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29.09.07 / Unabhängigkeit nicht mehr auf der Tagesordnung / Deutscher Botschafter in London: Kosovo-Politikern die Flausen austreiben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Unabhängigkeit nicht mehr auf der Tagesordnung
Deutscher Botschafter in London: Kosovo-Politikern die Flausen austreiben
von Wolf Oschlies

Botschafter erklärt: Unabhängigkeit des Kosovo ist nicht mehr auf der Tagesordnung“, überschrieb vergangene Woche „The Independent“ einen Bericht. Der EU-Vertreter in der Balkan-Troika, der deutsche Botschafter in London, Wolfgang Ischinger, hatte undiplomatisch Klartext gesprochen. Angesichts der sogenannten „Balkan-Troika“ am 28. September – hier wollen die USA, Rußland, EU nochmals versuchen, Serben und Kosovo-Albaner zu einer einvernehmlichen Lösung zu bringen – eine Sensationsmeldung.

Ischinger hatte die aktuelle Kosovo-Debatte als Etikettenschwindel bezeichnet, der eine realistische Lösung verhindere. Realismus aber hieße, den Kosovo-Politikern, die mehrheitlich aus der terroristischen UCK stammen, die Flausen auszutreiben. Oder mit Ischingers Worten: „Ein Etikett taugt nichts. Woher wollen die Kosovaren ihr Geld beziehen? Sie sind weiterhin auf fremde Hilfe angewiesen. Ich will die Frage der Unabhängigkeit offen lassen und eher über einen streng überwachten Status des Kosovo reden.“

Schon Anfang August hatte Ischinger realistische Einsicht in Notwendigkeiten bewiesen: Was soll das kosovarische Insistieren auf Unabhängigkeit (fragte er damals), wenn die Kosovaren nie die Kontrolle über Mirtrovica und andere von Serben kompakt besiedelte Regionen des Kosovo gewinnen werden? Da bleibt nur eine Teilung des Kosovo. Jetzt legte er mit mildem Zynismus nach: „Serben und Albaner sind etwas von ihren Etiketten abgekommen. Unabhängigkeit versus Autonomie ist ein unüberbrückbarer Zwiespalt. Also bleibt nur die internationale Überwachung.“

Der „Independent“ weiter: „Die internationale Gemeinschaft rückt von ihrer klaren Unterstützung der Unabhängigkeit des Kosovo ab.“ Diese „klare Unterstützung“ hatte bisher England fast allein erwiesen, und wenn die Briten nun Ischinger desavouieren wollten, dann liefen sie in die Irre. Der Botschafter hat keine „große Lippe riskiert“, vielmehr das geäußert, was die Europäer wollen und die Amerikaner ärgert. Die USA haben sich im Kosovo mit ihrem riesigen Militärlager Camp Bondsteel, von wo sie Erdölleitungen und terroristische Aktivitäten im Kaukasus und in Nahost kontrollieren, festgesetzt und offerieren als Gegenleistungen den Kosovaren die Unabhängigkeit. So sagte es Präsident Bush während seines Albanienbesuchs im Juni 2007. Das begeisterte die Albaner und verärgerte die EU, die die 25 Milliarden Euro zahlen muß, welche der Unterhalt des ökonomisch und politisch verwüsteten Kosovo jährlich kostet. Das hat Ischinger auf den Punkt gebracht und damit EU-interne Unstimmigkeiten, wie mit dem Kosovo denn zu verfahren ist, ausgeräumt: Wer die Musik zahlt, bestimmt, was sie spielt, und die Noten für Unabhängigkeit liegen nicht mehr auf dem Pult!

Das alles kam so unerwartet, daß in London vor allem die Albaner düpiert waren. Premier Ceku gab sich flapsig: „Ischinger hat ja recht, die Unabhängigkeit ist in der Tat vom Tisch, weil sie längst in unserem Sinne entschieden ist.“ Präsident Sejdiu war grundsätzlicher: Ischinger solle seine Aussagen erklären, denn für die Kosovaren sei die Unabhängigkeit nicht nur nicht vom Tisch, vielmehr „das A und O unserer Verhandlungsstrategie“ – über die Unabhängigkeit würde nicht mehr geredet, nur noch „über technische Details“. Erfreut waren hingegen die Serben, die Ischingers Aussage als westliches Eingehen auf die russische Linie sahen. Diese hatte am selben Tag Putins Serbien-Beauftragter Georgi Poltaw einer Belgrader Regierungsdelegation in Moskau nochmals bestätigt: „Eine Regelung für das Kosovo kann nur im Rahmen des Völkerrechts gefunden werden und sie muß für beide Seiten akzeptabel sein.“

Respekt vor dem Deutschen Ischinger – und Mitleid mit dem Deutschen Joachim Rücker. Dieser ehemalige Bürgermeister aus der schwäbischen Provinz ist seit einem Jahr Chef der UNMIK, der UN-Übergangsverwaltung des Kosovo. Nach seinen Artikeln und Interviews im UNMIK-Blatt „Focus Kosovo“ eilt er seit zwölf Monaten von Erfolg zu Erfolg. Aber das ist nur euphemistische Schönrederei einer von Anfang verfahrenen Lage. Seit 1999 hat die internationale Gemeinschaft den Kosovo-Albanern eingeredet, nur zu ihrer „Befreiung“ von „serbischen Unterdrückern“ in der Region zu sein – was diese als Rechtfertigung des Terrors der UCK und ihrer „Kampfziele“ auffaßten, ein „souveränes Kosovo“ als Kern eines „ethnisch reinen Groß-Albaniens“ zu erbomben. Die Resolution 1244 hatte für sie nie Bedeutung, ihre Taten haben das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und die OSZE in zehn Lageberichten dokumentiert: Das Kosovo ist seit 1999 ein Hort von „ethnisch motivierter Gewalt“ und international organisiertem Waffen-, Drogen- und Menschenhandel.

Rückers Vorgänger Michael Steiner, 2002/03 UNMIK-Chef, versuchte vergeblich, die Kosovaren auf die Linie „Standards vor Status“ zu verpflichten, also ihre Region zu ordnen und rechtsstaatlich zu sichern, bevor man über deren „finalen Status“ reden könne. Selbst UN-Generalsekretär Kofi Annan hat bis zum Ende seiner Amtszeit beklagt, daß das Kosovo „keinen einzigen internationalen Standard“ erfüllt habe.

Die Resolution 1244 beabsichtigte ein befriedetes, demilitarisiertes, multiethnisches Kosovo, aber heraus kam ein waffenstarrendes UCK-Land, aus dem 300000 Nichtalbaner vertrieben, zirka 2000 ermordet wurden und dessen kriegsbereite Aggressivität ganz Südosteuropa bedroht. „Heute ist alles, was mit der UN-Resolution 1244 erreicht werden konnte, auch erreicht worden“, behauptete Rücker in der jüngsten Ausgabe von „Focus Kosovo“. Ein lachhafter Befund, der nur in infantiler Rechthaberei gegen gewichtigere Urteile erhoben wurde. Bereits 2005 befand die „Internationale Balkankommission“ – eine Gemeinschaft, europäischer Staatsmänner und Ex-Staatspräsidenten, darunter der Deutsche Richard von Weizsäcker und der Mazedone Kiro Gligorov – zu Recht: „Dem Kosovo läuft die Zeit davon. Es ist klar, daß die internationale Gemeinschaft keinen Erfolg mit ihren Bemühungen hatte, dieser Provinz Sicherheit und Entwicklung zu verschaffen. Es gibt kein multiethnisches Kosovo, ausgenommen in den bürokratischen Einschätzungen der internationalen Gemeinschaft.“

Wie geht es weiter? Am 28. September soll in New York eine neue Gesprächsrunde zwischen Serben und Albanern beginnen – deren Sinnlosigkeit Botschafter Ischinger schon im Vorfeld herausgestellt hat. Am 10. Dezember soll die Balkan-Troika UN-Generalsekretär Ban Ki Moon berichten, ob ein Kompromiß gefunden wurde. Geht es nach den Albanern, dann wird er nicht gefunden, wie Premier Agim Ceku erklärte: „Die Unabhängigkeit steht nicht zu Debatte, meine Regierung wird sie noch in diesem Jahr ausrufen ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen.“ In Belgrad empfand man das „als übliche Rauchbombe, wie die Kosovaren sie seit Jahren werfen“, weiß aber auch um potentielle Risiken: Die Kosovo-Regierung kann, wie schon im März 2004, die albanische Bevölkerung zu Pogromen gegen Nicht-Albaner aufhetzen, die für den 17. November anberaumten Wahlen können ein Vorwand für neue Gewalttaten sein und die USA haben ziemlich offen erklärt, daß sie eine einseitige Unabhängigkeitserklärung der Kosovaren diplomatisch anerkennen wollen.


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