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29.09.07 / »Freiheit findet man nur in sich« / Veronica Ferres über ihren neuen Film »Die Frau vom Checkpoint Charlie« und ihren Beruf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

»Freiheit findet man nur in sich«
Veronica Ferres über ihren neuen Film »Die Frau vom Checkpoint Charlie« und ihren Beruf
von Johannes Bonke

Zu Beginn ihrer Karriere besetzte man Veronica Ferres meist als dralle Blondine, doch in den letzten 20 Jahren stieg die 42jährige dank zahlreicher Charakterrollen in die erste Riege der deutschen Schauspielerinnen auf. Nun spielt sie in dem TV-Zweiteiler „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ eine Mutter, die nach einem gescheiterten Fluchtversuch von den DDR-Behörden inhaftiert wird und nach dem Freikauf durch die Bundesrepublik Deutschland einen verzweifelten Kampf um ihre zurückgebliebenen Kinder beginnt. In Hamburg unterhielten wir uns mit Veronica Ferres über starke Frauen, Machtmißbrauch und inneren Frieden.

Frau Ferres, in „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ verschwinden Sie als Person gänzlich hinter der Rolle einer starken Frau, die für ihre Kinder kämpft. Sie tragen kurze Haare und treten im Vergleich zu Ihren anderen Rollen auch sehr viel unglamouröser auf. Was entspricht eher Ihrer Person: Die normale Mutter oder die Ferres in eleganter Abendgarderobe mit auftoupierten Haaren?

Veronica Ferres: Ganz klar die normale Mutter. Aber die Verwandlung gehört natürlich zu meinem Beruf dazu. Ich finde es bei meiner Arbeit das Schönste, wenn man einen Regisseur findet, dem man sich als Schauspielerin im besten Sinne des Wortes hingeben kann. Jemand, bei man sich alles trauen kann, bei dem alles erlaubt ist, auch Fehler. Als Schauspielerin habe ich so eine viel größere Bandbreite an Möglichkeiten, als wenn ich mit jemandem arbeiten muß, der keine Vision hat oder geschweige denn weiß, worauf er am Ende hinauswill. Wenn das der Fall ist, passe ich auf, mache zu. Wenn ich aber jemanden habe, dem ich mich im positiven Sinne ausliefern kann, ist das ein Traum.

Wie viel Überwindung hat Sie der Kurzhaarschnitt gekostet?

Ferres: Gar keine, denn es war meine persönliche Entscheidung. Der Kurzhaarschnitt war für mich einfach ein unglaublich kraftvolles Bild dafür, wie diese Frauen in Haft ihrer Würde und Weiblichkeit beraubt wurden. Ein kahlrasierter Schädel, zu dem man gezwungen wird, ist für eine Frau wie eine Kastration. Es sagt mehr als viele Zeilen Dialog.

Inwieweit müssen bei einer Rolle Berührungspunkte vorhanden sein, damit Sie sich beim Spiel wohl fühlen?

Ferres: Gar nicht. Wenn mich eine Rolle wirklich interessiert, kann ich diese Berührungspunkte ja erarbeiten. Es ist der Prozeß eines jeden guten Schauspielers, daß man sich selbst hinten anstellt. Es ist wie bei einem vollen Gefäß, bei dem man den Hahn so lange aufmacht, bis der ganze Inhalt heraus geflossen ist und man es mit etwas Neuem wieder auffüllt. Die Person Veronica Ferres gibt es in diesem Moment für mich nicht mehr.

Haben Sie Jutta Gallus, die „echte“ Frau vom Checkpoint Charlie, vor den Dreharbeiten getroffen?

Ferres: Ja, allerdings in einem sehr frühen Stadium. Es war rückblickend auch wichtig, sie vorher zu treffen. Als ich gemerkt habe, daß sie eine sehr offene Person ist, habe ich ihr relativ schnell sehr direkte und intime Fragen gestellt. Fragen, die ich sonst nur einem Menschen stelle, den ich seit Jahren gut kenne. Da ich aber Roman und Drehbuch sehr gut kannte, war sie mir ja bereits sehr nah. Ich hatte viele Fragen, die für mich wichtig waren – und sie hatte die Offenheit, sie mir zu beantworten. Dabei hatten wir aber so intime Momente unter vier Augen, daß ich den genauen Inhalt des Gesprächs niemals an Dritte weitergeben würde.

Sie haben Jutta Gallus intime Fragen gestellt, weil Sie die Dame aus Büchern zu kennen glaubten. Sind diese vorschnellen Schlußfolgerungen von Fans und Presse auch etwas, mit dem Sie als prominente Person zu kämpfen haben?

Ferres: Ja natürlich. Das öffentliche Image ist ein Bild, das die Allgemeinheit von mir hat. Bei einigen ist es differenzierter, bei anderen eher einfach gestrickt. Es hat auch immer mit der jeweiligen Person zu tun, wie sie hinsieht beziehungsweise was sie überhaupt bemerken will. So wie ich wirklich bin, kennen mich sicherlich nur die Menschen, die tagtäglich mit mir leben. Der Zuschauer kennt dieses Leben nicht.

Marlene Dietrich soll einmal gesagt haben: Es ist entspannend, Marlene zu sein, aber die Dietrich zu geben, das ist unglaublich schwer. Wie schwer fällt es Ihnen, die Ferres zu sein?

Ferres: Ich mache mir nicht so viele Gedanken darüber. Ich lebe mein Leben und bin jeden Tag sehr glücklich und dankbar, daß ich gesund bin und auf der Welt sein darf. Ich habe ja auch das große Glück, daß ich seit einigen Jahren Rollen spielen darf, die ich immer spielen wollte. Rollen, die auch eine humanistische Haltung zeigen. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben angekommen, an dem ich meinen Einfluß nutzen kann, um Filme möglich zu machen, die sich für Menschenrechte einsetzen. „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ thematisiert aus diesem Blickwinkel etwa, was mit Menschen passiert, wenn ein brutales, diktatorisches Regime die Rechte und die menschliche Würde verletzt und versucht, Bürger zu zerstören und für ihre Zwecke zu mißbrauchen. Solche Rollen sind für mich eine große, künstlerische Erfüllung.

In „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ fällt in diesem Zusammenhang ja ein sehr interessanter Satz: „Sagt mir einen Ort, an dem man frei und unabhängig leben kann.“

Ferres: Und ich antworte: „Vielleicht gibt es diesen Ort gar nicht. Aber man muß ihn zumindest suchen.“

Haben Sie in Deutschland für sich persönlich diesen Ort gefunden?

Ferres: Diesen Ort kann man letztendlich nur in sich selbst finden. Wenn man ihn wirklich außerhalb von sich finden will, hat das nichts mit einem Ort zu tun, sondern eher mit den gegebenen Umständen: Lebt man in einer Demokratie? Sind die Menschenrechte im Grundgesetz verankert? Leben die Menschen nach moralischen Prinzipien?

Sind solche Voraussetzungen gegeben, kann man diesen Ort überall finden. Auf Hawaii, den Seychellen, in Augsburg, auf Langeoog oder in Solingen. Die Erfüllung und Zufriedenheit hat mit der eigenen Innenwelt zu tun. Erst dann ist man frei und glücklich.

 

Foto: Ein deutsches Schicksal: In „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ (30. September und 1. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) spielt Veronica Ferres Jutta Gallus, die im geteilten Berlin sechs Jahre lang um ihre Kinder kämpfte.


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