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22.09.07 / … und der Thron ist immer Sieger / Wahlbeteiligung in Marokko war so niedrig, daß sie kaum Schlüsse zuläßt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

… und der Thron ist immer Sieger
Wahlbeteiligung in Marokko war so niedrig, daß sie kaum Schlüsse zuläßt
von R. G. Kerschhofer

Die marokkanischen Parlamentswahlen vom 8. September werden von Beobachtern als „weitgehend sauber“ bezeichnet. Was bei Wahlen in islamischen Ländern heute aber am meisten interessiert, ist die Frage, ob das Ergebnis „den Islamisten“ nützt oder schadet – ob es also Folgen auch außerhalb des Landes haben könnte.

Die „gemäßigt islamistische“ PJD, die wie ihr großes Vorbild, die türkische AKP, in Übersetzung „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ heißt, hatte angepeilt, 70 der 325 Parlamentssitze zu erringen, und war auch in allen Prognosen als Favorit gehandelt worden. Stärkste Fraktion wurde aber die konservative „Unabhängigkeitspartei“ („Istiklal“), die gegenüber 2002 vier Mandate zulegen und auf 52 Sitze kommen konnte. Die PJD hingegen erhielt nur 46 Mandate. Sie könnte sich zwar damit trösten, ebenfalls vier Sitze dazugewonnen zu haben. Allerdings war sie 2002 auf Druck der Behörden nur in der Hälfte aller Wahlkreise angetreten, diesmal hingegen in fast allen.

Aus diesem deutlichen Dämpfer für die PJD sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen – schon allein wegen der Wahlbeteiligung: Von den geschätzten 34 Millionen Marokkanern hätten sich 20 Millionen in die Wählerlisten eintragen lassen können. Tatsächlich taten dies nur 15,5 Millionen. Davon gingen 37 Prozent oder rund 5,7 Millionen zu den Urnen. Und von diesen wieder gab eine Million leere oder ungültige Stimmzettel ab. Das Wahlergebnis reflektiert also die Entscheidung von kaum einem Viertel der Wahlberechtigten

Wie in der Türkei ist umstritten, ob „gemäßigte Islamisten“ echt oder nur aus taktischen Gründen „gemäßigt“ sind. Aber in Marokko gibt es auch noch eine andere islamistische Partei, die fundamentalistische „Gerechtigkeit und Wohltätigkeit“, welche die in der Verfassung festgelegte höchste religiöse Autorität des Königs nicht anerkennt und zu einem Wahlboykott aufgerufen hatte. Sie reklamiert jetzt das Wahlergebnis als ihren Erfolg – und wer könnte das Gegenteil beweisen? Aber wieviele Fundamentalisten gibt es wirklich?

Die bisherige Mitte-Links-Koalition aus Istiklal, Sozialisten und anderen konnte ihren Mandatsstand ausbauen. Allerdings fielen die Sozialisten von 50 auf 38 Mandate zurück. Offen ist nun, ob sie trotzdem wieder in die Regierung gehen oder die Oppositionsrolle vorziehen werden. Offen ist auch, ob König Mohammed VI. eine Regierungsbeteiligung der PJD in Erwägung zieht. Als wahrscheinlicher gilt, daß er die „gemäßigten Islamisten“, die ihn verfassungskonform ohnehin als „Emir aller Muslime“ anerkennen, in einer starken Oppositionsrolle als nützlicher ansieht. Damit wäre auch der PJD die Entscheidung zwischen „Regierungspfründen“ und „Saubermannrolle“ abgenommen und ihre Position gegenüber den Fundamentalisten gestärkt.

Die Macht der Parteien ist aber ohnehin sehr bescheiden, denn die „konstitutionelle Monarchie“ gibt dem König, der zugleich der größte Grundbesitzer Marokkos ist, fast unbeschränkte Befugnisse. Die Dynastie ist zudem dadurch legitimiert, daß sie auf Hassan, einen Enkel des Propheten Mohammed, zurückgeht. Sie ist vor mehr als 700 Jahren aus dem heute saudischen Hedschas eingewandert und seit über 350 Jahren an der Macht.

Der Thron scheint auch de facto weitaus sicherer zu sein, als man es in einem Land mit enormen sozialen Problemen annehmen würde. Der heute 44jährige Monarch gilt als aufgeschlossener und volksnäher als sein Vater Hassan II. und auch als sein Großvater Mohammed V., der beim Volk den Bonus hatte, von den Franzosen vorübergehend verjagt worden zu sein. Ein nicht unwesentlicher Unsicherheitsfaktor war früher, daß Mohammed VI. auffallend lange ledig blieb. Doch die Eheschließung mit einer Informatikerin vor fünf Jahren beseitigte alle „Zweifel“, und mittlerweile gibt es auch schon einen Thronfolger.

Daß Marokko zur Zielscheibe islamistischer Anschläge wurde und dies noch häufiger werden könnte, ist weniger auf die sozialen Probleme als auf die enge militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit den USA zurückzuführen. Doch die Zusammenarbeit hat auch historische Aspekte: Die USA wurden von Marokko bereits 1777, ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung, anerkannt, und amerikanischer Druck auf Frankreich und Spanien hat wesentlich dazu beigetragen, daß Marokko 1956 wieder die Unabhängigkeit von beiden Ländern erlangen konnte.


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