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01.09.07 / Lernen und nochmals lernen / Nach Jahren der Lethargie machen Bildungspolitiker endlich ihre Hausaufgaben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Lernen und nochmals lernen
Nach Jahren der Lethargie machen Bildungspolitiker endlich ihre Hausaufgaben
von Mariano Albrecht

Schlechte Noten, Gewalt und Lehrermangel an deutschen Schulen, seit Pisa-Test und Rütlischulskandal geht das Gespenst des Bildungsnotstands um an deutschen Schulen. Wie die Hamster im Rad strampeln sich Pädagogen und Bildungspolitiker in sogenannten Bildungsoffensiven ab, das ganze Schulsystem wird in Frage gestellt, doch hat, so scheint es, bisher die Initialzündung für einen Wandel in der Bildungspolitik gefehlt. Eltern werden unter Generalverdacht gestellt, nicht genug für das geistige Heranwachsen ihrer Kinder zu sorgen. Den Kindern fehlt es an ausreichender Sprachkompetenz. Der Staat greift ein: Mit Sprachförderprojekten wie „Deutsch Plus“ oder „Schulreifes Kind“ soll Kindern schon im Alter von drei bis vier Jahren sprachlich auf die Sprünge geholfen werden, das kostet Millionen, doch das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen.

Verfehlte Bildungspolitik, ein in die Jahre gekommenes Schulsystem und ein immer höher werdender Anteil von Ausländerkindern, die kaum Deutsch sprechen können, das ist der Ist-Zustand an unseren Schulen. Seit der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006 liegt das Thema Bildung bei den Ländern und Kommunen. Als Ursache für das Debakel ist die vernachlässigte frühkindliche Bildung ausgemacht. Kinder sollen ab einem Alter von drei Jahren durch Kita und Vorschule befähigt werden, mit der deutschen Sprache umzugehen, und für die Schule fit gemacht werden. Im Fokus der Projekte sind Migranten und sogenannte bildungsferne Schichten, meist mit Hartz-IV-Hintergrund. Die ehrgeizigen Projekte kosten Millionen und werden von den Bundesländern in Eigenregie entwickelt. Was in Berlin „Deutsch Plus“ heißt, nennt man in Baden-Württemberg „Schulreifes Kind“, in Hamburg gibt man für „Frühe Bildung von Anfang an“ mittlerweile 345 Millionen Euro aus. Blickt man jedoch auf die Politik der vergangenen Jahre zurück, wird schnell klar, daß in vielen Bildungsbehörden nun unter hohem finanziellen Aufwand die Notbremse gezogen wird und Versäumtes glattgebügelt werden soll. In Berlin wird schon seit den 90er Jahren über einen verpflichtenden Vorschulbesuch diskutiert. Sprachtests für Migrantenkinder scheiterten in der Vergangenheit an der Ablehnung durch den Türkischen Bund. Fast zehn Jahre brauchten die Hauptstädter, um eine verpflichtende Teilnahme an der vorschulischen Sprachförderung durchzusetzen. Die Lage in Berlin ist prekär, von 25000 Kindern, die im Schuljahr 2006 / 2007 schulpflichtig wurden, mußten insgesamt 6496 Kinder (25,5 Prozent der getesteten Kinder) bis zum Schulanfang im Herbst 2006 intensiv in Deutsch gefördert werden. Unter den 7560 Kindern nichtdeutscher Muttersprache wurde sogar ein Förderbedarf bei 4274 Kindern (56,5 Prozent) ermittelt. Von den 1140 Kindern, die keine Kita besucht haben, hatten in Berlin 566 (49,6 Prozent) Sprachförderbedarf.

Auch Hamburg hat gesetzliche Grundlagen geschaffen, um die Teilnahme an Sprachförderkursen für Vorschulkinder mit festgestellten Sprachdefiziten zur Pflicht zu machen.

Die Kinder müssen an vier Pflichtstunden in der Woche am Sprachunterricht teilnehmen. Aus Sicht von Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) ist es ein großer Erfolg, daß in diesem Jahr 6353 Mädchen und Jungen in der Hansestadt eine Vorschule besuchen. Das sind rund 1000 mehr als im Vorjahr. Sie verwies darauf, daß gerade die Zahl der Vorschüler in sozialen Brennpunkten um 22 Prozent gestiegen sei.

Baden-Württemberg hat zwar in Medienmeldungen verkündet, ab 2008 verpflichtende Sprachtests einführen zu wollen, doch bei festgestelltem Förderbedarf besteht nach Auskunft des Kultusministeriums bisher keine Handhabe, den Besuch von Förderkursen zur Pflicht zu machen, dazu müsse das Schulgesetz geändert werden, so eine Sprecherin.

Die neue deutsche Bildungs- und Erziehungspolitik zielt offensichtlich auf eine ganzheitliche Kinderbetreuung unter staatlicher Aufsicht ab. Wird Eltern hier pauschal die Kompetenz zur Kindererziehung abgesprochen oder liegen die Gründe vielleicht tiefer? Sozialwissenschaftler bestätigen, daß auch der Anstieg der Armut mit der Bildungsmisere zu tun hat. Unter der rot-grünen Regierung haben sich die sozialen Unterschiede in Deutschland dramatisch verschärft. Dies geht aus dem Armuts- und Reichtumsbericht hervor, den die Bundesregierung im Jahr 2005 vorstellte. In dem Bericht wird bestätigt, daß die Bildungschancen von Kindern aus sozial schwachen Familien deutlich schlechter sind als die von Kindern aus finanziell gut versorgten Haushalten. Viele Familien haben trotz Arbeit und zusätzlicher Grundsicherung kein Budget für Zoo-, Kino- oder Theaterbesuche. Mit den Programmen zur frühkindlichen Bildung werden zwar Symptome einer angeschlagenen Erziehungspolitik bekämpft, das eigentliche Übel liegt jedoch tiefer.

Die verfehlten Reformen der rot-grünen Regierung haben einen sozialen Scherbenhaufen hinterlassen, dessen Ausmaß sich nun in der heranwachsenden Generation widerspiegelt. Niedriglöhne und Massenarbeitslosigkeit treiben Familien in Resignation und Sprachlosigkeit, die sich auf die Kinder überträgt. 

Foto: Alleingelassen: Auch gut vorgebildete ABC-Schützen leiden unter Nachzüglern.

 

Zeitzeugen

Thomas Mann – Der 1875 geborene Literat empfand seine Schulzeit als überaus stumpfsinnig, er schrieb lieber, was er wollte, und nannte sich bereits mit 14 Jahren „Dichter“. Die Schule verließ er nach der Obersekunda, um zunächst in einer Versicherung, später als Journalist zu arbeiten. Bald jedoch war der 1955 verstorbene Mann nur noch als Schriftsteller tätig.

 

Louis Ferdinand – Der 1907 geborene Kaiserenkel war offenkundig kein Freund der für einen Prinzen von Preußen vorgesehenen höheren Schulbildung. Als ihm die Kaiserin im November 1918 eröffnet habe, daß sein Großvater abgedankt hat, sei ihm, so verriet er viele Jahre später, als erster Gedanke durch den Kopf geschossen: „Gott sei Dank muß ich jetzt nicht auf diese Kadettenschule nach Plön!“ Der deutsche und preußische Thronanwärter starb 1994.

 

Thomas Alva Edison – Seine Erfindungen auf dem Feld der Elektizität und im Kraftwerkswesen machten den US-Amerikaner Edison (1847–1931) weltberühmt. So war er maßgeblich an der Entwicklung einer marktfähigen Glühbirne beteiligt. Geregelten Schulunterricht erhielt Edison jedoch nur einige Monate lang, wurde anschließend vermutlich von den Eltern unterrichtet. Mit elf Jahren arbeitete er als Zeitungsjunge, mit 14 verkaufte er in Zügen bereits ein von ihm selbst herausgebrachtes Blättchen.

 

Rudi Carrell – Der im Sommer 2006 verstorbene TV-Unterhalter wurde 1934 im Holländischen als Rudolf Wijbrand Kesselaar geboren. Mit 17 schmiß er die Schule und tingelte als Schautalent über die Bühnen der Niederlande. Seinen großen Durchbruch erlebte er indes im deutschen Fernsehen.

 

Albert Einstein – Das 1879 in Ulm geborene Physikgenie begann erst mit drei Jahren zu sprechen. Auf der Schule tat sich der junge Albert denn auch schwer mit den Sprachen. Um so schneller entwickelten sich jedoch seine Fähigkeiten auf dem Feld der Naturwissenschaften. Schon 1894 aber entschloß sich der 15jährige, die Schule hinzuschmeißen, um der Familie zu folgen, die kurz zuvor nach Mailand gezogen war.


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