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15.09.07 / Totgesagte leben länger / Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden lernen wieder mehr Schüler Latein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Totgesagte leben länger
Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden lernen wieder mehr Schüler Latein
von Rebecca Bellano

Es gibt so gut wie keinen Lateinlehrer mehr auf dem Markt“, so die Klage so manches Schulleiters und der ihnen übergeordneten Schulbehörden. Da hatten unzählige Lehramtstudenten sich bei ihrer Fächerwahl gegen diese Sprache entschieden, da sie unter anderem geglaubt haben, Latein würde nun auch den Weg der toten Sprachen gehen und zur reinen Expertensprache werden, und nun das.

Und nicht nur, daß es an jungen Lateinlehrern fehlt, die ihre in Pension gehenden Kollegen ersetzen, nein, es fehlen sogar zusätzliche Lehrer, denn laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden ist die Zahl derer, die im Laufe ihrer Schulzeit Latein lernen, gestiegen. 808200 Gymnasiasten lernen derzeit in Deutschland die alte Sprache, von der es bis vor kurzem noch hieß, sie wäre allenfalls für angehende Ärzte, Juristen, Theologen und Studierende seltener Orchideenfächer wie Archäologie wichtig. Da es aber kaum angehen kann, daß jeder dritte Gymnasiast – 2000 war es nur jeder vierte, der Latein belegte – in diese Berufe strebt, muß es andere Gründe dafür geben, daß das verpönte Fach eine Renaissance erlebt.

Einer der Gründe ist der Tatbestand, daß in überraschend vielen Fächern an der Universität Latein doch nicht ganz zu streichen ist. So haben viele Abiturienten ohne Lateinkenntnisse zusätzlich leiden müssen, als sie Latein an der Universität neben dem regulären Vorlesungbetrieb nachholen mußten. Mancher scheiterte sogar am Latein und mußte seine Pläne an der Hochschule aufgeben.

Zudem heißt es, Latein helfe aufgrund seines logischen Aufbaus auch, die deutsche Grammatik besser zu verstehen. Und da viele der Wörter unserer und anderer europäischer Sprachen aus dem Lateinischen kommen, helfe es auch bei der Herleitung und dem Verständnis dieser Sprachen. Außerdem: Man lernt auch Genauigkeit, denn „um jeden Buchstaben wird ja beim Übersetzen gerungen“, so der Vorsitzende des Altphilologenverbandes, Stefan Kipf.

Es gibt allerdings noch einen Grund, der nicht logischen oder praktischen Schlußfolgerungen entspringt. Er ist vielmehr ein Ergebnis aus Imagefragen und Wertediskussion. Denn während alle Welt über die schlechten deutschen Schüler klagt – schließlich haben die internationalen Pisa-Tests die deutschen Kinder und Jugendlichen nur im Mittelfeld gezeigt –, sind immer mehr Eltern jener Kinder, die das Gymnasium besuchen, sehr darauf erpicht, das beste für ihre Kinder in Sachen Bildungschancen zu tun. Und da Lateinunkundige bei so manchen lateinischen Anspielungen intellektueller Redner, „FAZ“-Autoren und anderer aufgeschmissen sind, zeigt sich, daß Latein für das Bürgertum immer noch eine Möglichkeit bietet, sich als gebildet zu erkennen zu geben und sich von der Masse abzuheben. Und da sich immer mehr wieder zum Bürgertum bekennen, wird Latein hier zu einem Merkmal.

Aber Latein ist nicht nur wieder ein Kennzeichen für Bildungshintergrund und Abstammung, sondern im Unterricht werden auch Werte vermittelt und vergangene Zeiten heraufbeschworen, die unser heutiges Europa wesentlich geprägt haben.

Und so bietet diese tote Sprache eine Zeitreise mit aktuellen Anknüpfungspunkten, die bei einem guten Lehrer die totgesagte Sprache sehr lebendig werden lassen.


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