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22.09.07 / Mit Lebertran gegen Schwermut / Ungesättigte Fettsäuren und eine regelmäßige Betreuung können depressiven Menschen aus dem seelischen Tief helfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Mit Lebertran gegen Schwermut
Ungesättigte Fettsäuren und eine regelmäßige Betreuung können depressiven Menschen aus dem seelischen Tief helfen
von Silke Osman

Komm, stell dich nicht so an. Mach einfach den Mund auf und dann runter damit. So schlimm schmeckt’s doch nicht und außerdem wirst du groß und kräftig.“

Die Mutter suchte nach den schönsten Worten, um ihr Kind zu überzeugen, endlich den Mund zu öffnen und die braune Flüssigkeit, die sich da auf dem Löffel befand, zu schlucken. Das Kind aber war bockig. Nie wieder würde es diese scheußliche Flüssigkeit zu sich nehmen. Wie das schon roch, na ja stank, könnte man auch sagen. Es drehte den Kopf zur Seite und preßte die Lippen noch fester aufeinander. Entschieden schüttelte es den Kopf.

„Und wenn wir am Wochenende in den Zoo gehen? Wie wär’ das? Monika kann auch mitkommen ...“ In den Zoo? Und die Freundin dürfte mitkommen? Das waren schon Verlockungen. Aber deswegen diese Scheußlichkeit schlucken? Na, wenn man sich die Nase zuhielte, die Augen schloß und an etwas Schönes dachte, dann würde es vielleicht gehen. Das Kind blickte zweifelnd zur Mutter, die immer noch mit dem Löffel voller Lebertran vor dem Kind stand und langsam ungeduldig wurde.

„In Ordnung, ich mach’s. Aber bitte schnell. Und Monika darf wirklich ...?“ Schwupps, da war es schon geschehen, die Mutter hatte den Augenblick ausgenutzt, als das Kind den Mund öffnete. Die dicke braune Flüssigkeit rann zögerlich die Kehle des Kindes hinunter. Ein Gefühl und ein Geschmack, den es nie vergessen würde.

Und dabei war der Lebertran doch wirklich so gesund. Das Öl, das aus der Leber von Kabeljau / Dorsch, heimischen Haiarten und Schellfisch gepreßt oder durch Erwärmen gewonnen wird, besteht aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren, enthält Jod, Phosphor, Vitamin A, E und D. Der Lebertran wird als Stärkungsmittel besonders bei Kinderkrankheiten und bei Unterernährung sowie zur Verhütung von Rachitis (Englische Krankheit) angewandt. Nun hat eine Studie der Haukeland-Universitätsklinik im norwegischen Bergen ergeben, daß regelmäßiger Lebertranverzehr auch die Möglichkeit verringern kann, Depressionen zu entwickeln. Die Probanden, die regelmäßig Lebertran zu sich nahmen, entwickelten etwa 29 Prozent weniger Depressionen als die Norweger, die keinen Lebertran schluckten. Bei unserem nördlichen Nachbarn nimmt übrigens jeder Zehnte regelmäßig dieses Naturheilmittel zu sich.

Immer mehr Studien weisen darauf hin, daß eine ausgewogene, kohlenhydratreiche Ernährung mit reichlich Fisch sich positiv auf leichte Depressionen auswirken kann. Allerdings hält die überwiegende Mehrzahl der Wissenschaftler die Wirkung der über die Nahrung aufgenommenen antidepressiv wirksamen Substanzen auf das Gehirn für viel zu schwach, um Depressionen wirklich heilen zu können. Eine „antidepressive“ Diät sollte gleichwohl viel Obst, Gemüse und Olivenöl, jedoch wenig Fleisch oder Nüsse enthalten. Das für die Ernährung notwendige Protein sollte weitgehend aus Fisch stammen, empfehlen Ärzte.

„Die kohlenhydratreiche Ernährung führt im Körper zu einer besseren Verfügbarkeit von Tryptophan, aus welchem im Gehirn der Botenstoff Serotonin aufgebaut wird. Serotonin wiederum spielt eine wichtige Rolle bei der Streßbewältigung und vermittelt auch Glücksgefühle. Depressionen stehen häufig in Zusammenhang mit einem Serotoninmangel im Gehirn.“

Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat kürzlich ergeben, daß Depressionen die allgemeine Gesundheit weitaus mehr beeinträchtigen als andere chronische Erkrankungen wie Asthma, Diabetes oder Arthrose. Oft ist es die unzureichende medizinische Behandlung der Erkrankten, haben australische Forscher festgestellt, die zu den heftigen Reaktionen führt. So erhalten in Australien etwa 90 Prozent der an Asthma Erkrankten eine gründliche medizinische Versorgung, bei den Depressionskranken sind es nur etwa 30 Prozent.

Eine intensive Betreuung ist dabei geradezu lebenswichtig. Schließlich unternehmen bis zu 15 Prozent der immerhin vier Millionen depressiven Menschen in Deutschland einen Selbstmordversuch, weil sie ihre Situation nicht mehr ertragen können. Medikamente können zwar helfen, doch die Angst vor einem Rück-fall, vor der Einsamkeit bleibt. Dem will eine Studie im Bereich der Hausarztpraxen entgegenwirken. „Wir wollen untersuchen“, so Jochen Gensichen, Leiter des Arbeitsbereichs „Chronic Care und Versorgungsforschung“ an der Frankfurter Universitätsklinik, „ob die hausärztliche Behandlung bei Depressionen durch die Unterstützung von speziell geschulten Arzthelferinnen verbessert werden kann. 513 Patienten aus 72 Praxen im Rhein-Main-Gebiet wurden ein Jahr lang von den Arzthelferinnen in einem vierwöchigen Turnus angerufen und nach dem Befinden befragt.

Gensichen: „Der Arzt erfährt sofort, wenn eine Verschlechterung eintritt, und entscheidet dann, ob und was getan werden muß.“ Im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserten sich die Symptome der so betreuten Patienten merklich.

 Bei vielen depressiven Menschen bemerkt man übrigens anfänglich nichts von ihrer Krankheit. Sie versuchen sie mit sehr viel Aktivitäten zu verstecken. Normalerweise entwickeln sich die Auswirkungen der Krankheit langsam. Meist fängt alles mit Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Übelkeit an, dazu kommt noch das ständige Gefühl, daß alles in der Welt negativ ist. Man verliert so in sehr kurzer Zeit sein Selbstwertgefühl, gibt sich für alles Schuld und sieht schwarz in die Zukunft. Nur jeder Dritte sucht wegen seiner Krankheit schließlich einen Arzt auf.


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