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15.09.07 / Alte Vorurteile, neue Gleichgültigkeit / Warum es Potsdam so schwer fällt, sein Erbe anzunehmen und seine Chancen zu ergreifen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Alte Vorurteile, neue Gleichgültigkeit
Warum es Potsdam so schwer fällt, sein Erbe anzunehmen und seine Chancen zu ergreifen
von Patrick O’Brian

Je schneller jemand um das Haus, in dem er wohnt, herumlaufen kann, desto größer ist seine Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen einzusetzen“, heißt es. Das Leben in Plattenbausiedlungen mit ihren riesigen Häuserblocks hätte demnach verheerende Auswirkungen auf das Zusammengehörigkeitsgefühl von Menschen und ihren Drang, sich für ihre Heimatgemeinde gemeinschaftlich einzusetzen.

Der Wiederaufbau von Potsdam ist so eine Gemeinschaftssache. Leider ist er sehr mühselig und  teuer. Die alte Garnisonstadt war stark zerstört, die Kommunisten haben die Reste abgetragen oder verrotten lassen.

1990 wurden die noch erhaltenen Kulturlandschaften um Sanssouci und das Holländische Viertel dennoch sofort in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Seitdem konnten viele Gebäude saniert werden. Das, was die Stadt zu dem macht, was sie ist, wurde – buchstäblich in letzter Sekunde – weitgehend gerettet.

Das Glockenspiel der Garnisonkirche ist inzwischen wieder da. Das Fortunaportal des zerstörten Stadtschlosses wurde rekonstruiert. Auch St. Nikolai wird derzeit restauriert. Aber wie die mehrfach mißlungene Abstimmung über den Wiederaufbau des restlichen Stadtschlosses zeigt, gilt es auch heute noch, nicht nur finanzielle Hürden zu überwinden, sondern auch politische. Einem Teil der Potsdamer ist die Wiederherstellung der alten Residenzstadt nämlich reichlich egal. Während Auswärtige voller Bewunderung auf das Erbe der Havelstadt blicken, scheinen auffällig viele Potsdamer eine eher spröde Beziehung zu ihrer Stadt zu pflegen.

Mit der Frage, wie es in dieser Lage weitergehen soll, befaßte sich eine Tagung der Stiftung Preußisches Kulturerbe. Für Saskia Hüneke war der Verfall ihrer Heimatstadt Ende der 80er Jahre ein Grund sich einzumischen. Sie engagierte sich als Bürgerrechtlerin, vertritt noch heute die Bündnis-Grünen in Potsdams Stadtparlament. Hüneke: „Das sozialistische Stadtmodell war mit großem Verlust alter Bausubstanz verbunden und hat zur Zerstörung geführt.“ Der Zerfall der Städte war für Leute wie Hüneke einer der Gründe, gegen die SED-Herrschaft zu rebellieren. „Wir wollten damals mehr Mitbestimmung, weil wir gegen den Abriß von noch mehr alten Häusern waren.“

Und was treibt das andere Potsdam, das sich dem Wiederaufbau widersetzt? Für die Gegner der Rekonstruktion alter Bausubstanz hätten nach 1989 zunächst soziale Probleme im Vordergrund gestanden, meint Hüneke. Sie hofft aber auf ein Umdenken. „Manche  Dinge müssen einfach wachsen.“

Alexander Gauland ist skeptisch. Als Neu-Potsdamer der ersten Stunde und früherer Chef der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ hat er die Debatte stets mitverfolgt. Das alte Potsdam gebe es nicht mehr, fürchtet er. Es sei 1945 untergegangen. Die preußischen Eliten seien in den Westen gegangen. Es seien statt dessen die neuen sächsischen SED-Eliten gekommen. „Ich sage das nicht als Vorwurf: Ein gelebter Sachse hat mit Preußen und Potsdam eben wenig zu tun“ – und zur Geschichte der Stadt folgerichtig keinen so engen Bezug.

Der Landtagsabgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann (Linke) nahm diesen Teil der Potsdamer in Schutz, räumte aber auch ein: „Da sind Leute hingekommen, weil sie Karriere machen wollten.“

Indes: Während sich viele Ex-DDR-Bewohner „nur“ gleichgültig zeigten, sei es eine westliche Tradition, Preußen als Hort des Militarismus anzusehen, gibt Gauland zu bedenken. Aus dieser Haltung  sei der intellektuelle Widerstand gegen den Wiederaufbau des „alten Preußen“ zu verstehen.

Aber nicht nur der antipreußische Affekt kommt aus dem Westen, auch viele Preußenliebhaber stammen von dort. Es sind Neu-Potsdamer wie TV-Star Günther Jauch, der sich finanziell am Wiederaufbau beteiligt. Sie sind Motoren des Neubeginns in Potsdam.

Auch die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (jetzt: Stiftung Preußisches Kulturerbe) wurde in Westdeutschland gegründet, bereits 1987. 1991 übergab sie das von ihr neu gestiftete Glockenspiel an die Stadt.

Seitdem kämpft die Stiftung für den originalgetreuen Wiederaufbau der Garnisonkirche. Vor zweieinhalb Jahren stellte der Verein seine Aktivitäten jedoch ein, weil sich die Amtskirche querstelle. Sie wolle, so die Stiftung, die originalgetreue Rekonstruktion verhindern, weil sie ein Wiederaufleben des „preußischen Militarismus“ fürchte und die Einrichtung einer rechtsgerichteten Kultstätte – die Rede war bereits vom „Yasukuni-Schrein von Deutschland“ – unterbinden möchte. So leben alte Vorurteile und neue Gleichgültigkeit fort neben frischem Engagement und Traditionsverbundenheit.


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