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15.09.07 / Ein unsichtbarer Mythos: der »Alex«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Ein unsichtbarer Mythos: der »Alex«
von Harald Fourier

Diese Woche wurde das neue Einkaufszentrum Alexa eingeweiht. Und wieder verwandelt sich der Alexanderplatz damit ein bißchen.

Der Platz ist in vielerlei Hinsicht ein seltsamer Ort. Zunächst: Die meisten Berlin-Besucher vermuten ihn an der falschen Stelle und meinen, der „Alex“, das sei der Raum um den Fernsehturm – oder „Telespargel“, wie ihn die SED taufen ließ. Doch der Spargel steht gar nicht am Alexanderplatz. Der Ort des Turms zwischen Liebknechtstraße und Rotem Rathaus hat gar keinen richtigen Namen – jedenfalls keinen, der Eingeborenen geläufig wäre.

Nur der Bereich nördlich des Bahnhofs ist der Alexanderplatz. Der Grund für die Verwechslung: Der Platz ist nicht bloß häßlich, sondern im Grunde gar nicht als Platz zu erkennen: Wo fängt der Platz an? Wo endet er? Nur zur Hälfte von Häusern umgeben wirkt der „Alex“ unvollständig. Seit einigen Jahren schiebt sich die Straßenbahn quietschend mitten über sein Terrain, was ihn noch weniger als Einheit erscheinen läßt. Irgendwie ist er ein Ort, der gar nicht richtig existiert. Und trotzdem ist „Berlin-Alexanderplatz“ ein Mythos – nicht allein wegen des gleichnamigen Alfred-Döblin-Romans.

Sein Name erinnert immerhin an einen russischen Zaren! Und er war der Verkehrsknotenpunkt am östlichen Rand der historischen Innenstadt, 1882 fuhr hier die „Stadtbahn“ erstmals quer durch die Metropole. Nicht weit entfernt hat Erich Mielke 1932 einen Polizisten erschossen, wofür er nach 1990 vor Gericht stand.

Selbst in der Teilungsphase blieb der „Alex“ ein zentraler Ort für die Berliner. Der Autor Lutz Rathenow erinnert gern daran und bringt seine Zuhörer mit einer Anekdote zum Schmunzeln: Im „Alexgrill“, einem der besten Lokale, welche die „Hauptstadt der DDR“ aufbieten konnte, trafen sich ein Ost- und ein West-Berliner. Der „Wessi“ machte sich ordentlich wichtig und schimpfte an  dieser ausgesuchten Stätte des Gaumenschmauses Ost über die Qualität der Pommes. „Nicht mal das können sie hier“, kläffte er und wickelte ein Kartoffelstäbchen in ein     Taschentuch. „Das zeige ich meinen Freunden im Westen!“ Als der West-Berliner dann  Stunden später die Sektorengrenze erreichte, fragte ihn der DDR-Grenzsoldat: „Na, haben Sie Ihr Pommes Frites noch dabei?“ Moral: Der Arbeiter- und Bauernmacht entging nichts. Und am „Alex“ schon gar nicht.

Er mag häßlich sein, der Alexanderplatz, aber ein Ort deutscher Geschichte ist er allemal, im kleinen wie im großen. Er hat  alles gesehen, seine Wunden spiegeln die des ganzen Landes wider.


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