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15.09.07 / Experimente / Setzt sich neuer Stil in Bayreuth durch?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Experimente
Setzt sich neuer Stil in Bayreuth durch?
von Irmgard Dremel

Man merkt es bereits seit Jahren: Bayreuth wandelt sich. Der Werkstattgedanke Wolfgang Wagners – eines der großen Konzepte der Inszenierungsgeschichte – besteht zwar noch: Die Regisseure ändern von Aufführungsjahr zu Aufführungsjahr, meistens zum besseren, ihre Erstfassung. Aber es gibt eben Produktionen, die im Ansatz daneben liegen, und wo dann noch so viele „Schönheitschirurgie“ nichts mehr nützt! So etwa Guths „Holländer“ oder auch Martalers „Tristan“. Über Schlingensiefs Pangaudium „Parsifal“ sei der Schleier des Vergessens gebreitet!

In diesem Jahr gab Katarina Wagner ihr mit Spannung erwartetes Debüt auf dem Hügel mit den „Meistersingern“. Intensiv mit dem Werk hat sie sich ja auseinander gesetzt – drei Jahre lang erfolgte Befassung. Dazu der wohl beste Werkskenner, Wolfgang Wagner, an ihrer Seite. Eine phantastische Ausgangslage! Was ist nun dabei herausgekommen?

Vorab: Wir wollen nicht an Details herummäkeln, wenn man wenigstens noch den Zusammenhang mit dem ganzen Werk erkennt. Aber hier ist oft eine derartige Überfrachtung mit Einzelheiten und damit Erklärungsbedürftigkeit entstanden, daß man sich nach den klaren Linien früherer Realisationen sehnt. Da lümmelt Stolzing auf dem Flügel und setzt Puzzles zusammen, während er doch eigentlich Sänger ist und nicht Klavierspieler oder Maler, da schiebt Beckmesser im Alt68er-Look einen großen Leierkasten herein, mit vielen bunten Luftballons, dem ein splitternackter Mann entsteigt, mit einer Barbiepuppe im Arm. Schwellköpfe – Bayreuth wie es lacht und singt –, von denen man außer Richard Wagner und Mozart kaum jemand erkennt, stehen im Hinter- oder bewegen sich im Vordergrund, und haben dann auf einmal aus den Kleidern herausragende erigierte Glieder wie die Figuren von Rabelais oder der Commedia dell arte. Zum Textbuch des Komponisten muß eine Zusatzbroschüre verfaßt werden, die erklärt, was da eigentlich alles gemeint ist.  Die – siebenstündige – Aufführung wird mit der Zeit einfach langweilig. Es fehlen einerseits Größe, aber auch andererseits wirkliche Provokation! Was erfreulicherweise nicht krampfhaft herbeibemüht wird, sondern recht gekonnt angedeutet wird, ist das Dritte Reich. Wenn es schon nicht ohne geht – warum eigentlich? – so kann man die Schlußszene (statt Festwiese Parteitagsgelände und Flammen über Kunst und Künstlern) als Anspielung auf die diversen Feuerriten der Nazis verstehen und ertragen.

Ansätze zur Geschlossenheit kommen auch auf in der Prügel-szene des zweiten und bei Sachsens Schlußmonolog im dritten Akt. Beides ist durchaus unkonventionell in Szene gesetzt, und trotzdem schlüssig, auch ohne Erklärung! Es muß also durchaus nicht immer Bettenschlacht in Altnürnberg und Festwiese sein – so wunderbar das in Wolfgang Wagners Produktionen war –, um zu beeindrucken! Natürlich war der Choreinsatz wie gewohnt prachtvoll, und die klangschönen Stimmen der Darsteller beeindruckten zum großen Teil. Das Orchester unter Sebastian Weigle brachte stellenweise trotz der „Inszenierung gegen die Musik“ beachtliche Tongewalt zustande und konturierte zumeist klar, was hier nicht leicht war. So hatte man wenigstens, zumindest teilweise, einen musikalischen und sängerischen Ausgleich. Wie sagte doch Richard Wagner zu einer Freundin, die sich über die Inszenierung der Ring-Premiere in Bayreuth 1876 beklagte, sinngemäß, sie solle halt dann auf die Musik hören anstelle auf die Bühne zu schauen.

Und was bringt Bayreuth in den nächsten Jahren? 2008 „Parsifal“, 2009 keine Neuinszenierung nach den vielen der letzten Jahre, und 2010 wird es einen neuen „Lohengrin“ geben. Man fragt sich, ob sich der „neue Stil“ weiter durchsetzen wird, oder ob eine Rückbesinnung erfolgt. Bayreuth ist etwas Besonderes unter den großen Festspielorten der Welt, es ist bekannter als alle anderen, und es wird in aller Welt als Kulturzentrum Deutschlands verehrt. Daher ist es auch besonders anfällig gegen mißglückte Experimente!


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