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08.09.07 / Ein bißchen schwanger geht nicht / Wenn die Nachwuchsfrage zur Beziehungsprobe wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Ein bißchen schwanger geht nicht
Wenn die Nachwuchsfrage zur Beziehungsprobe wird
von Susanne Holz

Die Frage, ob aus einem Paar eine kleine Familie werden soll, ist für viele Beziehungen ein großer Belastungstest. Denn nicht immer herrscht Einigkeit. Das Problem: „Kompromisse sind hier schwer zu finden. Ein bißchen schwanger und ein bißchen Kind – das geht einfach nicht“, sagt Sandra Konrad, Diplom-Psychologin und Paartherapeutin aus Hamburg.

Für viele gehören Kinder selbstverständlich zum Leben dazu. Für andere aber auch nicht. Keine andere Meinungsverschiedenheit macht es Paaren so schwer, aufeinander zuzugehen. Denn die Entscheidung ist keine Momentaufnahme, sondern die Weichenstellung für den weiteren Lebensweg. „Wenn man die Frage auf einer rein praktischen Ebene zu lösen versucht, kann sie sogar unlösbar werden“, sagt Psychologe und Eheberater Hans Jellouschek.

Der Partner, der sich gegen Kinder entscheidet, müsse sich darüber im klaren sein, daß er dem anderen einen sehr existenziellen Wunsch versage. „Das kann der Anfang vom Ende einer Liebesbeziehung sein“, sagt Jellouschek. Ob es tatsächlich zwangsläufig zur Trennung kommen muß, läßt sich allerdings nicht allgemeingültig beantworten. Vieles hängt auch davon ab, inwieweit man die Entscheidung des anderen nachvollziehen kann. Intensive Gespräche, die dem anderen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt geben, sind wesentliche Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis.

„Meistens ist es einfacher, die Probleme mit externer Hilfe zu lösen“, sagt Psychologin Konrad. Im Rahmen einer Paartherapie versucht sie gemeinsam mit den Betroffenen herauszufinden, welche persönlichen Gründe für oder gegen ein Kind sprechen. Oft seien es Erfahrungen aus der eigenen Familie und Kindheit, die unbewußt Entscheidungen beeinflussen. „Ein Mann, dessen Vater seine Kinder immer als Hindernis für das eigene berufliche Fortkommen dargestellt hat, und der den väterlichen Auftrag erhalten hat, eine erfolgreichere Karriere zu machen, wird sich womöglich ein Leben mit Nachwuchs nur schwer vorstellen können“, sagt Konrad.

Über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus verbergen sich zuweilen hinter der Uneinigkeit darüber, ob man eine Familie gründen möchte oder nicht, auch ganz andere, durchaus tiefer liegende partnerschaftliche Konflikte.

„Wenn man dieses Problem zuerst löst, ergibt sich die Einigung über die Kinderfrage manchmal wie von selbst“, hat Hans Jellouschek festgestellt. Doch was bei einigen Paaren klappt, muß nicht für alle anderen das Patentrezept sein.

Zeichnet sich im Laufe der „Beziehungsverhandlungen“ ab, daß der eine Partner bei seinem „Nein“ zum Kind bleiben wird, muß der andere sehr ehrlich mit seinen Wünschen und Gefühlen umgehen. Mögliche Fragen: Wie groß ist der Wunsch nach Kindern wirklich? Gehört er tatsächlich zur ureigenen Lebensplanung oder ist es gesellschaftlicher Druck, dem man nachgeben möchte? Ist die Liebe zum Partner so groß, daß man wegen ihm auf Kinder verzichten kann?

Letztendlich: Kann ich dem Lebensgefährten die Entscheidung verzeihen oder werde ich ihm die gemeinsame Kinderlosigkeit zu einem späteren Zeitpunkt vorwerfen?

„Bei vielen Frauen, aber auch bei Männern spielt sich der Wunsch nach einem Kind in einem ganz gewissen Zeitfenster ab“, sagt Konrad.

Bei einigen überwiege der Wunsch nach Kindern in dieser Phase so sehr, daß eine Partnerschaft nur Mittel zum Zweck sei. Langfristig glücklich mache das jedoch nicht unbedingt. Am Ende gibt es ein Kind mehr, das mit getrennten Eltern aufwachsen muß.

Meistens auch nicht erfolgsversprechend sei es, heimlich auf die Verhütung zu verzichten und den Nachwuchs auf diese Weise zu erzwingen. „Das ist ein riskantes Unternehmen und vor allen Dingen ein Vertrauensbruch“, sagt Jellouschek. Darauf zu hoffen, den Mann mit dem Charme eines Babys überzeugen zu können, kann böse enden.

Wenn die Nachwuchsfrage zur Beziehungsprobe wird, hilft langfristig nur ein offenes Miteinander. Aussitzen kann man diesen Konflikt im Gegensatz zu vielen anderen nicht.

Rat und Hilfe: Hans Jellouschek: „Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe. Beziehungskrisen sind Entwicklungschancen“, Herder, 2005, 7 Euro; Meike Dinklage: „Der Zeugungsstreik. Warum die Kinderfrage Männersache ist“, Diana, 2005, 17,90 Euro; Christiane Röhrbein: „Will ich wirklich ein Kind? Von guten Gründen und verborgenen Wünschen“, Moderne Verlagsgesellschaft, 2006, 9,90 Euro; Birgit Kofler: „Kinderlos, na und? Kein Baby an Bord“, Orac, 2006, 16,90 Euro; Angela Voß: „Ein Baby – jetzt, später oder nie? Das Dilemma der modernen Frau“, Lübbe, 2006, 7,95 Euro; Silke Lambeck, Regine Zylka: „Das große Jein. Zwanzig Frauen reden über die Kinderfrage“, Rowohlt, 2006, 16,90 Euro

Foto: Nachwuchs: Wenn der eine ihn will und der andere nicht, kann dazu zum Problem werden.


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