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01.09.07 / Erlöser oder was? / Deutsch-Russe sorgt an seiner Schule für Wirbel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Erlöser oder was?
Deutsch-Russe sorgt an seiner Schule für Wirbel

Im großen Festsaal des Immanuel-Kant-Gymnasiums  wird wie jedes Jahr der Geburtstag des ehrwürdigen Philosophen gefeiert. Zur gleichen Zeit wird auf der Schüler-Toilette ein Schüler von vier älteren Schülern verprügelt und beklaut. Zum Schluß drohen sie ihm noch Schlimmeres an, wenn er beim nächsten Mal nicht mehr Geld mitbringt. Völlig verängstigt schleicht er sich in den Festsaal, wo der Rektor bereits mit seiner Rede begonnen hat. Wie aus weiter Ferne dringen die Schlußworte zu ihm durch: „... daß ich von Herzen stolz darauf bin, daß unser Gymnasium, das den ehrwürdigen Namen des großen Philosophen trägt, sich so erfolgreich gerade im Kampf gegen rechte Gewalt gezeigt hat. Werte-Grundlagen sozialer Verantwortung für Schüler, Lehrer und Eltern des Kant-Gymnasiums sind in gegenseitiger Wertschätzung, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Teamgeist zu sehen. Sie werden sichtbar im täglichen Umgang miteinander, im Unterrichtsgeschehen, in der umfangreichen Teamarbeit.“ Für seine Rede bekommt der Rektor viel Beifall und Lob von den Anwesenden.

Einige Tage später steht der 17jährige Frank zum ersten Mal auf dem Schulhof des Kant-Gymnasiums und blickt zu seinem Vorbild empor. Schon mit 14 Jahren hatte er angefangen, sehr zur Freude seines Vaters, sich mit der Ethik Kants zu beschäftigen. In der Klasse bittet der Deutschlehrer Frank sich vorzustellen. Freimütig erzählt er, daß er vor 14 Tagen aus Rußland gekommen sei, genauer gesagt aus Sibirien, der Stadt Omsk. Alle seien Deutsche gewesen. Frank spricht über seine Lieblingsbücher, über Schiller, Goethe, Fallada, Lermantow, Mann, Dostojewski und besonders Kant. Für ihn sei die Kantsche Ethik verbindlich und danach wolle er leben. Der dritte Grundsatz Kants sei für ihn der wichtigste, stets nur die Wahrheit zu sagen – ohne Ausnahmen und Berücksichtigung der möglichen Folgen eines solchen Verhaltens.

Sofort entsteht Unruhe in der Klasse, und Frank wird von seinen Mitschülern gleich auf die Probe gestellt. Auch in den nächsten Tagen muß sich Frank wegen seiner Ansichten vor seinen Mitschülern rechtfertigen. Die einen sind von ihm fasziniert, die anderen halten ihn für einen Wichtigtuer.

Auch im Lehrerkollegium ist dieser höfliche, intelligente Schüler aus Rußland ein Gesprächsthema. Nur die Geschichtslehrerin Frau Brammert sieht in seinen, wie sie es nennt, überkommenen Ansichten über das Deutschtum eine Gefahr. Hatte Frank doch in dem Geschichtsbuch über das Thema „Der Zweite Weltkrieg und der Überfall auf die Sowjetunion“ einige Widersprüche und offensichtliche Fehler gefunden. Durch seine fundierten Ausführungen hatte er ihr vor der Klasse eine Niederlage beigebracht und ihre Autorität untergraben. Für sie ist dieser Frank Uffelmann ein rechtsradikaler Intellektueller, ein geistiger Brandstifter. Lehrer und Schüler des Immanuel-Kant-Gymnasiums geraten in helle Aufregung.

In seinem Roman „Heimat ist ein Paradies“ von Viktor Streck wirft der Autor zwei Fragen auf, die sich wie ein roter Faden durch die Handlung ziehen. Ist es möglich, stets die Wahrheit zu sagen, so wie es Kant gefordert hat? Was bedeutet dem einzelnen der Begriff Heimat? Zwei interessante Fragen, die zur Diskussion anregen. Strecks Hauptfigur aber ist in seinen Handlungen einfach zu gut für diese Gesellschaft. Wie Jugendliche und Erwachsene diesem  gutaussehenden, klugen, belesenen deutschen Jungen aus Sibirien verfallen und folgen, ist etwas realitätsfremd dargestellt. Diese Figur ist einfach zu perfekt. Ständig fragt man sich: Held oder Erlöser? Es fehlt bloß noch der Heiligenschein. Trotzdem hat dieses Buch Spannung und Tempo. Schade nur, daß das Thema Gewalt an der Schule nicht stärker in den Handlungsablauf mit einbezogen wurde. Dennoch empfehlenswert. Barbara Mußfeldt

Viktor Streck: „Heimat ist ein Paradies“, Viktor Streck Verlag, Bad Pyrmont, geb., 568 Seiten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 6215


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