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29.09.07 / Die sündige Schwester der Königin / Friederike von Preußen galt als das negative Gegenstück zu Luise – Sogar ein Kindesmord wurde ihr angedichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Die sündige Schwester der Königin
Friederike von Preußen galt als das negative Gegenstück zu Luise – Sogar ein Kindesmord wurde ihr angedichtet
von Rebecca Bellano

Sie soll die „galanteste Löwin des Jahrhunderts“ gewesen sein. Der Ruf von Friederike von Preußen, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz (1774–1841), war nicht gerade der beste. Die jüngere Schwester der für ihre Tugendhaftigkeit beliebten Königin Luise von Preußen war skandalumwittert. Neben zahlreichen Liebschaften wurde ihr sogar nachgesagt, sie habe ihr eigenes, unehelich gezeugtes Kind ausgesetzt oder gar umgebracht. Gleichzeitig hat diese doch eigentlich als „Sünderin“ Verfemte so liebevolle Briefe an ihre Schwester Luise geschrieben und Briefe mit ähnlicher Herzenswärme zurückerhalten. Kann die sittsame Luise eine Kindesmörderin so sehr geliebt haben? Unwahrscheinlich! Da die beiden Schwestern alle Erfahrungen und Gefühle miteinander teilten – davon zeugen unzählige erhalten gebliebene Briefe –, hätte Luise ihre Schwester, wäre sie so gewesen, wie in der Öffentlichkeit präsentiert, nicht dermaßen lieben können, da sie dann allem widersprochen hätte, für das Luise selber stand.

Carolin Philipps, Autorin mehrerer Biographien, ist durch Zufall über die historische Figur Friederike von Preußen „gestolpert“. All die Widersprüche, die ihr dabei begegneten, machten sie neugierig. Und so begab sie sich eher so zum Spaß an der Freude in ein Archiv in Pattensen.

„Aktendeckel an Aktendeckel, Bindfaden an Bindfaden. Doch dann entdecke ich ganz unten auf dem Wagen eine Schachtel. Endlich keine Akte! Vorsichtig öffne ich sie. Sie ist gefüllt mit kleinen, aus vergilbtem Schreibpapier gefalteten Briefchen. Ich falte eins nach dem anderen auseinander. Im ersten finde ich eine blonde Locke. Auf der Innenseite des Papiers steht in Friederikes Handschrift: ,Locke von Georgs Vorderhaar, an seinem 10. Geburtstag.‘ Ein leichtes Gruseln überfällt mich. Die Haare sehen frisch aus, als hätte man sie gerade abgeschnitten. Es ist ein Unterschied, ob man einen Brief liest, der vor 150 Jahren geschrieben wurde, oder eine Locke in der Hand hält, die eine Mutter ihrem Sohn zur Erinnerung an seinen Geburtstag abgeschnitten hat.“ Carolin Phillips, die selber mehrfache Mutter ist, hielt die Kinderlocken in der Hand und war sich von nun an sicher, daß eine Frau, welche die Locken ihrer Kinder mit derartiger Akribie archiviert, nicht zur Kindsmörderin werden kann. Und so begann für die Historikerin die Suche nach Beweisen, die Friederike entlasten könnten. Das Ergebnis: „Nach 150 Jahren wiederentdeckt: die geheimen Briefe um Friederike von Preußen.“

Spannend wie in einem Krimi wechselt die Autorin in ihrem nun herausgekommenen Buch „Friederike von Preußen – Die leidenschaftliche Schwester der Königin Luise“ zwischen Berichten über ihre Recherchen und der Nacherzählung des Lebens Friederikes.

„,… nichts macht mich doch so glücklich als wie meine Kinderchen, und o Gott, wenn ich in der Ehe so alle Vergnügungen genösse, die ich haben könnte, so wäre es ein himmlisches Leben …’ Als Friederike diesen Brief schrieb, war sie 18 Jahre alt, dreifache Mutter – und ihr Ehemann bereitete ihr alles andere als ein himmlisches Leben.“ Dabei hatte alles so gut angefangen, als sie und ihre Schwester Luise mit den beiden ältesten Söhnen des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II. verheiratet wurden. Die beiden Schwestern konnten zusammen bleiben, das war für sie das wichtigste. Luises Gatte, der zugegeben etwas spröde Kronprinz, gab sich jedoch mit überraschender Hingabe seiner Brautwerbung hin, so daß zumindest Luise auf eine gute Ehe hoffen durfte. Sein jüngerer Bruder Friedrich Ludwig von Preußen zeigte sich da weniger engagiert, doch wenn er da war, überzeugte er mit seinem – im Gegensatz zu seinem Bruder – ihm eigenen Witz und Charme. Doch schon kurz nach der Eheschließung wandte er sich wieder seiner langjährigen, für eine Ehe nicht standesgemäßen Mätresse zu. „Ich habe immer das Glück gesucht und ersehnt zu lieben und geliebt zu werden“, schrieb die 21jährige Friederike 1799, als sie wieder dachte, sie hätte nun ihr Glück gewunden. Denn mit nur 18 Jahren wurde Friederike schon zur Witwe. Nachdem der sie nicht lieben wollende Gatte einer Krankheit erlegen war, folgte eine Zeit, die Friederike den Ruf der Sünderin einbrachte. Als sich auf einer Kur sogar zwei Männer ihretwegen duellieren wollten, war ihr Ruf ruiniert. Doch Luise änderte ihre Haltung gegenüber ihrer jüngeren Schwester auch jetzt nicht. Schon 1796 hatte sie geschrieben: „… ich habe nichts als Gutes von der guten Ika zu sagen … Friederike ist immer das liebe sanfte Geschöpf.“ Als ihre Schwester später in Not geriet, hielt Luise zu ihr, auch wenn die Autorin Carolin Philipps davon überzeugt ist, daß Friederike sich bewußt von ihrer Jugendliebe, dem Prinzen Friedrich von Solms-Braunfels, hat schwängern lassen. Ihn wollte sie heiraten. Er aber war  für sie, eine Preußenprinzessin, was sie ja nun durch ihre erste Ehe war, und als Schwester der zukünftigen Königin Luise nicht standesgemäß. Als einzige Lösung sah sie nur, schwanger zu werden. So wollte sie die Verehelichung erpressen. Um dieses Kind ranken sich nun eben jene Gerüchte, die bis zum Kindesmord reichen.

Was genau damals geschah, entdeckte die Autorin in einem Archiv. „Vorsichtig schaue ich mich um. Dann öffne ich behutsam den Umschlag. Heraus kommen … Briefe. Alle geschrieben im Monat Januar 1799. Luises Handschrift, die von Friederike … Meine Hände zittern, denn mir wird schlagartig bewußt, daß ich hier mit diesen Briefen die Wahrheit über die Ereignisse des Jahres 1799 in der Hand halte.“ Und so schrieb Luise an ihren und Friederikes Vater: „Die Heirat ist erst kürzlich geschehen von einem vereidigten Prediger, der ewiges Stillschweigen schwor und eine Pension bekömmt.“ Und weiter: „An eine heimliche Niederkunft war nicht zu denken, besonders da alle Welt außer ich Verdacht auf sie hatten.“ Außerdem, was sollte mit dem Kind geschehen, das, laut Luise, „so gut ihr Kind ist als die andern, die sie hat?“. Zugegeben, Luise war offenbar von der Schwangerschaft ihrer Schwester überrumpelt worden, doch sie hat die Lage ihrer Schwester verstanden und das Kind akzeptiert. Auch Luises Mann, Vater Karl und später Lieblings-Bruder Georg fanden sich mit der Situation ab, ohne Friederike deswegen zu verstoßen. Warum hätte sie dann ihr Kind „entsorgen“ sollen, wo es doch von der Familie akzeptiert wurde?

Die Autorin schildert Friederikes einsame Jahre im Ansbacher Exil, denn auch wenn der König sie finanziell abgesichert hatte, so war sie bei Hofe nicht mehr tragbar. Außerdem mußte sie ihren ältesten Sohn in Berlin lassen, wo er eine Prinzen-Erziehung erhalten sollte. Auch Tochter Friederike durfte nur die ersten Jahre mit nach Ansbach, wo laut Kirchenunterlagen außer dem Kind der Liebe, der am 27. Februar 1799 geborenen und bereits im Oktober desselben Jahres wieder verstorbenen Caroline, noch drei weitere Kinder Friederikes geboren wurden.

Erst der Krieg gegen Napoleon bringt wieder Bewegung in Friederikes Leben. Sie darf zurück zu ihrer Schwester und geht auch gemeinsam mit ihr auf die Flucht nach Ostpreußen. In Königsberg schart sie eine Gruppe Intellektueller um sich und integriert sich in die dortige Gesellschaft. Doch ihr depressiver Mann, der beim Militär ist, sieht sich nicht in der Lage, gegen Napoleon, den er bewundert und daraus auch kein Geheimnis macht, zu kämpfen. Friedrich von Solms-Braunsfels, der Mann, für den sie ihren Ruf geopfert hat, erweist sich als kränklicher Schwächling, den sie von ihrem Unterhalt durchfüttern muß.

Friederike, die die gemeinsame Zeit mit ihrer Schwester 1807 im Königsberger Exil und 1809, nach der von Napoleon erlaubten Rückkehr nach Berlin, durchaus genossen hat, muß jetzt wieder auf räumliche Distanz gehen, da man ihren Mann in Berlin nicht sehen will. Doch dann das Schlimmste: „Wie soll ich Ihnen sagen alles, was Ihr lieber teilnehmender Brief mich empfinden ließ. Mein Herz ist so tief verwundet, mein ganzes Gemüt gewaltig erschüttert … Sie, die geliebteste, die Gefährtin meiner Jugend und meiner Kinderjahre sterben zu sehen! Dies erwartete ich nicht von Vaterhand dort oben, …“, schreibt die Preußenprinzessin an den Kriegsrat Scheffler über den Tod ihrer Schwester Luise.

Doch Friederike findet auch jetzt keinen Seelenfrieden. Es folgen die Scheidung vom Prinzen Solms-Braunfels und eine neue Ehe, die jedoch mit Demütigungen und dreijähriger Trennung von ihren Kindern verbunden ist. Zwar ist die Liebe, die sie und Ernst August, Herzog von Cumberland, miteinander verbindet, von einer reifen Tiefe, doch seiner Mutter, Queen Charlotte von England, einer geborenen Mecklenburg-Strelitz, also Friederikes Tante, paßt die Auserwählte ihres Sohnes nicht. Gerüchte über Friederike erreichen die Queen erst nach der Eheschließung, so daß sie der Nichte nur noch die Anerkennung verweigern kann. Das bedeutet, Verbannung vom Hof und Verweigerung jeglicher finanzieller Mittel. Wieder muß Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. einspringen.

Und auch nach dem Tod der Queen und Anerkennung am englischen Hofe, inzwischen ist Friederike selbst Königin von Hannover, nehmen die Schicksalsschläge kein Ende. Ihr einziger Sohn mit Ernst August, Kronprinz Georg, erblindet nach langer Augenerkrankung. Auch ihre eigene Gesundheit ist über Jahre schwer angegriffen bis sie 1841 – 31 Jahre nach ihrer geliebten Schwester Luise – stirbt.

Carolin Philipps: „Friederike von Preußen – Die leidenschaftliche Schwester der Königin Luise“, Piper, München 2007, 382 Seiten, geb., 19,90 Euro, Best.-Nr. 6303


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