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15.09.07 / »Europa ist arm an Kindern geworden« / Höhepunkte des Papst-Besuches in Österreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

»Europa ist arm an Kindern geworden«
Höhepunkte des Papst-Besuches in Österreich
von R. G. Kerschhofer

Die dreitägige Visite Papst Benedikts XVI. in Österreich war so etwas wie ein Heimspiel. Denn drei Viertel der Bevölkerung sind – trotz aller Probleme der Kirche – katholisch, und der in unmittelbarer Nachbarschaft aufgewachsene Joseph Alois Ratzinger ist durch zahlreiche Besuche und „Aufenthalte“ mit dem Land bestens vertraut: Unter anderem war er hier als Jugendlicher zum Schanzenbau gegen die Rote Armee eingesetzt, und 2004, bei seinem letzten Besuch als Kardinal, leitete er eine Wallfahrt der Notare nach Mariazell.

Mariazell war diesmal sogar Anlaß der Reise, die der Papst als Pilgerfahrt und nicht als „Pastoral-Besuch“ verstanden wissen will. Der weit über die Landesgrenzen beliebte obersteirische Wallfahrtsort feiert nämlich dieses Jahr seine Gründung vor 850 Jahren.

Doch eine Papst-Reise hat immer auch weltliche Bezüge, und so konnte man gespannt sein auf Aussagen und Begegnungen. Obwohl es eine „Pilgerreise“ war, wurde der Papst am Flugplatz von Bundespräsident Heinz Fischer mit militärischen Ehren empfangen – des Dauerregens wegen allerdings im Hangar. Anschließend ging es ins Stadtzentrum zu einem Treffen mit der Jugend bei der Kirche „Am Hof“. „Am Hof“ – dort befand sich einst die Residenz der Babenberger-Herzöge – war der größte Platz im alten Wien und Schauplatz zahlreicher Großereignisse. Danach kam es auf dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Judenplatz zur Begegnung mit Vertretern des Judentums und einem stillem Gedenken vor dem dortigen Mahnmal.

Erster Höhepunkt war die Ansprache des Papstes vor den Vertretern von Staat und Gesellschaft in der Hofburg. Eine Europa-Rede, denn es wurde aufgezeigt – in durchaus „weltlicher“ Diktion und Argumentation – wie sehr sich kirchliche Positionen mit dem decken, was für das physische und geistig-kulturelle Überleben der Völker Europas politisch unumgänglich ist – oder wäre: Europa könne und dürfe seine christlichen Wurzeln nicht verleugnen. Politiker hätten der Globalisierung solche Regeln und Grenzen zu geben, daß sie nicht auf Kosten der Ärmeren realisiert werde. Religion und Vernunft dürften nicht zu imperialistischen Zielen mißbraucht werden. Und Toleranz dürfe nicht zur Gleichgültigkeit ohne bleibende Werte degenerieren.

Hauptanliegen war der Schutz des Lebens „von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“. Basis aller Menschenrechte sei das Recht auf Leben. Die Glaubwürdigkeit, auch der Kirche, hänge von dem ab, was für Frauen in Bedrängnis getan werde, und Europa müsse kinderfreundlicher werden. Als Alternative zur strikt abgelehnten Euthanasie wurde auf die Palliativ-Medizin verwiesen, die ein Sterben in Würde ermögliche. Hervorgehoben wurde auch die Sonntagsruhe, bei der Kirche und Gewerkschaften konform gehen – wenngleich aus unterschiedlichen Motiven.

Der zweite Tag war dem National-Heiligtum Mariazell gewidmet.

Für die Meßfeier vor der Basilika wurde aus dem Benediktinerkloster Kremsmünster der über 1200 Jahre alte „Tassilo-Kelch“ entliehen, den Bayern-Herzog Tassilo III. gestiftet hat und der Sinnbild ist dafür, daß die karolingische Ostmark von Bayern aus christianisiert wurde. In Fürbitten und Gesängen waren die Sprachen aller Länder der einstigen Donau-Monarchie zu vernehmen, eben der Länder, aus denen bis heute – oder heute wieder – Pilger nach Mariazell kommen.

Der dritte Tag begann mit einer feierlichen Messe in und vor dem Stephansdom. Auch hier waren zahlreiche Pilger anwesend, zu erkennen an den vor dem Dom geschwenkten Fahnen. Darunter eine irakische – was daran erinnert, daß von den 500000 seit der US-Invasion geflüchteten oder vertriebenen Christen einige in Österreich Aufnahme gefunden haben.

Am Nachmittag weihte der Papst die theologische Hochschule im Stift Heiligenkreuz bei Wien. Würdiger Abschluß war ein Treffen mit Vertretern der freiwilligen und ehrenamtlichen Hilfsdienste, kirchlicher wie nicht-kirchlicher.

Benedikt XVI. ist der dritte Papst, der Österreich besucht. Johannes Paul II. war insgesamt dreimal im Land, 1983 auch in Mariazell. Der erste päpstliche Besucher war 1782 Pius VI. Laut geltender Lehrmeinung wollte er Kaiser Joseph II., der zahlreiche Klöster „säkularisierte“, in seinem Eifer bremsen. Erfolglos. Neueren Studien zufolge hatte Pius aber ein anderes Hauptanliegen – und dabei offenbar doch Erfolg: Jo-seph II. soll nämlich beabsichtigt haben, nach anglikanischem Vorbild eine Staatskirche zu gründen.

 

Der Wallfahrtsort Mariazell

Der Gründungslegende nach wurde im Jahre 1157 ein Benediktiner-Mönch als Seelsorger in die Mariazeller Gegend entsandt. Mit sich führte er eine 48 Zentimeter große hölzerne Marien-Statue, um die er seine Zelle baute – daher Mariazell. Um 1200 ließ Vladislav Heinrich, Herzog von Böhmen und Markgraf von Mähren, dort die erste Kirche bauen. Ludwig der Große, König von Ungarn und Polen, stiftete um 1370 gotische Zubauten. Der großzügige barocke Um- und Ausbau erfolgte durch die Habsburger.

Die Verehrung Mariens als Schutzherrin hat in den Ländern zwischen Adria und Polen auch einen politischen Hintergrund, nämlich den jahrhundertelangen Abwehrkampf gegen die Türken. Mariazell selbst wurde zweimal – 1420 und 1532 – von Türken verwüstet, blieb aber 1683, im Jahr der zweiten Türkenbelagerung Wiens, verschont.

Die als Gnadenstatue verehrte schlichte Marienfigur mit Jesuskind – heute in der Basilika mit Prunkgewand zu sehen – trägt die Ehrentitel „Magna Mater Austriae“ (Große Mutter Österreichs), „Magna Hungarorum Domina“ (Großherrin der Ungarn) und „Mater Gentium Slavorum“ (Mutter der slawischen Völker). Dem entspricht bis heute das „Einzugsgebiet“ des Wallfahrtsorts Mariazell. Der 1975 im Wiener Exil verstorbene ungarische Kardinal Mindszenty war zunächst in der Mariazeller Basilika bestattet und wurde erst nach der Wende in seine Heimat überführt.

Das Stift Heiligenkreuz wurde 1133 von dem Babenberger Markgrafen Leopold dem Heiligen gegründet, dem Landespatron Österreichs. Den Namen hat es von einer Kreuz-Reliquie. Es ist das einzige Zisterzienserkloster der Welt, das seit der Gründung ohne Unterbrechung besteht. Die ursprünglich romanische Anlage wurde durch gotische und barocke Zubauten ergänzt. Das Kloster gilt als konservativ – und hat im Gegensatz zu den meisten anderen Klöstern keinen Nachwuchsmangel. Heiligenkreuz beherbergt auch eine theologische Hochschule, die nunmehr die Bezeichnung „Päpstliche Hochschule Benedikt XVI.“ tragen darf.          RGK


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