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22.09.07 / Schäumender Botschafter / Das Oktoberfest gibt es nicht nur in München

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Schäumender Botschafter
Das Oktoberfest gibt es nicht nur in München
von Joachim Feyerabend

Sie trugen Lederhosen, Seppelhüte mit Gamsbart und Wadenstrümpfe. Ihr Gesicht zierte ein kleiner, bürstenartiger „Rotzbremser“. Sie waren alle rechtsgescheitelt und nannten sich „The Hitlers“. Sie spielten mit Begeisterung bayerische Blasmusik und traten im Bierkeller der Spielhölle „Ex Calibur“ in Las Vegas auf. Beim Oktoberfest schwangen die Feiergäste im fernen Nevada zu den schmetternden Klängen der „Nostalgie“-Kapelle die Bierseidel „Made in Brasilia“, die in Amerika so beliebten „Steine“, und zelebrierten bei Brezeln, Leberkäse, Sauerkraut und Würsten „deutsche“ Kultur. Denn für die meisten Amerikaner ist unbelehrbar Deutschland gleich Bayern. Und was sollen die „Hitlers“? In Deutschland kaum zu glauben fanden die US-Gäste das offenbar witzig.

Nicht weit entfernt und mit 388 Sitzen und einem Biergarten ausgestattet, steht ein originalgetreuer Nachbau des Münchner Hofbräuhauses. Er ist für sein rauschendes Oktoberfest in den ganzen Staaten bekannt, in denen überall das große Münchener Vorbild, die 1810 aus Anlaß der Hochzeit des Bayernprinzen Ludwig mit Therese von Sachsen ins Leben gerufene „Wiesn“ Pate für die alljährliche Belustigung steht. In mindestens 37 Staaten der USA werden jedes Jahr Hunderte von Oktoberfesten gefeiert, auch wenn sie manchmal in Anlehnung an den Stuttgarter „Wasen“ Cannstatter Oktoberfest heißen, wie beispielsweise in Philadelphia. In New York wird gar die 3. Avenue für den Verkehr gesperrt, um den Bierfans freie Kehle zu geben. Wer sich richtig volldröhnen will, der fährt nach Boston. Dort wird mit 17,5 Prozent Alkohol das stärkste Bier der Welt gebraut, das „Samuel Adams Triple Bock“. Und das Oktoberfest in „Zinzinnati“ (Cincinnati, Ohio) lockt immerhin 500000 durstige Yankee-Trinker aus dem Bau. „Sportliche“ Aktivitäten, wie das Steinkrughalten am ausgestreckten Arm, Schuhplattlertanzen und das gemeinsame Absingen deutscher Bierlieder („Ich möcht an Biersee, so groß wie der Schliersee“) gehören ebenso dazu, wie nachgemachte Weißwürste, Rettiche und halbverhungerte Brezen. Hauptsache: „Eins, zwoa, gsuffa!“

Das größte Ereignis dieser Art in Nordamerika findet allerdings in Kanada statt: Das „Kitchener Waterloo“ bei Toronto versammelt seit 40 Jahren rund 800000 bierfeste Gaumen in 17 Hallen.

Aber auch Südamerika läßt sich nicht lumpen. Im brasilianischen Blumenau, einer deutschen Gründung unter Führerschaft des deutschen Apothekers Blumenau im südlichen Bundesstaat Santa Catarina, geben sich jedes Jahr etwa 600000 Durstige ein feuchtfröhliches Stelldichein. In Santiago de Chile wird zum Teil unter der Sponsorschaft des deutschstämmigen Brauers Kunstmann aus Valparaiso mit Umzügen und Pils oder Starkbier der Marke „Tübinator“ gefeiert.

Das Oktoberfest-Fieber kennt keine Grenzen und schwappt über alle Kontinente hinweg. In Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwest, werden in Windhuk die Gläser geschwungen, in China gibt es zum Reisbier aus Tsingtau bei den Festivitäten in Kanton und Hongkong Radi mit Seetang, in der philippinischen Hauptstadt Manila lassen die großen Hotels bayerische Kapellen einfliegen und über die Fernsehschirme flattert die Oktoberfest-Werbung der heimischen San Miguel-Brauerei. Hausbrauereien großer Übernachtungsherbergen wie des Peninsula schütten zudem ein eigenes Festbier aus.

Bayerisch bechern können die Lederhosenfans zudem im kambodschanischen Phnom Penh, ebenso wie in Singapur, Malaysias Metropole Kuala Lumpur, im thailändischen Bangkok oder in Taipeh auf Taiwan. Auf Bali lockt eine muntere Internetseite nach Kuta, wo es vom Steckerlfisch bis zum Leberkäs’ alles gibt, was das bayernselige Herz begehrt.

Die deutschstämmigen Bewohner Australiens (allein in und um Melbourne leben 100000) lassen sich ihr herbstliches weißblaues Besäufnis ebenso wenig nehmen wie Kingston auf Jamaika. Moskau feiert unter dem Namen „Onkel Tom“, Irland vergißt zugunsten des heimischen Lagerbiers kurze Zeit sein traditionelles Guinness. Selbst im streng islamischen Jemen gab es schon Oktoberfeste.

Das Ereignis geht sogar in die Luft, Thai Airways bietet auf seinen Bangkok-Flügen einige bayerische Schmankerln an und selbst die Lufthansa ließ Stewardessen auf bestimmten Flügen schon mal im Dirndl erscheinen.

Den Vogel an Oktoberfest-Novitäten indes schießt Kolumbien ab. Der Schneider Miguel Caballero in Bogota, der auch Hugo Chavez mit kugelsicheren roten Hemden ausstattet, näht seit kurzem für die gefährdete Damenwelt schußfeste Dirndl. Das erste Exemplar wurde bereits an einer ehemaligen Miss aus Deutschland life getestet. Die Dame blieb heil.

Foto: Und hoch die Maßkrüge: Nicht nur die Japaner fahren auf Dirndl und Bierzelte ab.


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