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22.09.07 / Zusammen sind sie 3000 Jahre / »The Zimmers«, die Rockstars aus dem Altersheim, feiern unglaubliche Erfolge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Zusammen sind sie 3000 Jahre
»The Zimmers«, die Rockstars aus dem Altersheim, feiern unglaubliche Erfolge
von Corinna Weinert

Seitdem grauhaarige Musik-Ikonen wie „Genesis“, „The Police“ oder „The Rolling Stones“ bis kurz vor der Einbalsamierung um die Welt touren, kann vom Jugendwahn der Popindustrie keine Rede mehr sein. Derzeit erobern „The Zimmers“ die englischen Charts mit Rock, Humor und Hintersinn.

Die Geschichte der Rock-Rentner begann damit, daß sich einige Senioren – unter ihnen Alf Caretta, der heutige Leadsänger der Band – gegen die Schließung „ihrer“ Bingo-Halle in der Londoner Essex Road wehrten. Die Senioren, für die es sonst kaum eine Möglichkeit sinnvoller Freizeitgestaltung gab, wollten sich mit dem Vorhaben nicht abfinden und machten dagegen mobil.

Der britische Fernsehsender BBC, der gerade eine Dokumentation über die oft einsame und trostlose Lebenswirklichkeit von alten Menschen drehte, griff die Geschichte auf und berichtete von der Protestaktion.

Produzent Mike Hedges hatte noch eine weitere Idee: Es sollte eine Rentner-Band gegründet werden, um die Senioren aus ihrer Isolation zu holen.

Gefunden wurden die Mitstreiter der munteren Truppe, die aus 40 Mitgliedern besteht, in verschiedenen Seniorenfreizeiteinrichtungen und -heimen. Zusammen bringen es die Rock-Rentner auf mehr 3000 Jahre.

Buster Martin ist mit 100 der Älteste, Avis Lewinson mit immerhin 70 Jahren die Jüngste. Schnell hatte man den Namen „The Zimmers“ für die Band gefunden, was übersetzt „Gehwagen“ bedeutet.

Unter Leitung von Hedges nahm die Rentner-Band in den legendären Abbey Road Studios, wo schon die „Beatles“ ihre LP „Abbey Road“ einspielten, den Song „My Generation“ von „The Who“ auf.

Das dazugehörige Musikvideo, das ebenfalls dort entstand, entpuppte sich als wahre Internet-Sensation. Die am 2. April auf dem Video-Portal „YouTube“ eingestellte Version wurde in nur zwei Monaten rund drei Millionen Mal aufgerufen, mehr als 5000mal kommentiert und über 13000mal zu den Favoriten gewählt. Kein Wunder: Glasklar artikuliert Caretta, der nahezu zahnlos ist, den Text, trägt dabei absolut glaubwürdig und werktreu vor. Selbst das berühmte Stottern in den Textzeilen kriegt er hin. Und am Schluß wird – ganz wie es „The Who“ damals im Londoner Marquee Club und später im Fernsehen taten – das Schlagzeug mit großem Scheppern umgeworfen und die Gitarre zertrümmert.

Das Musikvideo ist allerdings mit erschütternden Hilferufen durchsetzt, die vom Alltag der Senioren erzählen: „Ich habe meine Wohnung seit drei Jahren nicht verlassen“, steht da beispielsweise auf dem Schild, hinter dem eine Frau, die man gerade noch lachend und singend im Chor sah, schamhaft hockt.

Die Single der Rock-Rentner erreichte in den ersten Woche nach Erscheinen Platz 26 der englischen Charts. Sämtliche Gewinne aus dem Verkauf der CD werden die Bandmitglieder in Projekte der Altenhilfe fließen lassen.

Inzwischen geben „The Zimmers“ fleißig Konzerte, und die Planungen gehen noch weiter: Im Herbst will die Truppe auf Europatournee gehen.

Die Senioren blühen durch ihre Profession richtig auf: „Unsere Musik hat mich zu neuem Leben erweckt“, sagt Caretta, „ich dachte, mit 90 steckst du in der Sackgasse, aber nun bin ich wie elektrisiert.“

Nesthäkchen Lewinson freut sich über den späten Ruhm: „Es ist phantastisch. Wir haben viele Fans – sogar Groupies!“

Caretta sieht den Rummel gelassener. In einem Radio-Interview antwortete er auf die Frage, ob er denn jetzt auch Rock’n’Roll-mäßig mit einem Supermodel umher rennen würde, recht nüchtern: „Rennen fällt mir heutzutage etwas schwer.“ Und auch wenn ihm die Musik Spaß macht, bedauert Caretta doch sehr, in Zukunft nicht mehr so viel Zeit für sein über alles geliebtes Bingo-Spielen zu haben.

Foto: Rüstig und musikalisch: Die englische Rentnerband „The Zimmers“ begeistert Jung und Alt.


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