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29.09.07 / In der »Osthoff-Falle« / Schicksal der Geiseln im Irak und in Afghanistan ungeklärt – Strategiewechsel?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

In der »Osthoff-Falle«
Schicksal der Geiseln im Irak und in Afghanistan ungeklärt – Strategiewechsel?
von Paul Holland

Pünktlich zum 11. September hatte ein neuaufgetauchtes Erpresser-Video die Öffentlichkeit daran erinnert, daß der 20jährige Sinan Krause seit mehr als sieben Monaten in der Gewalt seiner irakischen Entführer ist. Volle zwei Monate sind seit der Verschleppung des gesundheitlich angeschlagenen und fraglos durch die Ermordung seines Schicksalsgefährten traumatisierten deutschen Ingenieurs Rudolf B. in Afghanistan vergangen. Während besorgte Angehörige der Bundesregierung Untätigkeit vorwerfen, herrscht im Krisenstab des Auswärtigen Amtes, abgesehen von einem periodisch beteuerten „Wir sind nicht erpreßbar“, Funkstille. Doch was tut sich hinter den Kulissen?

„Kein Kommentar“, lautet die vorhersehbare offizielle Antwort aus dem Hause Steinmeier auf alle Anfragen nach neuen Entwicklungen in den beiden Entführungsfällen. Die äußerlich harte Haltung der Bundesregierung weckt, zumal 30 Jahre nach dem „Deutschen Herbst“ der RAF-Linksterroristen, durchaus Reminiszenzen an die dramatischen Tage der Schleyer-Entführung.

Ganz so parallel, wie einige Leitartikler es hinstellen, sind die Fälle freilich nicht. Schließlich führen die jetzigen Kidnapper keinen Angriff im Inneren auf die Grundfesten des Staates, sondern bedienen sich im Ausland auf eine in ihren Milieus leider verbreitete Weise deutscher Staatsbürger, um ihre kriminellen, mehr oder minder ernsthaft politisch verbrämten Ziele durchzusetzen.

Nicht die Abwehr des Staatsnotstands muß also im Vordergrund stehen, sondern die Fürsorgepflicht für in Not geratene deutsche Staatsbürger.

Die hat die Verantwortlichen bei früheren Entführungen ohne großes Zögern zum Lösegeld-Scheckbuch greifen lassen. Der Fall Osthoff geriet so zur Mehrfach-Panne: Nicht nur, daß bald Zweifel an der Ernsthaftigkeit einer Entführung auftauchten, bei der das „befreite“ Opfer selbst bündelweise Lösegeld in der Tasche trug, auch um Diskretion bemühte sich am Ende kaum noch jemand. Bei der Entführung zweier sächsischer Ingenieure gab es ebenfalls zu viele undichte Stellen. Seither droht jedem, der mit Entführern verhandelt, die „Osthoff-Falle“.

Insider glauben deshalb nicht so recht daran, daß die plötzlich bekundete Abstinenz vom Schnellheilmittel Lösegeldzahlung tatsächlich eine Kehrtwende der deutschen Politik bedeutet. Er habe eher den Eindruck, daß die Öffentlichkeitsarbeit professioneller geworden sei, meint ein Sicherheitsexperte; wenn sich eine Chance biete, werde man auch diesmal wieder zahlen – diskreter als bisher, versteht sich. Man könne gar nicht mehr anders, erst recht nicht im Falle Sinan Krause; zu verheerend wäre der Anschein, die Bundesdeutschen hole man heraus, aber einen Halb-Iraker lasse man hängen.

Zugeben darf man das freilich nicht. Dabei spielen fraglos auch die Erwartungen der Verbündeten eine Rolle. Die USA und Israel lehnen Verhandlungen mit Entführern als Zeichen von Schwäche prinzipiell ab. Problematisch erscheint nicht nur, daß erfolgreiche Lösegeldzahlungen Nachahmer ermuntern und zur Etablierung einer regelrechten „Entführungs-Industrie“ mit Fokus auf europäische Opfer mit solventen Regierungen im Hintergrund führen können. Mit dem Geld, das so in die Hände mehr oder minder politisierter krimineller Gruppen gelangt, können neue Waffen gekauft und weitere Aktionen finanziert werden, wie die Taliban nach dem Freikauf der südkoreanischen Geiseln im August hämisch verkündet haben. So könnten deutsche Isaf-Soldaten mit deutschem Geld zur Zielscheibe werden.

Verzichtet man auf einen Freikauf, auf den letztlich jede „Verhandlungslösung“ hinausläuft, bleibt als aussichtsreiche Option nur die gewaltsame Befreiung. Das kann durch einheimische Sicherheitskräfte erfolgen, wie im Fall der Befreiung einer Deutschen Anfang August in Kabul durch afghanische Polizisten, durch US-Truppen oder aber in eigener Regie – etwa nach dem Vorbild der GSG 9.

Eigene militärische Aktionen der Bundesrepublik Deutschland zur Befreiung deutscher Geiseln kommen, wenn überhaupt, nur in Afghanistan in Frage; im Irak hat man sich jedes bewaffnete Engagement versagt. Selbstverständlich, meinen Sicherheitsexperten, hoffe man auf die Unterstützung der Amerikaner, wenn diese entsprechende Hinweise hätten. Die erwartbare Einforderung künftiger Gegenleistungen mag eine gewisse Skepsis begründen; ausschließen wollen Insider gleichwohl nichts. „Alle, die sich damit befassen, machen sich über diese Optionen Gedanken“, urteilt ein Sicherheitsfachmann. Auch die Überlegung, die Dienste einer privaten Sicherheitsfirma in Anspruch zu nehmen, ist hinter verschlossenen Türen nicht tabu. So manche Lösegeld-Million wäre in einem solchen Engagement wohl besser und effektiver angelegt.

Foto: Fast vergessen: Nur sporadisch veröffentlichte unscharfe Videos erinnern an die deutsche Geisel Rudolf B.


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