19.04.2024

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22.09.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,         

liebe Familienfreunde,

manchmal möchte man auf solche Allgemeinplätze zurückgreifen, die man immer parat hat, wenn man etwas Unerwartetes kommentieren will. In diesem Fall wäre es: „Es kommt immer anders, als man denkt!“ Aber das wäre doch etwas zu simpel, denn es geht um das Symposium „Die Flucht“, das nun leider nicht wie vorgesehen vom 13. bis 16. September im Ostheim in Bad Pyrmont stattfinden konnte. Es war sorgfältig geplant und programmiert, dann ergaben sich aber kurzfristig einige Schwierigkeiten, die einen reibungslosen Ablauf in Frage stellten. Dazu gehörte leider auch meine, durch einen verschleppten Infekt verursachte Indisposition – man schüttelt in meinem hohen Alter eben manches nicht mehr so leicht ab, wie man glaubt. Kurzum: Eine Spätsommergrippe hatte mich erwischt, kein Wunder bei dem miesen Wetter. Hinzu kamen auch noch andere Faktoren, vor allem gab es Terminüberschneidungen mit den vielen Heimatveranstaltungen im September, so daß viele an dem Thema brennend Intereressierte nicht teilnehmen konnten. Aber, um mal wieder in den Sprichwortpaudel zu greifen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Das Symposium wird zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, der genaue Termin liegt im Augenblick noch nicht fest, wird aber rechtzeitig bekanntgegeben. Ich hoffe, daß wir dann auch einige derjenigen Leserinnen und Leser begrüßen können, die zu dem recht kurzfristig angesetzten Septembertermin verhindert waren. Wir würden uns freuen.

Eine, die auch gerne teilgenommen hätte und durch eine anderweitige Verpflichtung verhindert war, ist Frau Irene Maria Marchewa aus Boitzenburg. Sie schreibt: „Ich gehöre ja zu der Erlebnisgeneration. Über Flucht und Vertreibung habe ich mir so meine Gedanken gemacht und gegen das Vergessen ein Buch geschrieben. Anfangs war es für meine Familie gedacht. Doch ein hiesiger Historiker drängte mich so sehr, es zu veröffentlichen, daß ich es dann doch tat, wenn es mir auch nicht leicht fiel. Es wurde sehr gut angenommen!“ Auch von der Enkelgeneration, wie Frau Marchewa feststellen konnte. Ich habe das 370 Seiten starke Buch „Der alte Stopfpilz – Von Ostpreußen nach Mecklenburg“ der ermländischen Autorin – die in Rößel geboren, mit 15 Jahren verschleppt wurde und endlich mit ihrer Familie in Barendorf / Grevesmühlen Aufnahme fand – leider noch nicht lesen können, da haben im Augenblick die vielen Leserbriefe Vorrang. Aber ich freue mich über jede Veröffentlichung, die unser Vertriebenenschicksal dokumentiert. (Buchbesprechungen können leider in meiner Kolumne nicht erfolgen, aber ich weise gerne auf den Verlag hin (KSZ Verlag & Medien GbR Rostock, ISBN 3-930845-88-0. Anschrift von Frau Irene Maria Marchewa: Dr.-Alexander-Straße 4 in 19258 Boizenburg, Telefon 03 88 47 / 5 28 14).

Auch mein Landsmann Klaus Peter Kolberg hat seine Erinnerungen aufgeschrieben – das, was für den 1939 in Königsberg Geborenen bis heute unvergessen blieb. Können solche Rückbesinnungen nicht trügen? Herr Kolberg sagt dazu: „Gerade, wenn man in dem Alter ist, Eindrücke zu sammeln und zu verarbeiten, behält man sie für das Leben. Was ich mit Kinderaugen gesehen haben, das haben manche Erwachsenenaugen nicht!“ Es wird sich so manch ein gleichaltriger Leser in seine Kindheit zurückversetzt fühlen, an die Geborgenheit der ersten Jahre, dann Bomben, Russeneinfall, Vertreibung. Herr Kolberg hat wirklich seine Kindheit in die Tasche gesteckt und sie mitgenommen auf den Weg in ein langes Leben, in dem er die Heimat nie vergaß, im Gegenteil, wie ein Vierteljahrhundert gute Verbandsarbeit im Dienste der Vertriebenen zeigt, die er als Vorsitzender des BdV-OV-Altenwalde im KV Cuxhaven leistete. Jetzt, im ruhigen Alter, betreibt Herr Kolberg in kleinen Ansätzen Familien-, Wappen- und Ahnenforschung. So zieren nun auch seine 64-Seiten-Biographie „Erlebte Erinnerungen“ (Slices of Live, Kleikamp 6 in 38154 Königslutter, ISBN 978 3-9334652-53-8), das „Kolberg-Wappen“ und natürlich die Elchschaufel. Eine kleine Bitte hat Herr Kolberg auch: Er besitzt kein Bild von seinem Vater, das letzte ist 1949 auf der Flucht aus der Zone verlorengegangen. Horst Gottschalk, * 27. März 1914 in Danzig, fiel 1942 / 43 in Afrika. Vielleicht findet sich noch ein Foto aus jener Zeit, auf dem Horst Gottschalk abgebildet ist. Die Eltern waren noch nicht verheiratet, die Hochzeit wurde immer wieder verschoben – das Schicksal wollte es anders. Der Sohn hofft, daß unsere Ostpreußische Familie weiterhilft. (Klaus Peter Kolberg, Rotdornweg 14 in 27478 Cuxhaven-Altenwalde, Telefon 0 47 23 / 42 14.)

Nach den vielen Erfolgen in der letzten Zeit ist man eben sehr optimistisch – und das darf man auch weiter sein, denn ich kann wieder mit vielen positiven Resonanzen aufwarten. Wobei dies im Fall unseres Lesers Detlef Siegmund aus Crivitz noch reichlich tiefgestapelt ist, denn was er vermelden kann, gehört schon in die Kategorie „Familienwunder“ – nicht umsonst steht das Wort „Danksagung“ über seinen Zeilen. Es ging um seine Tante Elisabeth Tobjinski aus Bladiau, Kreis Heiligenbeil. Die Halbschwester seiner verstorbenen Mutter galt über 60 Jahre lang als verschollen, bis Herr Siegmund durch Zufall hörte, daß diese doch Krieg und Flucht überstanden habe. Sie sollte in Berlin leben und verheiratet sein, der Ehename war aber nicht bekannt. Das erschwerte natürlich die Suche, auf die er und seine Tante Vera, ebenfalls eine Halbschwester der Gesuchten, große Hoffnung setzten, mit voller Berechtigung, wie Herr Siegmund schreibt: „Ich habe meine Tante Elisabeth gefunden. Ich kann es mit Worten nicht beschreiben, welche Glücksgefühle meine noch lebende Tante Vera, ihre Schwester, seither durchlebt hat. Ich möchte Sie deshalb bitten, folgende Danksagung zu veröffentlichen:

„Voller Freude können meine Tante und ich Ihnen heute mitteilen, daß im Ergebnis unserer Suche nach der bislang verschollen geltenden Schwester und Tante ein voller Erfolg erzielt wurde. Zwei Geschwister und – nun ja, neue Familienangehörige werden sich in Kürze in Berlin zu einem ersten Treffen einfinden. Wir können die Freude mit Worten nur schlecht beschreiben, die wir empfinden, nach über 60 Jahren das noch erleben zu dürfen. Nachstehende Personen und Institutionen gilt im Zusammenhang mit unserer Suche besonderen Dank: Herrn Konrad Wien, 1. Kirchspielvertreter Kirchspiel Bladiau / Herrn Günter Tobjinski, Trossingen / Herrn Dietrich Mattern, Stellvertretender Kreisvorsitzender / Frau Claret / Frau Ursula Kunkel / Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheit Berlin.“ Und natürlich dankt er auch uns, die wir die Weichen für dieses erhoffte, aber nun doch so überraschende Wiederfinden gestellt haben. Mit seiner Danksagung will Herr Siegmund auch anderen Suchenden Mut machen, die Hoffnung nicht aufzugeben, bislang als verschollen oder tot geglaubte Angehörige doch noch zu finden. 

„Die Ostpreußische Familie ist Gold wert, denn sie hat mir schon wieder geholfen“, schreibt Frau Gertraud Bartolain aus Rüdnitz, und sie verdankt ihr sogar einen „Schatz“. So bezeichnet sie jedenfalls den Ortsplan von Stukatschen im Kreis Goldap, dem Heimatort ihrer Vorfahren, den Familien Bartolain und Sziedat. Bisher hatte sie kaum etwas über ihn gewußt, was auch verständlich ist, denn der Ort zählte nur 80 Einwohner, hieß später Freienfeld, jetzt russisch Wostotschnoe – das hatte ich ihr noch mitteilen können, aber alles Weitere besorgten unsere Leser. Sie bestätigten meine Angaben und erweiterten sie, so daß heute Frau Bartolain sehr viel über Stukatschen weiß. Nach dem Anruf eines Landmanns aus dem Nachbardorf Kaschmeken erhielt sie einen Brief von dessen Schwester mit dem Ortsplan, in dem auch der Hof Sziedat eingezeichnet ist. Und den hütet Frau Bartolain nun wie einen Schatz.

Auch Frau Elfi Damian konnte nun sehr viel über den von ihr gesuchten Geburtsort ihrer Großmutter, Kallnischken, erfahren – wir hatten darüber schon berichtet – aber nun nahm sie am Treffen der Goldaper teil und erhielt soviel Hilfe, daß sie mir ganz begeistert einen Dankesbrief schickte. Sogar Fotos konnte sie im Goldap-Museum entdecken. Im nächsten Jahr will die Hamburgerin, die ihre ostpreußischen Wurzeln sucht, mit den Goldapern nach Ostpreußen fahren.

Na ja, und dann war doch noch die etwas „delikate“ Angelegenheit, die ich auf Wunsch von Frau Roswitha Kulikowski veröffentlichte: Hatte es auch in Königsberg im 18./19. Jahrhundert die Eimerträgerinnen gegeben, bei denen die Passanten unter schützendem Umhang ihre Notdurft verrichteten? Es hat sie wirklich gegeben, wie eine Leserin berichtete, deren 1862 geborener Großvater ihr noch von diesen „öffentlichen Toiletten“ erzählt hatte. Auch an den Ruf konnte er sich erinnern: „Für e halbes Dittchen Pup!“ Das klingt schon weniger deftig als die Ausdrücke, die Frau Kulikowski übermittelt worden waren. Und der Ruf, den uns ein Leser telefonisch übermittelte, klingt geradezu gemütlich: „Für e Dittke Schiet, Schiet.“ Soweit hat Frau Kulikowski nun mit zu diesem – weitaus unbekannten oder verschwiegenen – Kapitel Königsberger Kulturgeschichte beigetragen, das unsere Leser und Leserinnen sicher belustigen – oder vielleicht auch nachdenklich machen wird.

Eure Ruth Geede


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