20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.09.07 / Zuerst starb der Bruder … / Erschütternde Kriegs-Erinnerungen eines Königsbergers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Zuerst starb der Bruder …
Erschütternde Kriegs-Erinnerungen eines Königsbergers

Auch diese Tragödie beginnt friedlich: „Es war ein prächtiger ostpreußischer Sommer, der Sommer 1944 …“ Hans-Burkhard Sumowski schreibt sich in „,Jetzt war ich ganz allein auf der Welt‘ – Erinnerungen an eine Kindheit in Königsberg 1944–1947“ die schlimmste Zeit seines Lebens von der Seele. „Nach fast 60 Jahren habe ich den Mut gefunden“, notiert der 1936 in Königsberg geborene Wirtschaftsingenieur.

In klaren Worten, teilweise für den Leser authentisch seinen Erinnerungsprozeß verdeutlichend, erinnert sich der Autor, wie Essensrationalisierung und Bombardierung den damals achtjährigen Jungen eher wie ein Abenteuer vorkamen. Seiner Mutter gelang es, selbst aus fast nichts etwas zu zaubern, was dem Sohn Freude machte.

Doch das schönste Geschenk ist für das Einzelkind jene Nachricht: „Bei Vaters letztem Besuch hatte sich etwas Besonderes ereignet, wovon ich erst jetzt erfuhr. Meine Mutter war schwanger, und im März sollte ich endlich ein Geschwisterchen bekommen.“

Doch kurz nach der Geburt des Brüderchens müssen Hans-Burkhard, seine Mutter mit Baby, Tante Christel und die Großmutter vor den Russen fliehen. Doch die Flucht mißlingt. Vor allem Tante Christel wird von den Russen unzählige Male vor den Augen ihrer Familie vergewaltigt, während Hans-Burkhards Mutter aufgrund des Neugeborenen in ihren Armen in Ruhe gelassen wird. Dann das Unglaubliche: Die junge Mutter kann das Leid ihrer geschundenen Schwester nicht weiter mit ansehen, legt dieser den Säugling in die Arme und wird somit selber Opfer der Übergriffe, während ihre Schwester sich erholen kann.

Doch die Zeit der Opfer ist damit erst am Anfang. Kälte und Nahrungsmangel zermürben die Familie, der Säugling stirbt, was Hans-Burkhard tief erschüttert, doch sein kleiner Bruder wird nicht das einziges Familienmitglied bleiben, das der Junge sterben sieht. „Jetzt war ich ganz allein auf der Welt“, so der Titel.

Der Autor zeigt die bestürzenden Ereignisse auf, die dazu führen, daß er als Kind fast gleichgültig gegenüber Toten wurde und mit einer Horde Gleichaltriger auf der Suche nach Nahrungsmitteln sich sogar freute, als er in einem Kellerloch verwesende deutsche Soldaten entdeckte, die noch ihre Nahrungsration bei sich trugen: Das Essen wird genommen, die Toten ohne jede Scheu und Emotionen zur Seite geschoben. Heute quälen den Senior deshalb Albträume, doch damals verlangte der Wille zu Überleben dies von ihm, denn selbst im Waisenhaus wurden die Kinder nicht genügend versorgt.

Hans-Burkhard Sumowskis „,Jetzt war ich ganz allein auf der Welt‘ – Erinnerungen an eine Kindheit in Königsberg 1944–1947“ ist eine der erschütterndsten und ergreifendsten geschriebenen Autobiographien, welche die Rezensentin je gelesen hat. Nach Hunderten von thematisch ähnlichen Erinnerungen gehört diese zu den am besten umgesetzten.        Bel

Hans-Burkhard Sumowski: „,Jetzt war ich ganz allein auf der Welt‘ – Erinnerungen an eine Kindheit in Königsberg 1944–1947“, DVA, München 2007, geb., 252 Seiten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 6316


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren