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29.09.07 / Endlich mal die Opfer hören / Die RAF aus Sicht der Familien Ponto, Mirbach und Schleyer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Endlich mal die Opfer hören
Die RAF aus Sicht der Familien Ponto, Mirbach und Schleyer

Es gibt eigentlich schon genug Bücher über die Rote Armee Fraktion (RAF). Aus Anlaß der entsprechenden Jahrestage erinnern die großen Hamburger Medienhäuser gern an den sogenannten „Deutschen Herbst“, wie es so falsch und verniedlichend heißt. Es überkommt einen der Brechreiz, wenn man der fleischgewordenen Larmoyanz der damaligen Täter ins Gesicht schaut, die den Staat um Gnade anwinseln und um frühere Haftentlassung betteln. Diese Terroristen haben keine Ehre im Leib, von sichtbarer Reue ganz zu schweigen. Wer es ganz besonders geschickt anstellt, der kassiert noch Knete vom Staat, weil er sich als „Experte“ zur Verfügung stellt, und in Fernsehdokumentationen seine Sicht der Ereignisse, die vor 30 oder 40 Jahren abliefen, schildert.

Wer etwas Neues erfahren will, wer nicht immer nur die Täter, sondern endlich einmal die Opfer des Linksterrorismus und ihre Angehörigen ins Visier nehmen will, sollte unbedingt zu Anne Siemens beeindruckendem Buch „Für die RAF war er das System, für mich der Vater“ greifen. Es ist ein notwendiges Buch, keine leichte Lektüre, manchmal brennen einem beim Lesen die Tränen in den Augen. Insbesondere die jungen Leser, die von dem Linksterrorismus, der dieses Land in eine tiefe Krise stürzte, nichts mehr wissen, sollten es lesen. Der Rezensent, wie die Autorin Anfang der 70er Jahre geboren, kennt die RAF-Bande noch von den Fahndungsfotos, die in jeder Sparkasse aushingen.

Das Buch ist gut geschrieben. Die Autorin arbeitet als Journalistin. Das merkt man ihrem Stil an, der sich wohltuend von dem gestochenen Akademikerjargon oder den Selbstbeweihräucherungen der linken Sympathisanten, Mitläufer und Zeitzeugen abhebt. Außerdem bestechen die Interviews mit den Hinterbliebenen aus den Familien von Mirbach, Hillegaart, Ponto, Schleyer und von Braunmühl ebenso wie die der damaligen Entführungsopfer der „Landshut“ durch ihre Authentizität. Ergänzt wird der Band durch ein Interview mit dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Einleitend beschreibt Siemens auf knapp 30 Seiten die Geschichte der RAF, die in den 28 Jahren ihres „bewaffneten Kampfes“ 34 Menschen getötet hat. Hinzu kamen viele Menschen, die durch den Terror an Leib und Seele verletzt wurden, 500 Millionen Mark Sachschaden, 31 Banküberfälle mit einer Beute von sieben Millionen Mark, 180 gestohlene Pkw und so weiter. Diese nüchterne Aufzählung zeigt mehr als alle moralische Empörung: Die Angehörigen der RAF waren „ganz normale“ Kriminelle, Diebe und Mörder, die sich ein politisches Deckmäntelchen umhängten oder von ihren Sympathisanten in der Medien- und Intellektuellenszene umhängen ließen.

Die Zeugnisse, die in diesem Buch zusammengefaßt sind, erschüttern. Die Ermordeten waren eben nicht anonyme Mitglieder eines „Schweinesystems“, sondern liebevolle Eltern, gute Christen, Personen, die sich kritisch mit der NS-Vergangenheit auseinandergesetzt hatten und durchaus bereit waren, mit ihren Gegnern zu diskutieren. Sie lehnten nur eines entschieden als Mittel der Politik ab: Gewalt. Entscheidend auch: Ihre Nachkommen wollen keine Rache, sondern nur Gerechtigkeit. Es muß schwer für sie zu ertragen sein, daß einige ehemalige Terroristen heute in den Medien herumgereicht werden.

Andreas von Mirbach hieß ein Todesopfer beim Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm. Nachdem die Terroristen den Militärattaché von hinten mit fünf Schüssen in Kopf, Rücken, Becken

und Beine niedergestreckt hatten, warfen sie den noch Lebenden mit dem Kopf voran die Treppe herunter. Dort lag er dann schwer röchelnd auf den Treppenstufen, bis er endlich nach einer Stunde von zwei nur mit Unterhosen bekleideten schwedischen Beamten geborgen werden konnte. Die Rettung kam jedoch zu spät. Es sind genau diese Mörder, die heute wehleidig frühzeitige Begnadigungen vom deutschen Staat erhoffen. Was unterscheidet eigentlich einen RAF-Terroristen von einem SS-Mann, der auf Befehl Juden erschießt?         Ansgar Lange

Anne Siemens: „Für die RAF war er das System, für mich der Vater – Die andere Geschichte des deutschen Terrorismus“, Piper-Verlag, München-Zürich 2007, 287 Seiten, 19,90 Euro. Best.-Nr. 6370


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