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29.09.07 / Hätten wir doch nur eine deutsche BBC / Britischer Dokumentarfilm in deutscher Sprache über den Kampf um die Luftherrschaft im Zweiten Weltkrieg zum Schnäppchenpreis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Hätten wir doch nur eine deutsche BBC
Britischer Dokumentarfilm in deutscher Sprache über den Kampf um die Luftherrschaft im Zweiten Weltkrieg zum Schnäppchenpreis
von Manuel Ruoff

Mit das Beste, was die Briten hervorgebracht haben, ist die British Broadcasting Corporation. BBC-Dokumentationen sind Legende; hinsichtlich Informationsgehalt, Informationsaufbereitung und Unabhängigkeit vom Staat setzen sie Maßstäbe. Daher ist es begrüßenswert, daß der Atlas Verlag, www.atlas-editions.com, nun in Verbindung mit einem Metallmodell des deutschen Standardjägers Messerschmitt Me 109 im Maßstab 1:72 als kleiner Zugabe die BBC-Dokumentation „Kampf um den Himmel 1939–1945“ in deutscher Sprache auf dem deutschen Markt anbietet. 4,90 Euro kostet das Paket.

Die Dokumentation über den Kampf der Jäger im Zweiten Weltkrieg ist eine Wohltat, was allerdings mehr noch als über die DVD über das aussagt, was der staatliche beziehungsweise öffentlich-rechtliche Rundfunk der Bundesrepublik zu diesem Thema anbietet. „Kampf um den Himmel 1939–1945“ bietet dem militär- und militärtechnikgeschichtlich Interessierten manche relevante Informationen. Sie werden in einem ruhigen, sachlichen, angenehm entspannten Ton vorgetragen. Unterlegt sind sie fast ausschließlich mit passenden, aussagekräftigen historischen Filmsequenzen. Moralisierende Kommentare oder hämische Bemerkungen über Hermann Göring als Oberkommandierenden der Luftwaffe, wie sie in bundesdeutschen Produktionen zum Thema deutsche Luftstreitkräfte im Zweiten Weltkrieg üblich sind, wird man in diesem Film nicht finden. Statt dessen wird er seinem Untertitel gerecht: „Jagdflugzeuge, Strategien, Luftschlachten“. Der Film behandelt den Themenbereich zwar nicht vollständig und erschöpfend, was bei einer Spieldauer von zirka 52 Minuten vielleicht auch etwas zu viel verlangt wäre, aber er bleibt die ganze Zeit über beim Thema und schweift nicht ab. Warum gibt es so etwas nicht auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Bundesrepublik? Natürlich lassen sich derartige militär(technik)geschichtliche Sachinformationen nicht so gut volkspädagogisch instrumentalisieren. Es ist allerdings zu befürchten, daß bei der heutigen einseitigen bundesdeutschen Historikerausbildung das deutsche Fernsehen, selbst wenn es denn wollte, gar nicht mehr in der Lage wäre, derartige Sachdarstellungen in der Bundesrepublik zu produzieren.

In chronologischer Reihenfolge werden in dem Film die Hauptkriegsschauplätze des Zweiten Weltkrieges thematisiert, wobei ein Schwergewicht auf der Luftschlacht um England liegt. Es werden verfolgte Strategien vorgestellt und das Material, das den Kontrahenten dabei zur Verfügung stand. Sachlich und angenehm differenziert werden dabei Vor- und Nachteile der gegnerischen Maschinen vorgestellt. Über die Strategien und die Jagdflugzeuge hinaus erfährt der Zuschauer auch etwas über die Taktiken und die Piloten, welche die Luftkämpfe ausfochten.

Die Dokumentation beginnt mit der Thematisierung des deutsch-polnischen Krieges. Das ist angesichts des chronologischen Aufbaus so wenig verblüffend wie originell und wäre bei einer deutschen Produktion vergleichbar. Statt vom deutschen „Überfall“ auf Polen, der bundesrepublikanischen Standardformulierung, ist allerdings von der deutschen „Invasion“ Polens die Rede. Das läßt aufhorchen. Die schnelle Niederlage Polens wird auch nicht dadurch zu erklären versucht, daß hier ein armes friedliebendes Land Opfer eines hochgerüsteten Aggressors geworden sei. Statt dessen wagen es die Filmemacher, die Ursachen auf der Seite Polens zu suchen. Dessen Flugzeuge seien nicht nur „zu minderwertig“ gewesen, sondern auch dessen „Kommando- und Kontrollsysteme zu zerrissen“. Zu Bildern der Junkers Ju 87 wird nicht etwa behauptet, daß der Stuka mit seiner Sirene und seinen Bombern die Polen terrorisiert und die Luftwaffe an der Zerstörung Warschaus schuld sei, sondern die interessante Information vermittelt, daß die „primäre Aufgabe der deutschen Luftwaffe im Polenfeldzug … die Erringung der Luftüberlegenheit“ gewesen sei und „ihre sekundäre Rolle  in der Unterstützung der Boden- und Seestreitkräfte“ bestanden habe. Keine Rede von Terrorangriffen oder Flächenbombardements, wie in den bundesdeutschen Medien zu diesem Thema üblich.

Es folgt die Thematisierung des Westfeldzuges. Wann erfährt man im deutschen Fernsehen schon einmal etwas über den Standardjäger der Franzosen im Zweiten Weltkrieg? Im Kampf um den Himmel wird das französische Gegenstück zur deutschen Me 109 und der britischen „Spitfire“ wenigstens einmal angesprochen, und eine Filmsequenz von der Morane-Saulnier MS 406 im Fluge gibt es auch zu sehen. Es wird auch nicht der Interessenkonflikt zwischen den Alliierten verschwiegen, daß die Franzosen ihre britischen Verbündeten inständig um zusätzliche Jäger baten, aber die Briten die Flugzeuge lieber zur Verteidigung ihres eigenen Territoriums zurückhielten.

Es folgt die Behandlung der Luftschlacht um England. Plausibel und nachvollziehbar werden die unterschiedlichen Strategien und auch Taktiken von Luftwaffe und Royal Air Force vorgestellt. In einem kleinen, aber interessanten Exkurs wird auf die unterschiedliche Methode der deutschen und der britischen Luftstreitkräfte bei der Rettung von über dem Ärmelkanal abgeschossenen Kameraden eingegangen.

Wenn sich die BBC-Produktion auch durch ihre Nüchternheit und Sachlichkeit angenehm von vergleichbaren bundesdeutschen Fernsehproduktionen unterscheidet, so ist ihre britische Sichtweise doch nicht zu verhehlen. Das merkt man nicht nur an der Behandlung der Luftschlacht um England, sondern auch daran, daß die östlichen Kriegsschauplätze recht kurz abgehandelt werden, während man sich der in Großbritannien stationierten 8. US Air Force wieder ausgiebiger widmet.

In dem Maße, in dem sich das Blatt wendete und die Wehrmacht in die Defensive gedrängt wurde, entwickete sich Deutschland zum Hauptkriegsschauplatz. Das Duell zwischen angelsächsischen Begleitjägern und deutschen Abfangjägern wird in dem Film ebenso thematisiert wie der durch den technischen Fortschritt zunehmend an Bedeutung gewinnende Nachtjägereinsatz und der verzweifelte Versuch der Deutschen, durch moderne Waffen wie den Raketenjäger Me 163 und den Düsenjäger Me 262 die Niederlage abzuwenden.

Bezeichnend für die leicht anglozentrische Sichtweise ist, daß diese Niederlage gar nicht mehr thematisiert, sondern schon vorher auf den fernöstlichen Kriegsschauplatz gewechselt wird. Die japanische „Zero“ wird dabei ebenso vorgestellt wie die US-amerikanische „Corsair“. Den Abschluß der Chronik bildet die Schilderung des verzweifelten Versuchs der Japaner, durch Kamikaze-Einsätze die Niederlage abzuwenden, sowie dessen Scheitern.

Die britische Dokumentation beginnt mit der Frage, ob „der Charakter der Jagdflieger selbst damals wirklich so anders als heute“ war. Ein Film des staatlichen beziehungsweise öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Bundesrepublik müßte schon aus Gründen der Staatsräson die Frage verneinen, würde sie wohl gar nicht erst aufwerfen. Wo bliebe denn die Glaubwürdigkeit der Bundeswehr, wenn auch nur der Gedanke erwogen würde, daß der Charakter ihrer Tornado-Piloten mit Auslandseinsatz in Afghanistan nicht unvergleichlich besser sei als der von Wehrmachtspiloten wie dem von ihr verfemten Werner Mölders mit Auslandseinsatz in Spanien? Die BBC braucht auf die Glaubwürdigkeit der Bundeswehr jedoch keine Rücksicht zu nehmen und kommt am Ende ihrer Dokumentation zu dem Schluß: „Der Jagdflieger der 90er Jahre braucht sicherlich einen analytischeren und technischeren Verstand als sein Vorgänger im Zweiten Weltkrieg, um die komplizierte Technologie der modernen Kampfflugzeuge zu meistern, und doch haben sich die grundlegenden Taktiken nicht geändert. Und der Charakter des Piloten ist auch derselbe geblieben. Er ist ein Individualist, der sein Geschick mit dem seines Gegners mißt, sei es im Scheinkampf oder im Ernst.“


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