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01.09.07 / »Der Balzac des deutschen Ostens« / 150. Geburtstag von Hermann Sudermann: Blankensee feiert sich selbst und seinen berühmtesten Einwohner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

»Der Balzac des deutschen Ostens«
150. Geburtstag von Hermann Sudermann: Blankensee feiert sich selbst und seinen berühmtesten Einwohner
von Silke Osman

Es war eher ein Zufall, daß der spätere Dramatiker und Schriftsteller Hermann Sudermann am 30. September 1857 das Licht der Welt ausgerechnet in Matziken, Kreis Heydekrug, erblickte, diesem abseits gelegenen Winkel. Der Vater, aus der Elbinger Niederung stammend, war „zwei Meilen vor der russischen Grenze im Schneetreiben“ steckengeblieben, erzählt Sudermann später im „Bilderbuch meiner Jugend“: „Während er in dem Heydekrüger Gasthause sehnsüchtig auf die Weiterfahrt des Postschlittens wartete, erfuhr er von einem Tischnachbarn, daß unfern des Ortes eine Pachtung ausgeboten wurde, die für ihn geschaffen schien. Darum bin ich ,zwischen den Wäldern‘ geboren, darum ist das Memelland, das geliebte und nun verlorene, meine Heimat geworden ...“

Dieser Heimat hat Sudermann in vielen Schauspielen, Erzählungen und Romanen ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt. „Die Reise nach Tilsit“ zum Beispiel wurde später mehrfach verfilmt. Die Geschichte von Ansas und Indre wird auch heute noch gern gelesen und spiegelt eindrucksvoll ein Bild längst vergangener Zeiten. Das Memelland, die Landschaft, die Menschen stehen im Mittelpunkt dieser Erzählung, die Sudermann in dem Band „Litauische Geschichten“ 1917 veröffentlichte. Professor Dr. Helmut Motekat sieht in den Litauischen Geschichten „das stärkste und bleibende Werk Hermann Sudermanns“ („Ostpreußische Literaturgeschichte“, Schild Verlag, 1977). „In Sudermanns ,Litauischen Geschichten‘ sind Landschaft und Menschen zwischen Tilsit, Memel und der Kurischen Nehrung mit dem liebenden Blick erfaßt, dem sich das unter der Oberfläche der Erscheinung verborgene Geheimnis des wahren Wesens und Empfindens seiner litauischen Landsleute erschloß.“

Mehr als 100 Jahre sind vergangen, daß „Jolanthes Hochzeit“ zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Hermann Sudermann berichtete von einer Lesung im Berliner Kaiserhofsaal: „Vom ersten Momente an hatte ich mein Publikum in der Gewalt. Schon bei den Anfangsworten ,Sehn Se, meine Härren ...‘ rauschte hörbar eine behagliche, genußfreudige Stimmung durch den Saal ... hie und da überraschte mich eine feiner und schärfer aufgefaßte Wendung – und drückte ich durch noch sorgfältigeres Pointieren ein fröhlicheres Gelächter heraus ... Zum Schlusse minutenlanger Beifall ...“ Diese Hinwendung Sudermanns zur Heimat mag vor allem darin begründet gewesen sein, daß er trotz seines Erfolges beim Publikum den Spott der Berliner Literaturkritik nicht verwinden konnte. Die Heimat war so ein Ort der Geborgenheit, des mitmenschlichen Verständnisses.  Es gibt wohl kaum einen Schriftsteller, der so viel Lob, aber auch so viel Kritik geerntet hat wie Sudermann. Oft hat man ihn mit seinem Zeitgenossen und Berufskollegen Gerhart Hauptmann verglichen, obwohl die Arbeit der beiden Dramatiker in Grundstimmung, Form und Gehalt nichts gemein hatte. Mit seinem ersten Schauspiel „Die Ehre“ erlebte Sudermann den entscheidenden Durchbruch. Auch das zweite Stück „Heimat“ war beim Publikum ein großer Erfolg. Die Kritik aber meldete erste Bedenken an. In der Folgezeit wurde sie zunehmend schärfer, so daß Sudermann sich nicht anders zu helfen versuchte, als selbst das Wort gegen die Kritiker zu richten. Mit der Broschüre „Verrohung der Theaterkritik“ machte er seinem Herzen zwar Luft, gab aber den Kritikern nun erst recht Grund zu Sticheleien bis hin zu heftigen Angriffen. Alfred Kerr antwortete mit einer Gegenbroschüre unter dem nicht schmeichelhaften Titel „Herr Sudermann, der D ... D ... Dichter“.

Sudermann wandte sich schließlich 1902 ab von Berlin und hielt sich meist in seinem Schloß Blankensee auf, das er zu einem wahren Kleinod herrichten ließ. Heute erinnert dort die von Rolf Lauck-ner, dem Stiefsohn des Dichters, 1929 errichtete Hermann-Sudermann-Stiftung mit einem Sudermann-Zimmer an den Dichter und Dramatiker, den Paul Fechter in seiner „Geschichte der deutschen Literatur“ als den „Balzac des Ostens“ würdigte. Das Schloß gehört seit 1994 der Brandenburgischen Schlösser GmbH und wird jetzt als Hotel genutzt.

Großen Trubel wird es vom 9. bis 16. September in Blankensee geben. Einmal, um den 150. Geburtstag des Dichters zu feiern, zum anderen aber auch, um die Gemeinde Blankensee selbst hochleben zu lassen.

Man schrieb das Jahr 1307, als Blankensee zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Mit einer Festwoche will man diesen Geburtstag ausgiebig feiern. Theater, Vorführungen von Sudermann-Verfilmungen, Konzerte und natürlich ein buntes Markttreiben stehen auf dem Programm.

Sudermann hat die Renaissance seiner Bühnenwerke nicht mehr miterlebt, etwa die Neuinszenierung seines Dramas „Johannisfeuer aus dem Jahr 1901, das Jürgen Fehling nach dem Zweiten Weltkrieg im Berliner Staatstheater wieder auf die Bühne brachte.

Fechter: „Fehling bewies mit dieser Aufführung, daß Sudermann nicht ein Mann der Wirklichkeit, sondern der Schöpfer einer seltsam großartigen östlichen Phantasiewelt gewesen war, daß es darauf ankam, ihn aus dem engen Bannkreis des Naturalistischen zu lösen und in die wunderbare Unwirklichkeit des Visionären zu stellen, aus der sein Werk gewachsen war.“

Das Literaturarchiv in Marbach /  Neckar, wo im Cotta-Archiv der Sudermann-Nachlaß verwahrt wird, zeigt aus Anlaß des 150. Geburtstags eine Vitrinen-Ausstellung, 17. September bis 26. Oktober.

 

Hermann Sudermann wurde am 30. September 1857 in Matziken im ostpreußischen Kreis Heydekrug als Sohn eines Brauereibesitzers geboren. Er besuchte das Gymnasium in Tilsit und Elbing und studierte später einige Semester Geschichte und Philosophie in Königsberg und Berlin. Als Journalist beim „Deutschen Reichsblatt“ (1881/82) und als Hauslehrer hielt er sich über Wasser, bis er sich eine Existenz als Schriftsteller aufbauen konnte. Große Schauspieler seiner Zeit verkörperten seine Figuren bald eindrucksvoll auf der Bühne, so Josef Kainz, Adele Sandrock oder Paul Wegener. Sein erstes Drama „Die Ehre“ wurde 1890 am Berliner Lessing-Theater uraufgeführt. Es folgten „Heimat“ 1893 und „Johannisfeuer“ 1901. Zu seinen erfolgreichen Romanen und Erzählungen gehören Titel wie „Frau Sorge“ (1887), „Der Katzensteg“ (1889) und „Litauische Geschichten“ (darunter „Die Reise nach Tilsit“, 1917). Hermann Sudermann starb am 21. November 1928 in Berlin und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Halensee-Grunewald in einem Ehrengrab. os

Foto: Schloß Blankensee: In der oberen Etage befindet sich das Sudermann-Zimmer.


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