29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.09.07 / Ost-Deutsch (30): Brüderschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Ost-Deutsch (30):
Brüderschaft
von Wolf Oschlies

Brüderschaft trinken ist antiquiert“, las ich kürzlich in der PAZ. Tja, vielleicht bei Deutschen, im Osten gelten Wort und Tat noch sehr viel. Was im Rumänischen so klingt: „brudersaft, Plural brudersafturi, fel de a bea in sem de imprietenire si infratire“, also: „Trinkweise zum Zeichen von Freundschaft und Verbrüderung“. So geht das seit Jahrzehnten: Auf „brjudersaft“ trank vor rund 90 Jahren schon der russische Lyriker Sergej Jesenin, 1935 verzeichnete dessen polnischer Dichter-Kollege Juljan Tuwim „bruderszaft“ in seinem legendären „Polski Slownik Pijacki“ (Polnischen Säufer-Lexikon). 1975 erlebten amerikanische Slawisten, daß in Moskau „in student circles is still common to drink brudersaft“. 1997 schrieb der Kroate Josip Cvitanovic sein elegisches Chanson „Brudersaft sa Zagrebom“ (Bruderschaft mit Zagreb) und 2001 führten Kroaten „brudersaft“ unter „najdrazi germanizmi“ (liebste Germanismen) auf.

Ich lebe im Rheinland, wo die „Bruderschaften“ der Schützen ihre Hochburgen haben. Die hat der Osten natürlich nicht im Sinn, auch keine Chöre „Brüderschaft“ oder ähnliche. Östlich ist, was ein Tscheche so beschrieb: „Vecer zvrhnul v grandiozni smes vodky a piti na brudersaft“ (Der Abend endete mit einem grandiosen Wodka-Besäufnis und Brüderschafttrinken). Serben rätseln, ob 1944 „su Tito i Staljin popili brudersaft“ (Bruderschaft getrunken haben) – haben sie nicht, dazu mißtrauten sie einander zu sehr –, Russen überlegen, ob man russisch-deutsch „pit’ nabrjudersaft“ oder gleich deutsch „trinken auf brjudersaft“ sagen soll. Das haben Slowenen schon entschieden, wenn sie für die erweiterte EU die Losung „brudersaft und ajnigkait“ ausgeben. (Bitte, laut lesen!)

Aber es muß nicht immer alkoholisch sein. Wenn ein Russe plumpe Vertraulichkeit abwehren will, dann giftet er „na brjudersaft my ne pili“ (Wir haben nicht auf Brüderschaft getrunken). Ukrainer sind „z Klio na brudersaft“ (mit Klio, der Göttin der Geschichte, auf Bruderschaft). Jugoslawische Fußball„gastarbajter“ erinnern sich an die „brudersaft“ in den Anfangsjahren der Bundesliga. Moskauer Blätter bestaunten die „brudersaft“ zwischen Putin und Schröder, sahen sie aber als normal an im deutsch-russischen Umkreis von „geseft i brjudersaft“: Geschäft und Bruderschaft.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren