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01.09.07 / Kampf um den Briefmarkt / 40 Prozent niedrigere Stundenlöhne – Deutsche Post AG arbeitet mit Gewerkschaften zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Kampf um den Briefmarkt
40 Prozent niedrigere Stundenlöhne – Deutsche Post AG arbeitet mit Gewerkschaften zusammen
von Rebecca Bellano

Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Deutsche Post AG sieht das allerdings nicht so, und demgemäß hält sich ihre Begeisterung über die Entscheidung der Bundesregierung, das Briefmonopol Anfang 2008 auslaufen zu lassen, in Grenzen. Die Wettbewerber stehen schon in den Startlöchern und unterbieten die grimmig am Rande stehende Post. So hat der Konkurrent Pin AG jetzt die Neuausschreibung der Berliner Behörden gewonnen und darf ab 2008 mit 28 Millionen zu verteilenden Briefen rechnen, was einem Umsatz von 12,6 Millionen Euro entspricht.

Die Post unkt schon, daß der Wegfall des Briefmonopols 32000 der 160000 Arbeitsplätze kosten wird. Und die neuen Arbeitsplätze, die bei der Pin AG oder TNT Post entstehen, würden keinesfalls dem Niveau der Post AG entsprechen. Grund: Pin AG, TNT Post und Co. zahlen deutlich weniger als die tariflich gebundene Post. 10,40 Euro beträgt der Einstiegsstundenlohn eines Postzustellers. Was die Konkurrenten zahlen, ist nicht offiziell. Zwar hat die Bundesnetzagentur, die als Bundesbehörde für die Aufrechterhaltung und die Förderung des Wettbewerbs in den Netzmärkten für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen sorgen soll, bereits die Daten angefragt, wurde jedoch abgewiesen. Der Fragenkatalog sei zu umfassend gewesen, so der genannte Grund für die Ablehnung.

Allerdings wird das Gerücht gestreut, daß die Mitbewerber 30 bis 40 Prozent unter dem Post-Lohn zahlen und somit Zusteller bei einer 40-Stunden-Woche so wenig verdienen, daß die Gehälter mit Staatsgeldern aufgestockt werden müssen. 7,18 Euro soll die Pin AG zahlen, so ein Gerücht, das von Seiten der Post AG und ver.di gern gehört wird, um die anderen schlecht aussehen zu lassen. Der Vorstandschef der Pin AG behauptet allerdings, daß ein unverheirateter Zusteller bei einer 40-Stunden-Woche 1025 Euro netto bei ihm verdiene. Außerdem wären seine Angestellten nur Geringqualifizierte mit Schnellkursen.

Und während Union und SPD sich immer noch über einen allgemeinen Mindestlohn streiten, macht sich die Post AG eine Möglichkeit zunutze, der Konkurrenz das Leben schwer zu machen. Tarifparteien können einen Mindestlohn festlegen, der für alle gilt, wenn 50 Prozent der Beschäftigen einer Branche unter den Tarifvertrag fallen.

Und so schickte Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel seinen Vertrauten und ehemaligen Bundespost-Vorstand Wolfhard Bender vor. Dieser leitet jetzt den neugegründeten Bundesverband Deutscher Postdienstler e. V. Der Arbeitgeberverband ist der erste tariffähige Verband der Branche. Bisher war derartiges nicht nötig gewesen, doch mit dem Wegfall des Briefmonopols stellt sich die Branche neu auf, und die Post muß ihr Revier verteidigen. 20 Mitglieder hat der Verband, dem neben der Post und ihren Töchtern auch einige mittelständische Transportunternehmen angehören, und der mit 200000 Arbeitnehmern sogar mehr als 50 Prozent der Beschäftigten der Branche umfaßt. Natürlich hat Bender bereits bei der Pin AG und TNT Post angefragt, ob ein Interesse an einer Mitgliedschaft beim Arbeitgeberverband besteht, doch die haben gar kein Interesse daran, daß ein Mindestlohn mit den Gewerkschaften ausgehandelt wird, der sich an dem Stundenlohn der Post orientiert. Schließlich zahle diese im Gegensatz zu ihnen keine Mehrwertsteuer. Da bleibe ihnen ja nichts anderes übrig, als niedrigere Löhne zu zahlen.

Die Post AG hingegen klagt über Lohndumping und darüber, daß die Post-Mitarbeiter mit ihren 2,3 Milliarden Euro, die durch sie in die Sozialkassen fließen, und von denen die vom Staat zu bezuschussenden Lohndumping-Opfer profitieren, ihre eigenen Jobs wegsubventionieren. „Kein Wettbewerb um die miesesten Arbeitsbedingungen“, fordert die Post. Es soll um Qualität gehen.

Während die Post AG indirekt die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften sucht, um einen brancheneigenen Mindestlohn von etwa 10 Euro die Stunde gegen ihre Konkurrenten durchzudrücken, kommen sich Union und SPD in Sachen gesetzlicher Mindestlohn nicht näher. Davon profitiert auch die SPD, weil sie ein Wahlkampfthema hat, das die Union als sozial ungerecht dastehen läßt. Denn, so ver.di-Sprecherin Cornelia Haas, es sei keineswegs mit dem bürgerlichen Ethos der Mittelschicht, also vielen potentiellen CDU-Wählern, vereinbar, daß einige Menschen Vollzeit arbeiten, aber nicht davon leben können. Ver.di fordert einen Stundenlohn von 7,50 Euro und verweist auf das Beispiel von Großbritannien, wo ein Mindestlohn von über 8 Euro sogar die Binnenwirtschaft belebt habe. Befürchtungen, daß die CDU von Arbeitgeberverbänden beeinflußt wird, hält Haas für unwahrscheinlich. „Das Lobbying ist bei Gewerkschaften stärker als bei Arbeitgebern.“ Allerdings würden Arbeitgeber unsachlich mit der Urangst vorm Arbeitsplatzvernichter Mindestlohn arbeiten. Die CDU wiederum sei in einer alten Ideologie gefangen, die besagt, daß der Staat bei der Lohnfindung keine Rolle spielen dürfe.

Foto: Die Post hat neue Konkurrenz: Die Pin AG gehört den Verlagen Springer, Holtzbrinck und WAZ. Medienberichte über Lohndumping sind daher „so eine Sache“.


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