. In der späten DDR von den staatlichen Behörden noch zum Abriß vorgesehen, zählt er heute – neben Berlin-Mitte – zu den attraktivsten Wohngegenden im innerstädtischen Bereich der deutschen Hauptstadt. Zudem gilt das unmittelbare Umfeld von Marienburger Straße, Kollwitz- und Helmholtzplatz seit einigen Jahren als kleinkinderreichstes Wohnviertel von ganz Deutschland.

Daß dies einmal so werden würde, war in der Nachkriegszeit nicht absehbar gewesen. Damals regierte in Ost wie West ein den Idealen des modernistischen Architekten Le Corbusier verhaftetes Denken, welches einschneidende und kaum zu reparierende Spuren hinterließ. In der hochideologischen Anmaßung, dem „neuen Menschen“ eine eigene Architektursprache zuzuweisen, wurden 1950/51 Entscheidungen getroffen, die das Stadtbild Berlins bis heute schwer verunstalten.

Im ersten Bebauungsplan nach Kriegsende war gar für ganz Berlin ein großflächiger Abriß vorgesehen, demzufolge die Stadt in Raster aufgeteilt werden sollte. Wo früher Tür an Tür gewohnt, gearbeitet oder sich amüsiert wurde, sollten nun reine Wohnquartiere und monotone Bürowüsten entstehen. Serienweise entstanden Hochhäuser, jeweils umgeben von Grünflächen. Gewerbeeinheiten und andere Einrichtungen wurden in Extra-Gebäude verbannt, oftmals über die Auslagerung in sogenannte „Dienstleistungswürfel“.

Bis Mitte der 70er Jahre galt die Maxime, alte und gewachsene Strukturen möglichst großflächig abzureißen – zugunsten einer geschichtspolitisch aufgeladenen Neubebauung, die den Abschied von jeder Tradition in Beton gießen sollte. In der Folge verödeten die Innenstadtbereiche, der Einzelhandel brach ein. Die verbliebenen Altbauten der Gründerzeit in den Bezirken wie Prenzlauer Berg, Schöneberg und Kreuzberg verfielen der Vernachlässigung.

Eine Rückbesinnung setzte in den 80er Jahren ein. Auch in Deutschland erkannte man bald, daß das Konzept der europäischen Altstadt die attraktivste Form von Wohn- und Lebensraum verkörpert. Dieses ist durch vier Faktoren gekennzeichnet: Funktionsmischung, städtebauliche Dichte, lokale Einzigartigkeit und Verbindung zur Geschichte.

Wegweisend für die Rückbesinnung Deutschlands war dabei Berlin mit seinem Modell der „sozialen Stadterneuerung“. Dieses beinhaltete erstens die behutsame Sanierung der Altbaubestände, sodann die Wiederherstellung der Funktionsmischung und schließlich die Schaffung eines lebenswerten Sozialgefüges. Wenig später fiel die Mauer. In dieser historischen Sternstunde wurde mit Hans Stimmann ein Mann Senatsbaudirektor, der in der Folge zum einflußreichsten Baupolitiker Deutschlands seit Kriegsende aufsteigen sollte.

Bauhaus-Nostalgikern, die Berlin zu ihrer Spielwiese machen wollten, erteilte Stimmann eine glatte Absage. Mit seinem „Planwerk Innenstadt“ verfolgte der Senatsbaudirektor die vorsichtige Rekonstruierung des Vorkriegs-Stadtgrundrisses.

Nicht minder bedeutsam war die von Stimmann verfügte Gestaltungssatzung, der zufolge Fassaden von Neubauten an historischen Plätzen zu mindestens 50 Prozent aus Stein bestehen müssen. Für diese Vorgabe mußte sich der Baudirektor als „Reaktionär“ oder gar „Faschist“ beschimpfen lassen.

Stimmann, davon unbeirrt, parzellierte schließlich das städtische Gebiet Friedrichswerder und verkaufte die einzelnen Grundstücke unterhalb des Marktwertes, verbunden mit einer Bauverpflichtung. Der Erfolg war spektakulär: Innerhalb einer Woche waren sämtliche Grundstücke vergeben. Inzwischen sind diese Stadthäuser regelrechter Trend. Das jüngste, vielbestaunte Projekt „Prenzlauer Gärten“ (Internet: www.prenzlauer-gaerten.de) ist längst ausverkauft. An die 20 weitere sind derzeit in Vorbereitung, etwa die Kastaniengärten. Sie sind das Ergebnis des bereits nach der Wende einsetzenden Zuzugs nach Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg und verkörpern eindrücklich das Konzept einer lebendigen Innenstadt, mit dem die deutsche Metropole die Wunden heilt, welche ihr Krieg, Teilung und ideologiebeladene Nachkriegs-Architekten und -Planer geschlagen haben.


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