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29.09.07 / Dem Dollar ausgeliefert / US-Hypotheken-Krise und Zinssatz-Senkung sind nur Spitze des Eisbergs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Dem Dollar ausgeliefert
US-Hypotheken-Krise und Zinssatz-Senkung sind nur Spitze des Eisbergs
von R. G. Kerschhofer

Zwei Ereignisse auf den Finanzmärkten sorgten in den letzten Wochen für Schlagzeilen: Erstens die amerikanische Hypothekenkrise – mit scheinbar überraschenden Folgen auch in Europa, denn kamen die Hypothekardarlehen nicht von US-Banken und waren sie nicht ohnehin abgesichert? Zweitens der „neue Höchststand“ des Euro, der ein Tiefststand des Dollars ist, denn gegen-über Drittwährungen hat sich der Euro ja nicht geändert.

Beide Ereignisse sind Symptome einer strukturellen Krise des Finanzsystems, das immer weniger steuerbar zu werden scheint. Irgendwie hilflos, doch ehrlich klang es, als die Finanzminister Deutschlands und Frankreichs jüngst „mehr Transparenz“ forderten. Tatsächlich sind Wirtschaftsdaten manipulierbar und oft unzuverlässig. Vor allem aber kann die Finanzwelt, gleichsam losgelöst von der realen Wirtschaft, Unsummen hin und her schieben und mit „Optionen“ – mit Wettgeschäften – extreme Kursbewegungen bei Währungen, Aktien und Rohstoffen herbeiführen.

Verglichen mit Europa wohnt ein weit größerer Teil der Amerikaner im eigenen Haus – auf Kredit, mit wenig Eigenmitteln und variablen Zinsen. Kreditnehmer niedriger Bonität zahlen entsprechend höhere Zinsen – und werden bei Einkommensausfällen oder steigenden Zinssätzen eher zahlungsunfähig.

Genau diese Fälle haben seit 2006 stark zugenommen. Ein Übermaß an Notverkäufen führt aber zum Überangebot an Liegenschaften und damit zum Preisverfall. So sind oft nicht einmal die Restschulden abgedeckt, und Banken müssen faule Kredite abschreiben.

Da faule Kredite in Bilanzen schlecht aussehen, verkaufen bessere Banken sie um einen Teil des Nominalwerts an andere, die auf „Eintreibung“ spezialisiert sind. Diese müssen das Geld dafür selber wieder ausleihen – und so kommen auch europäische Banken ins Spiel. Alle spekulieren auf Gewinne, die bei erfolgreicher Eintreibung entstehen würden – und ernten Verluste, weil die Hypotheken nicht mehr gedeckt sind.

Zudem gibt es eine „Asymmetrie“: Den kleinen Schuldner hat die Bank in der Hand. Große Schuldner hingegen haben gleichsam die Bank in der Hand. Denn beim Konkurs eines Großkunden hätte die Bank hohe Verluste und müßte fürchten, daß die eigenen Aktien sinken und Sparer ihre Einlagen abziehen. Folglich gewährt sie dem Großkunden bessere Bedingungen, schreibt Forderungen ab, wandelt Schulden in Beteiligungen um und setzt sich für Stützungen ein – „es geht ja um Arbeitsplätze“.

Kommt eine Bank in Zahlungsschwierigkeiten, befürchtet der ganze Bankenapparat einen Vertrauensverlust. Daher springen Konkurrenten „selbstlos“ mit liquiden Mitteln ein. Oder es springt die Notenbank ein wie jetzt bei der britischen Northern Rock. Oder die angeschlagene Bank wird von einer anderen Bank übernommen, siehe Sächsische Landesbank. Die Verluste werden über verringertes Steueraufkommen, niedrigere Einlagenzinsen und höhere Kreditzinsen de facto auf Dritte abgewälzt.

Die Asymmetrie gilt auch für Staaten: Kleine Schuldner müssen sich den Gläubigern ausliefern, ihre Politik dem Diktat von Weltbank und Währungsfonds unterordnen und ihre Ressourcen dem Ausverkauf preisgeben. Der größte Schuldner aber hat den Rest der Welt in der Hand: Die USA – Staat und Private zusammen – stehen heute mit 2,5 Billionen oder 2500 Milliarden Dollar beim Rest der Welt in der Kreide, davon allein mit 1,2 Billionen bei China.

Das war nicht immer so, denn die Finanzierung der Weltkriege hatte die USA zum größten Gläubiger gemacht. Der Vietnam-Krieg aber führte zu rasanter Staatsverschuldung und zu derartigem Druck auf den Dollar, daß die USA 1971 die Golddeckung aufgeben mußten und das „Bretton-Woods-System“ zerfiel. Seither ist der Dollar eine Papierwährung. Der Goldpreis in Dollar beträgt heute das Zwanzigfache von 1971, und seit 1981 ist das reichste Land der Welt ein Nettoschuldner.

Dazu kommt, daß der Banknotenumlauf de facto ein unverzinster Kredit an die Notenbank ist, also an den „Staat“, wie viele meinen. Die US-Notenbank, der „Federal Reserve Board“ oder „Fed“, ist allerdings ein Privatbetrieb von ein paar Bankiersfamilien. Der Umlauf an Dollar-Noten beläuft sich auf etwa 600 Milliarden Dollar. Da drei Viertel davon im Ausland zirkulieren, primär in Ländern mit fragwürdiger Währung, geben die Ärmsten der Armen den Reichsten der Reichen einen zinsfreien Kredit von 450 Milliarden.

Als Bush Junior Präsident wurde, erbte er ein ausgeglichenes Budget, aber auch eine Rezession. Der 11. September kam da gerade recht: Bush ermunterte die Amerikaner, „aus Patriotismus“ mehr zu konsumieren, und den staatlichen Konsum erhöhte er mit dem „Krieg gegen den Terror“. Beides belebte die Wirtschaft, doch auf Pump – ein falsch verstandener „Keynesianismus“. Die Staatsschuld beträgt heute knapp neun Billionen Dollar. Noch kritischer ist das Leistungsbilanz-Defizit: Die Welt spart – und finanziert damit Konsum und Kriege der USA. Allein der Irak-Krieg kostet 300 Millionen – pro Tag.

Die jüngste Senkung der Leitzinsen durch die „Fed“ um einen halben Prozentpunkt verbilligt zwar Kredite und kurbelt die Wirtschaft an, ebenso aber die Inflation. Und sie ließ den Dollar absacken. Die USA fordern eine Aufwertung der chinesischen Währung. Das würde zwar das Defizit gegenüber China abbauen, wegen Wegfall der Billigimporte aber auch die Lebenshaltungskosten in den USA erhöhen. China kann ohnehin nicht aufwerten, weil es damit die eigenen Dollarbestände abwerten würde. Und alle Gläubiger würden sich selbst ärmer machen, würden sie ihre Dollars abstoßen und so den Dollar in den Keller schicken.

Bezeichnenderweise hat nun auch „Fed“-Präsident Bernanke Angst vor den Dollar-Milliarden der „Staatsfonds“ und fordert den Internationalen Währungsfonds zu Maßnahmen auf. Daß „Heuschrecken“ mit überbewerteten, noch dazu meist geliehenen Dollars weltweit reale Werte aufkaufen, scheint ihn nicht zu stören.

Es ist riskant, sich mit den Hütern der Privatwährung anzulegen und über „die Zeit nach dem Dollar“ nachzudenken. Putin tat es beim Weltwirtschaftsforum 2007 mit Ideen einer Verrechnungswährung, ähnlich wie einst in Bretton Woods vorgeschlagen, aber abgelehnt. Der Iran und Venezuela tun es mit Versuchen, den Öl-Handel vom Dollar abzukoppeln. Und Saddam Hussein tat es ...

Handbücher der Finanzwissenschaft weisen keinen Weg aus dem Dilemma. Die Geschichte aber zeigt, wie man bei Währungsreformen mit überschüssiger Liquidität umging: Guthaben wurden gestrichen und Banknoten für ungültig erklärt.

 

Das Bretton-Woods-System

Auf der Konferenz von Bretton Woods (New Hampshire) im Juli 1944 einigten sich die Teilnehmer, meist die späteren Gründungsmitglieder der Uno, auf ein Währungssystem, das der Wirtschaft Risiken abnehmen und den Wiederaufbau erleichtern sollte. Es beruhte auf fixen Wechselkursen zum US-Dollar und einer Garantie der USA, Guthaben zu 35 Dollar je Unze in Gold einzulösen. Die USA konnten als einzige eine eigenständige Währungspolitik betreiben. Die anderen Staaten mußten ihre Paritäten durch Interventionen auf den Devisenmärkten sicherstellen. Ab- oder Aufwertungen waren nur durch internationale Vereinbarung möglich. Zur „Betreuung“ des Systems wurden die Weltbank und der Internationale Währungsfonds gegründet. Das System funktionierte, solange die USA keine nennenswerten Leistungsbilanz-Defizite hatten und es folglich im Rest der Welt kein Dollar-Überangebot gab. Das Ende kam 1971, als wegen der (bis heute andauernden Überbewertung des Dollars) die Goldparität nicht mehr zu halten war.             RGK

 

Der Keynesianismus

Der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883–1946) propagierte in Reaktion auf die Depression der Zwischenkriegszeit ein Konzept der staatlichen Wirtschaftslenkung. Die Stabilisierung der Wirtschaft sollte durch langfristige staatliche Investitionen, vor allem in Infrastruktur und Wohnungsbau, erreicht werden. Als „Keynesianismus“ wird heute meist nur die „antizyklische Budget-Politik“ bezeichnet, welche durch fiskalische und währungspolitische Maßnahmen die Wirtschaft bei Flauten ankurbeln und bei Überhitzung dämpfen soll. In der Praxis bleibt davon aber nur das „deficit spending“, die Wirtschaftsankurbelung auf Pump.

Auch durch Erhöhung des privaten und staatlichen Konsums – was zu Leistungsbilanz-Defiziten und Schulden führt. Die von Keynes geforderte Schaffung einer internationalen Zahlungsunion, über die in einer nur zur Verrechnung gedachten Währung die Finanzflüsse abgewickelt werden sollten, wurde in Bretton Woods abgelehnt.        RGK

Foto: Der Nachfolger Alan Greenspans: Ben S. Bernanke, Vorsitzender des Federal Reserve Board


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