28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.09.07 / Von der Basis verlassen / Die Grünen-Führung ist an den Afghanistan-Einsatz gebunden, doch die Mitglieder wollen nicht mehr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Von der Basis verlassen
Die Grünen-Führung ist an den Afghanistan-Einsatz gebunden, doch die Mitglieder wollen nicht mehr
von Hans Heckel

Für FDP-Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis war die Zukunft schon zum Greifen nahe: „Die Generation Blau-Grün existiert bereits“, jubelte der selbsternannte Visionär im „Stern“ vergangener Woche und schlug vor, Grüne und FDP sollten nach den nächsten Bundestagswahlen 2009 über eine Fusion ihrer Parteien nachdenken.

Chatzimarkakis, der auch Generalsekretär der Saar-FDP ist und überdies für die Liberalen im EU-Parlament sitzt, wußte sich im Einklang mit den politischen Feuilletons der Republik, die seit Jahren mit Genugtuung eine „Verbürgerlichung“ der Grünen feststellen und selbst Unionspolitiker zu Träumen von schwarz-grünen Bündnissen auf Bundesebene animiert haben.

So schnell kann aus Zukunft Vergangenheit werden: Auf dem Göttinger Afghanistan-Parteitag hat die grüne Delegierten-Basis den Visionen und wohlfeilen Analysen einen heftigen Schlag versetzt. Hier meldete sich der längst überwunden geglaubte pazifistische Rigorismus der 80er Jahre zurück. Offenbar haben sich die Analysten, Medienmacher und Parteipolitiker – sogar in der Spitze der Grünen selbst – Illusionen hingegeben, als sie die einstige Fundi-Partei schon in der Mitte des politischen Spektrums angekommen wähnten und für rundweg jede Koalition geeignet hielten. Der Reifeprozeß der Partei hat offenkundig nur Teile des grünen Lagers erfaßt. Schien es bisweilen so, als sei die Truppe der linken Dogmatiker auf ein Häuflein um den Berliner Ex-RAF-Anwalt Hans-Christian Ströbele geschrumpft, so zeigte sich in dem Nein der Delegierten zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, daß die Linken nach wie vor mehrheitsfähig sind.

Für die blamierte Parteispitze unangenehm genug ist die Schlappe von Göttingen nur Symptom für einen tiefsitzenden inneren Widerspruch. Nun, da er aufbricht, könnte dieser für die Grünen sogar existenzbedrohend werden.

Nur auf den ersten Blick nämlich handelte es sich ausschließlich um ein Kräftemessen zwischen „Basis“ hier und „Führung“ dort. Die grüne Wählerklientel selbst ist mittlerweile viel heterogener geworden als in den Jugendjahren der Partei. Die Wende zum Realismus eines Joschka Fischer wurde von großen Teilen der grünen Stammwählerschaft geradezu erleichtert mitgetragen. Das hatte auch biographische Gründe: Wie der Außenminister a. D. selber hatten sich viele Wähler aus dem Gründermilieu der Grünen von linken Spontis und späteren Öko-Fundis über die Zeit zu gutsituierten Bürgern entwickelt, die sich über Steuerbescheide oder Gewerbeauflagen ebenso ärgern wie ihre CDU-wählenden Nachbarn. Der politische Reifeprozeß ihrer bevorzugten Partei entsprach demnach ziemlich genau ihrem persönlichen Lebensweg. Daneben lebte jedoch, wie sich jetzt zeigt, bei anderen Grünen der alte Dogmatismus fort.

Den Zwiespalt zwischen beiden Lagern kittete die Parteispitze vor allem mit Formelkompromissen, in denen realpolitische Entscheidungen der Gegenwart mit den moralschwangeren Vokabeln der alten Zeit umrankt wurden. So waren, vordergründig, beide Seiten bedient: Wir kommen zwar zu den selben Ergebnissen wie der Koalitionspartner und zeigen so, daß wir eine erwachsene Partei geworden sind. Wir tragen dabei aber die schwereren Bedenken und bleiben somit unseren Wurzeln treu. Mit dieser Verrenkung gaben sich beide Lager zufrieden. Als letzten Notnagel konnten die Realos während der rot-grünen Koalition die eigene Regierungsverantwortung anführen, die zu Kompromissen zwinge.

Die Regierungsverantwortung indes ist weg, und das Spiel mit den angeblich besseren Beweggründen für die selbe Entscheidung mochte die linke Delegiertenbasis offenkundig nicht länger mitspielen. Militäreinsatz ist am Ende eben doch Militäreinsatz, egal, mit welchen Gefühlen man die Soldaten ins Feld geschickt hat.

Die Ratlosigkeit der grünen Führung nach dem Göttinger Debakel spricht Bände: Sie kann nicht zurück zu den linken Ursprüngen, wie es die Delegierten einforderten. Denn mit diesem Salto rückwärts würde sie ihre sieben Jahren Regierungspolitik im Bund entwerten und überdies den in die Mitte gerückten Teil ihrer Stammwählerschaft vergrätzen. Zudem ist der linke Fundamentalismus in Deutschland mittlerweile neu besetzt: Das glatte Nein der Linkspartei zum gesamten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist zwar noch falscher, aber allemal glaubwürdiger als das grüne Hin und Her. Ein „Weiter so“, das die Wende rückwärts von Göttingen einfach ignoriert, kommt aber ebenso wenig in Frage: Dies würde die Partei von unten zerfressen und ihren „basisdemokratischen“ Anspruch vollends als Hohn entlarven.

Bei der Afghanistan-Entscheidung werden sich die grünen Bundestagsabgeordneten noch auf ihre Gewissensfreiheit zurückziehen können. Grundsätzlich aber muß geklärt werden, wohin die Partei will. Das Spiel mit Formelkompromissen und den „besseren Beweggründen“ wird einer unruhig gewordenen Basis nicht mehr ausreichen. Ein Ergebnis des Klärungsprozesses wäre die Erkenntnis, daß bei den Grünen aus alter Gewohnheit zusammenklebt, was programmatisch nicht mehr zusammengehört. Spaltung oder Untergang wäre die Konsequenz.

Foto: Ratlos: Die Vorsitzenden der Grünen, Reinhard Bütikofer und Claudia Roth, haben nicht mit so viel Unwillen gerechnet.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren