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15.09.07 / Auf einer Klippe über dem Kanal / Im französischen Granville würdigt man die Mode-Ikone Christian Dior mit einem Museum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Auf einer Klippe über dem Kanal
Im französischen Granville würdigt man die Mode-Ikone Christian Dior mit einem Museum
von Uta Buhr

Mit Granville, dem Badeort an der Westküste der normannischen Halbinsel Cotentin, verbindet sich der Name einer Ikone französischer Lebensart. Auf einer Klippe hoch über der Manche – dem Ärmelkanal – wurde Christian Dior am 21. Januar 1905 geboren. Die vornehme, von einer parkartigen Landschaft umgebene Villa „Les Rhumbs“ wurde von seiner architektonisch hochbegabten Mutter Madeleine mit verschiedenen baulichen Raffinements angereichert. Als der Vater, ein wohlhabender Industrieller, nach dem „Schwarzen Freitag“ des Jahres 1929 sein Vermögen verlor, mußte die Familie das Anwesen verlassen. Inzwischen vom französischen Staat gekauft, wurde es in das „Musée et Jardin Christian Dior“ umgewidmet.

Insgesamt 80 Modelle sind in dem zweistöckigen Gebäude ausgestellt – vom sensationellen New Look mit seinen weit ausladenden Röcken, knappen Corsagen und wippenden Schößchen über die strenge A- und H-Linie bis hin zu den Kreationen jener Modeschöpfer, die das Werk Diors, des „Architekten der Haute Couture“, nach seinem Tode am 24. Oktober 1957 fortsetzten: Yves Saint-Laurent, Marc Bohan, Gianfranco Ferré und John Galliano. Farben, Formen und Stoffe – nur edelste Materialien aus Samt, Seide und handgeklöppelten Spitzen wurden verwendet – sind ein einzigartiger Augenschmaus. „Selbst bekennende Modemuffel sind beeindruckt“, resümiert Vincent Leret, Kustos des Hauses, den Erfolg des Museums.

Das weinrote Ensemble in einer Vitrine – leicht ausgestellter Rock, tailliertes Jäckchen mit nur einem Knopf als einzigem Schmuck – entzückt eine Besucherin. „Très chic“, haucht sie. Und wie einfach! Die elegantesten Kreationen sind stets eine Synthese aus äußerster Schlichtheit und einem kleinen raffinierten Etwas – sei es ein Faltenwurf oder – wie hier – ein großer Schmuckknopf an der richtigen Stelle. Wer ein gut gefülltes Portemonnaie besitzt, kann sich übrigens jedes Modell im Pariser Haus an der feinen Avenue Montaigne nacharbeiten lassen. „Das Atelier nimmt Ihre Maße, und Sie bekommen haargenau dieses Tailleur, das Ihnen paßt wie eine zweite Haut“, lächelt Monsieur Leret.

Inmitten eines Rosengartens liegt ein großes Wasserbecken, über dem sich Bienen und Libellen tummeln. Der junge Christian Dior schuf dieses kleine Paradies, in dem er sich nach getaner Arbeit entspannte. War es die frische Seeluft, die ihn zu seinen kühnen Modeideen inspirierte und ihn gleich nach dem Krieg weltberühmt machte? Er besaß einen untrüglichen Instinkt für Stil und höchste Qualität. Der veranlaßte ihn, trotz aller noch bestehender Vorurteile mit verschiedenen deutschen Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihn mit Materialien erster Güte belieferten. Ein hohes Lob spendete er den Berlinerinnen in ihrer geschundenen und geteilten Stadt – ein Balsam auf ihre Seelen: „Sie alle sind – richtig gekleidet – genauso hübsch wie die Pariserinnen.“

Der kleine Mann mit der Halbglatze und dem Allerweltsgesicht war ein Diplomat und Frauenversteher von hohem Rang! Das von ihm seinerzeit für ein amerikanisches Magazin verfaßte kleine „Dictionnaire de la Mode“ über Modetugenden und -sünden ist heute noch ebenso aktuell wie in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts:

„Wenn Sie groß sind, vermeiden Sie tunlichst, sich zu frisieren und zu kleiden wie ein kleines Mädchen mit Schleifchen und Rüschen“, rät er im Plauderton. Die kleine Frau hingegen sollte möglichst unifarbene Ensembles tragen, weil die strecken.

Jean Cocteau, Dichter, Künstler, Regisseur und Ästhet in Personalunion, bewunderte das Modegenie und stellte eine Beziehung zwischen dem Namen Dior und „Dieu – Or“ (Gott und Gold) her. Zweifellos – Christian Dior war ein Gott unter den Couturiers – oft kopiert, doch nie erreicht – der das „goldene Zeitalter der Mode“ nach einem der grausamsten Waffengänge der Geschichte einläutete.

Keine Mode ohne betörende Düfte! „Riechstationen“ mit Diors bekanntesten Parfums – Miss Dior, Diorama, Diorissimo und Fahrenheit – wurden zwischen Rosenbüschen und Taxushecken des Klippengartens angesiedelt. Während wir genußvoll schnuppern, erzählt Vincent Leret, die Bevölkerung Granvilles habe während der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts indigniert die Nase gerümpft und ausgerufen: „Cela pue Dior – das stinkt nach Dior!“ Des Rätsels Lösung: Vater Dior produzierte Düngemittel, deren Gestank selbst die würzige Seeluft nicht tilgen konnte. Der Sohn, der feinsinnige Schöpfer traumhafter Moden und korrespondierender Düfte, entschädigt heute noch die Bürger von Granville mit wundervollen Aromen. In Diorissimo, dem Maiglöckchen-Parfum, steckt übrigens kein einziges Maiglöckchen! Maiglöckchen – Diors Lieblingsduft – lassen sich trotz des intensiven Duftes der Pflanze sehr schwer destillieren. Daher brillieren in Diorissomo unter anderem Jasmin und Ylang-Ylang!

Auf Duftstoffe und optische Freuden ist ein Kontrastprogramm mit leiblichen Genüssen angesagt. Im Hafen von Granville reiht sich ein Fischrestaurant an das nächste. Der tägliche Fang kommt auf die blankgescheuerten Tische: Barsche, Seeteufel und Kabeljau. „Die besten Austern stammen aus normannischen Gewässern.“ Jérome, Kellner in „La Citadelle“ in der Rue du Port, serviert zu den Meeresfrüchten einen Cocktail aus Cidre und Kir: „Der wurde auch im Hause Dior getrunken“, schmunzelt er. „Sie sehen, welche Genien unsere wunderbare Landschaft mit den aromatischsten Äpfeln der Welt hervorbringt. Also – jeden Tag mindestens ein Glas Cidre trinken. Und als Absacker einen Calvados. A votre santé.“

Die Ausstellung im Musée et Jardin Christian Dior – Villa „Les Rhumbs“, F-50400 Granville / Normandie, ist bis zum 24. September geöffnet, Eintritt 5 Euro, www.musee-dior-granville.com.

Foto: Mode in zauberhafter Umgebung: Kreationen des Meisters werden in der alten Villa gezeigt.


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