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01.09.07 / Aus der Rede des Tilsiter Stadtvertreters Horst Mertineit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-07 vom 01. September 2007

Aus der Rede des Tilsiter Stadtvertreters Horst Mertineit

Vorweg möchte ich unserem Schweizer und auch Tilsiter Landsmann Streit für seine beeindruckende Rede danken. Mit seinen 91 Jahren kann ich mit meinen 87/88 nicht mithalten.

Danken will ich Ihnen für die Einladung hierher, mehr und nachhaltig aber für das Geschehen hier, für das, was Sie auf den Weg gebracht haben: Tilsit in der Schweiz!

Da kommt man in einem für uns doch fernen Land auf den Gedanken, unserer Heimatstadt Tilsit ein neues Domizil zu geben. Ich bin arg ins Grübeln geraten, als ich Ihre Nachricht, Ihre Einladung las. Was ist denn Tilsit heute, unsere arg geschundene Heimat, die offiziell nicht mehr diesen Namen trägt, und wie leben wir Tilsiter damit. Ist sie für uns auch gestorben, für uns die etwa noch 9000 Einwohner (von einst 60000) in 29 Staaten der Erde?

Nein, Tilsit lebt weiter, nicht nur für uns, sondern auch als Stadt, auch wenn nicht mehr unter ihrem ehrenwerten einmaligen Namen. Lassen Sie mich das etwas skizzieren; denn wenn Sie diesen heute eingeschlagenen Weg gehen wollen, dann müssen Sie auch wissen, wofür Sie sich einsetzen.

Tilsit, das Städtchen, das 1552 von Herzog Albrecht die Stadtrechte erhielt, einschließlich der Farben und des Wappens, lebt trotz allem weiter. Die Stadt, die ein Verkehrsknotenpunkt war, die Wasserstraße von Ost nach West, der Landweg von Süd nach Nord, sie war auch ein kulturelles Zentrum. Alle „Geistesgrößen“, die den Weg nach St. Petersburg nehmen wollten rasteten in Tilsit und wirkten dabei auch kürzer oder länger in dieser Stadt. Und anders: Viele große und markante Persönlichkeiten kamen aus Tilsit, das Zeitlimit verbietet mir eine Aufzählung. Es war eine in allen Sektoren aufblühende Stadt, die manch einen Beinamen erhielt: So zum Beispiel „Gartenstadt des Deutschen Ostens“, „Stadt der schönen Mädchen“ (und das war sie!), „Die Stadt ohne Gleichen“, so der Regierungspräsident bei einer Festrede, „Die Stadt, in der die Uhren immer anders gingen!“ Kurz, die Stadt die in aller Welt bekannt wurde, nicht nur durch den sogenannten „Tilsiter Frieden“, nein auch, und besonders durch ein Nahrungsmittel, nein, ein Genußmittel, durch den einzigartigen Käse, den „Tilsiter“. Doch dazu wird nach mir von berufener Seite gesprochen werden.

Nun, die Stadt zerstört, arg verfallen, ist das noch unser Tilsit? Es gibt Orte, die als Ruinen untergingen. Es gibt aber auch Städte, die arg ramponiert, aber trotzig standhielten und ihren Charakter bewahrten. Sie wurden zu Wegweisern in der Geschichte, „Landmarken“, würden Segler dazu sagen. Und solch eine Landmarke ist Tilsit. Die Stadt wird nicht mehr im Staub der Geschichte versinken, sie wird weiterleben, das ist jetzt bereits erkennbar. Es ist eine Stadt, die nicht von den Menschen geformt wird, sondern eine Stadt mit eigener Seele und eigenem Charakter, die zweifelsohne die Menschen formt, woher sie auch immer kommen!

Dafür, für diese unsere Stadt, und da sind wir für jede Hilfe, für jede Unterstützung auf allen Sektoren dankbar; so auch für Ihre Aktivitäten, für Ihre Hilfe; denn Ihr Tun dient nicht nur merkantilen Zwecken. Ob gewollt oder nicht, es bewegt mehr, und dafür sagen wir Ihnen Dank! …

Etwas, was in dieser Stadt entstand, wobei Sie mitwirkten, was sie in Ihrer Heimat bewahrten und weiter entwickelten, den „Tilsiter“, hier den Schweizer Tilsiter, dafür sagen wir Dank. Weil seine Urheimat heute, ich möchte sagen eine beinahe namenlose Stadt ist, wollen Sie ihr hier eine neue Heimstatt geben. Dafür danken wir Ihnen und ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.


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