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29.09.07 / Zeit der Entrechtung / Ermländer berichtet über seine Erlebnisse vor und nach dem Zweiten Weltkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Zeit der Entrechtung
Ermländer berichtet über seine Erlebnisse vor und nach dem Zweiten Weltkrieg

Na, welcher Verlag hat sich einen potentiellen Bucherfolg entgehen lassen? Oder haben sich Verlage vom (scheinbar) abweisenden Charakter des Manuskripts abschrecken lassen. Der (Ober-)Titel mutet wie die Überschrift einer geographischen Studie an. Aber wer kennt, wen interessiert schon ein „südliches Ermland“, zumal der Autor „vergaß“, seinen zahlreichen und durchweg aufschlußreichen Illustrationen eine simple Karte des Ermlands hinzuzufügen. Er tat es nicht, wohl davon überzeugt, daß Ermland (mindestens) so bekannt sei wie England, Estland, Finnland oder welches Land auch immer.

Wer aus solchen Überlegungen heraus dieses Buch übersieht, der verpaßt etwas. Fox’ Ausführungen sind von mehrfachem Wert: Eine Autobiographie, die ein schieres Lesevergnügen ist, eine Familiensaga, die sich wie eine Mustergalerie ostpreußischer „Typen“ ausnimmt, eine Regionalchronik von Land und Leuten, die nachdenklich macht und Sehnsucht nach Verlorenem erregt, vor allem aber sprachlich-psychische Inneneinsichten in ein Phänomen, das früher „schwebendes Volkstum“ genannt wurde. „Obwohl Ostpreußen und damit auch das Ermland bis 1945 zum Deutschen Reich gehörten, haben die Alt-Wartenburger sowie die Bewohner des südlichen Ermlands die deutschen Gebiete außerhalb Ostpreußens stets mit einer gewissen Hochachtung als das Reich bezeichnet ... Diese Bezeichnung benutzten sie auch nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich in den 1950er Jahren die ersten Ermländer um die Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland bemühten“, schreibt Ulrich Fox.

Ulrich Fox berichtet in sehr persönlichem, leserfreundlichen Stil persönliche Dinge, die symptomatisch für bewegte Jahre im Osten Deutschlands waren, tritt als akribischer Chronist auf, sieht und schildert sich und die Seinen als Teile des „über viele Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, friedliche(n) Nebeneinander(s) der polnisch- und der deutschsprechenden Gemeindemitglieder“, beschreibt die Vergeblichkeit jedweder „Zuordnung zum Polen- bzw. Deutschtum“ in seiner Heimat.

Das Buch beginnt mit Kindheitserinnerungen an den Sommer 1941, „das Durchziehen des endlosen Zuges von Wehrmachtsangehörigen“, also den Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion.

Fox’ Buch umfaßt knapp 240 Seiten, von denen über 200 Seiten Ereignisse aus der Zeit nach dem Krieg behandeln. Damals erlebten die Ermländer etwas, das in vergleichbarer Form nur den Karpatendeutschen der Slowakei widerfahren ist. Die waren überzeugt, daß niemand ihnen übel wollte und sie in aller Ruhe daheim bleiben oder bald heimkehren könnten. Zehntausende taten es, um dann das volle Ausmaß von Entrechtung, Benesch-Dekreten, Vertreibung, Diskriminierung durchleiden zu müssen. Zumindest die  zukunftssichere Naivität zur Stunde Null war auch den Ermländern zueigen.

Trotzdem hat Fox nicht „versagt“, war jahrelang Gastprofessor in Polen, arbeitete ehrenamtlich an KZ-Gedenkstätten mit und ist ein ehrlicher Mittler zwischen seiner neuen Heimat und dem Land seiner Kindheit und Jugend geblieben. Details in diesem Buch, dem viele interessierte Leser zu wünschen sind. Wolf Oschlies

Ulrich Fox: „Südliches Ermland – Aufwachsen, Weggehen“, Selbstverlag, 237 Seiten, Prof. Dipl.-Ing. Ulrich Fox, Am Glockenbusch 11, 33106 Paderborn


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