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22.09.07 / Temposünder Sarkozy / Der französische Präsident prescht den Deutschen zu schnell vor und stört so Harmonie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Temposünder Sarkozy
Der französische Präsident prescht den Deutschen zu schnell vor und stört so Harmonie
von Jean-Paul Picaper

Vor wenigen Jahren veröffentlichte ein deutsch-französisches Consulting-Büro ein Foto, auf welchem sich Jacques Chirac an die Stirn faßte und Angela Merkel ratlos aussah. Der Fotograf hatte ihnen Sprechblasen in den Mund gelegt: „Wie können wir denn Europa ohne die Deutschen regieren?“, seufzte Chirac. „Wie werden wir es denn schaffen, die Franzosen unter Kontrolle zu halten?“, überlegte Merkel.

Die Bundeskanzlerin hatte Chirac sozusagen von Schröder „geerbt“ und da war nicht mehr viel auszurichten. Da Frankreich in der Chirac-Endphase wie gelähmt war, entstanden jedoch für die Deutschen keine Probleme. Mit Nicolas Sarkozy dagegen hat sie jahrelang Vertrauen aufgebaut. Der deutsch-französische Motor mag stottern, er wird immer laufen.

Aber es besteht ein gravierender Unterschied. Man nennt den französischen Präsidenten „Speedy-Sarko“. Als politischer Cowboy schießt er aus der Hüfte, während Merkel den langen Atem vorzieht. Sarkozys Gegner streuen das Gerücht, daß er Aufputschmittel, zumindest Vitamintabletten schluckt, während böse Zungen verbreiten, daß Frau Merkel ihren Kontrahenten Schlafmittel verabreicht, um sie zu betäuben und unschädlich zu machen. Die Bundeskanzlerin hat wohl von ihrem früheren Mentor Helmut Kohl gelernt, manche Probleme „auszusitzen“ und ihre Widersacher zu überdauern. Sarkozys Stil ist das nicht. Er handelt rasch, überrumpelt die Leute, nimmt kein Blatt vor den Mund. Er ist um eine Überraschung nie verlegen und reagiert auf fremde Initiativen mit der Wucht eines Torpedos. So geschah es wohl neulich, als der deutsche Kassenwart Peer Steinbrück ihm vorwarf, seine Geldreserven mit Geschenken zugunsten seiner Wahlklientel zu vergeuden, statt zu sparen. Diese Hilfeleistung des deutschen Berufssozialdemokraten zugunsten seiner sozialistischen Freunde in Frankreich empfand der Gast als Seitenhieb. Schon Brüssel nervte ihn mit diesem Vorwurf.

Die deutschen Medien haben diese Marginalie hochgespielt, während die französischen Gazetten „Harmonie“ zwischen Sarkozy und Merkel registriert haben. Sarkozys Nadelstiche gegen die EZB und gegen den starken Euro bleiben im deutschen Blätterwald aktuell. Der überaktive Nachfolger von Großpapa Chirac stellt die deutschen Journalisten vor ein Rätsel. Sie gehen nicht auf ihn ein und befürchten, daß er in Europa die Decke an sich zieht. Das „Handelsblatt“ nannte ihn neulich „Rambo“. Daß der von Berlin und Paris anvisierte „Rat der Weisen“ für Europa einen glücklichen Kompromiß darstellt und daß Merkel und Sarkozy sich „unisono“ für mehr Transparenz der Finanzmärkte ausgesprochen haben, wurde nur in Frankreich gelobt. In Deutschland macht sich kaum jemand die Mühe, Sarkozys Projekt einer Mittelmeerunion ernst zu nehmen, das Ankara einen Ausgang in Ehren aus der europäischen Sackgasse öffnen würde. Immer wieder hauen die deutschen Medien „aufs Schlimme“, meinen französische Beobachter. So entsteht bei ihnen das Gefühl, daß die Deutschen einfach auf Sarkozys Erfolge neidisch sind. Kaum ein Medium in Deutschland erwähnt die erstaunlich hohe Popularität des neuen Präsidenten im eigenen Lande. Dadurch entsteht eine Diskrepanz in der Grundstimmung zwischen beiden Nationen.

Wie wir aus der unmittelbaren Umgebung des Staatspräsidenten heraushörten, wird „der Nicolas“ noch mehr Kaninchen aus seinem Hut ziehen, um die europäische Welt ins Staunen zu versetzen. Sein angebliches Angebot bezüglich einer deutschen Teilhabe an französischen Nuklearwaffen soll Steinmeier und Merkel überrascht haben. Beide sollen mit Hinweis auf den Atomwaffensperrvertrag von 1975 pikiert abgelehnt haben.

Sarkozy denkt an die französischen Interessen und will Nationalbewußtsein schaffen, nachdem Frankreich in der späten Chirac-Ära aufgehört hatte, an sich zu glauben. Da Deutschland Frankreich am nächsten steht, wird das die Deutschen treffen. Man darf nicht vergessen, daß Sarkozy 2004 als Finanzminister ohne Rücksicht auf Berlin die Fusion Aventis-Sanofi durchgesetzt hatte, damit das deutsch-französische Unternehmen Aventis nicht in die Hände des Schweizers Novartis fällt. Dann hatte er Siemens die Tür des fußkranken Alstom vor der Nase zugeschlagen. Und er hat den Franzosen Gallois an die Spitze von EADS gestellt. Sarkozy mag Siemens nicht. Er will das Unternehmen, das 34 Prozent des französischen Atomkonzerns Areva hält, hinausschubsen. Da könnte die politische Kooperation Schaden nehmen, zumal die deutsch-französische Verliebtheit in den letzten 15 Jahren abgeflaut ist. Die Deutschen waren nach ihrer Wiedervereinigung sehr ichbezogen und die Franzosen wandten sich ab.


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