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08.09.07 / Fotos von Altstadt und Kneiphof gesucht / Architektenbüro will Königsberg sein verlorengegangenes Zentrum zurückgeben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-07 vom 08. September 2007

Fotos von Altstadt und Kneiphof gesucht
Architektenbüro will Königsberg sein verlorengegangenes Zentrum zurückgeben

In keiner anderen Stadt der Welt wird der Betrachter so erbarmungslos mit der monumentalen Häßlichkeit realer sowjetischer Architektur und der zuweilen noch sichtbaren schlichten Schönheit der norddeutschen Backsteingotik konfrontiert wie in Königsberg.

Nach 1945 lag die Stadt zum größten Teil in Schutt und Asche. Die aus allen Teilen der Sowjetunion neu ankommenden Bewohner siedelten sich in den noch erhaltenen Vorstadtbezirken an. 1948 erarbeitete das neu gegründete Amt für Architektur den ersten Wiederaufbauplan. Dieser sah zunächst Renovierungs- und Aufbauarbeiten außerhalb der historischen Innenstadt vor. Die Folge war, daß der in Ruinen liegende historische Stadtkern nicht besiedelt wurde und langsam aufgrund fehlender Sicherungsmaßnahmen einstürzte. Ein weiterer Schritt zur Beseitigung der historischen Stadtmitte war die Sprengung der Schloßruine, die zwischen 1967 und 1969 gegen den Willen der Bevölkerung erfolgte. Der noch gut erhaltene Haberturm wurde bei dieser Gelegenheit ebenfalls gesprengt. Die Ziegelsteine der zerstörten Gebäude benutzte man für den Wiederaufbau russischer und baltischer Städte.

Nach den Aufräumungsarbeiten blieben von der einstigen pulsierenden Innenstadt nur wenige markante Bauten erhalten. Dies war auf dem Kneiphof die Domruine, am Pregelufer die Börse, am Schloßteich das Parkhotel und am Paradeplatz die 1861 unter König Friedrich Wilhelm III. neu erbaute Universität. Der erste zwischen 1950 und 1953 erstellte Generalplan der Stadt sah vor, die wichtigsten Funktionen des Stadtzentrums auf erhaltene Stadtbezirke am Hansaring und entlang der Hufenallee zu verlagern.

Um den dringenden Wohnungsbedarf der damaligen Zeit zu decken, entstanden zwischen 1967 und 1969 im Stadtzentrum an der Peripherie des Kneiphofes und der Altstadt die ersten vier- und fünfstöckigen Wohnblocks in Plattenbauweise. Weitere acht- bis zehngeschossige Wohnblocks folgten in eintöniger Massenbauweise entlang des Pregels in Richtung Sackheimer Tor. Der historische Stadtkern zwischen dem Kneiphof und dem Schloßareal wurde nicht bebaut, sieht man einmal von der monströsen Bauruine des Hauses der Räte ab. Die so frei gewordenen Flächen nutzte man zum Bau einer Schnellstraße, dem Moskowski Prospekt, der heute quer über die ehemalige Altstadt führt. Auf den verbleibenden Flächen entstanden Grünanlagen.

Viele Jahrzehnte lang dämmerte die Stadt in einer Art „Dornröschenschlaf“ vor sich hin. Nichts Wesentliches passierte, um die Stadt wieder für die Bewohner lebenswert zu machen. Viele Königsberger, die ihre Heimatstadt nach der Öffnung des Gebietes 1991 besuchten, waren enttäuscht über den Zustand der Stadt, insbesondere im Vergleich mit der wieder aufgebauten Stadt Danzig, die 1945 ebenso zerstört war wie Königsberg.

Kämen diese Besucher heute in die Stadt, so würden sie eine Reihe von positiven Veränderungen wahrnehmen. So zum Beispiel den neu und sehr dekorativ gestalteten Hansaplatz, das wieder aufgebaute Haus der Technik, die restaurierten Stadttore „Königstor“ und „Friedländertor“, um nur einige zu nennen. Die wichtigsten Straßen im Zentrum erhielten eine neue Pflasterung, alte Parkanlagen und Teiche wurden gesäubert, neue Bäume gepflanzt und Blumenbeete angelegt. Seitdem „reiche Russen“ aus Moskau und Sankt Petersburg die Stadt Königsberg als geeignetes Investitionsprojekt entdeckt haben, werden das Ende des Dornröschenschlafes und der damit verbundene Aufschwung an vielen Projekten im Stadtgebiet sichtbar. Manches allerdings aus deutscher Sicht nicht immer zum Vorteil der Stadt.

Das Hauptproblem für die Stadtplaner ist unter diesen Bedingungen die Schaffung eines neuen individuellen Zentrums. Dies soll in erster Linie auf dem Territorium der Altstadt und des Kneiphofes von Königsberg entstehen. Gedacht ist an eine Nachbildung des verlorengegangenen alten Stadtzentrums. Ob diese Möglichkeit Erfolg haben wird, hängt weitestgehend auch vom Kulturverständnis der Investoren ab. Die Wechselbeziehung von Vergangenheit und Gegenwart müssen in die Planung, Projektierung und Bebauung aufgenommen werden. Eine schwierige Aufgabe, denn zusammenhängende Unterlagen aus deutscher Zeit für einen derartigen Wiederaufbau sind nicht vorhanden.

Hilfestellung für dieses Projekt will das in Königsberg ansässige Architekturbüro „Arthur Sarnitz Königsberg GmbH“ leisten. Arthur Sarnitz und sein junges Team haben ihre Büroräume im neuen eleganten Business-Zentrum „Akropolis“ gegenüber dem erneuerten Haus der Technik. Seit Dezember 2006 wird hier an einer Fotobasis gearbeitet mit dem Ziel, Investoren für den originalen Wiederaufbau der Altstadt und des Kneiphofs von Königsberg zu begeistern. Spezialist auf diesem Gebiet ist Juri Nuschtajew, der seit vielen Jahren alles über das historische Erbe Königsbergs sammelt, geleitet von der Idee, dieses Material auch praktisch für den Wiederaufbau einsetzen zu können. Auf der Grundlage alter Fotos und Postkartenansichten entsteht die Altstadt von Königsberg Haus für Haus, Straße für Straße virtuell als 3D-Modell. In vier Monaten Arbeit konnten bereits aus Tausenden von Bildern 1192 Fragmente von 178 Gebäuden übertragen werden. Dieses Material reicht jedoch nicht aus. Ohne Quellen aus der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten wird eine weitestgehende komplette Wiederherstellung der Altstadt nicht möglich sein. Über den aktuellen Zustand dieser Arbeiten kann man sich im Internet unter www.altstadt.ru informieren.

Erste beratende Hilfe für das Projekt kam von dem Berliner Architekten Prof. Dr. ing. Baldur Köster, Autor des viel beachteten Buches „Königsberg – Architektur aus deutscher Zeit“. Herbert Schmidt aus Essen stellte aus seiner umfangreichen Sammlung historischer Postkarten von Königsberg viele einmalige Fotos kostenlos zum Scannen zur Verfügung. Ebenso die in Königsberg geborene Journalistin Marianne Neuman, die auch die Koordinierung des Materialsammelns in der Bundesrepublik Deutschland übernehmen wird. Unterstützung für dieses wohl einmalige Projekt kommt auch von der Stadtgemeinschaft Königsberg in Duisburg und vom Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloß Ellingen.

Gesucht werden noch Fotos aus Sammlungen und Familienarchiven, Amateurfotos von Straßenansichten, Gassen und Höfen. Dabei spielt auch das kleinste Detail eine Rolle, um die Möglichkeit eines originalgetreuen Wiederaufbaus zu garantieren. Zur Beschaffung der Fotos und Materialien ist das Büro Arthur Sarnitz bereit, einen annehmbaren Preis zu zahlen. Interessiert ist man in Königsberg auch an der Zusammenarbeit mit Spezialisten und Firmen, die bereits Erfahrung mit ähnlichen Projekten – Wiederaufbau einer historischen Altstadt – gemacht haben.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß das Projekt auch die Zustimmung des 39 Jahre alten kreativen Chefarchitekten der Stadt, Alexander Baschin, hat, dessen Büro sich unter anderem mit dem Wiederaufbau des Königsberger Schlosses befaßt. Mit Recht läßt sich sagen, daß die Idee des Wiederaufbaus der historischen Stadtmitte von Königsberg noch nie so zum Greifen nahe war wie heute.     M. N.

Nähere Informationen über das Projekt und die Möglichkeit, mit Fotos zu helfen, erteilen Marianne Neuman, E-Mail: mnkbg@t-online.de, Telefon (0 22 41) 34 17 28 (Anrufbeantworter), und das Büro von Arthur Sarnitz, Telefon 0 07 / 40 12 / 39 20 42 (deutsch sprechende Ansprechpartner), Telefon / Fax 0 07 / 40 12 / 66 82 30 (englisch, deutsch), E-Mail: sarnitz@mail.ru.

Foto: Mühevolle Kleinarbeit: Eine Mitarbeiterin des Architekturbüros „Arthur Sarnitz Königsberg GmbH“ vergleicht ein eingesandtes Foto mit dem Ergebnis auf dem Bildschirm.


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