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06.10.07 / Blauer Brief für die Koalition / SPD-Chef Beck kündigt die gemeinsame Reformpolitik auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Blauer Brief für die Koalition
SPD-Chef Beck kündigt die gemeinsame Reformpolitik auf
von Klaus D. Voss

In der Seefahrt heißt dies „Manöver der letzten Minute“ - der Mann am Ruder muß alles unternehmen, um eine drohende Havarie noch zu vermeiden; gleich, was danach passiert. Kurt Beck, der Mann am Steuer der SPD, spürt die Gefahr des Untergangs: Miserable Umfragewerte für die SPD, die miese Stimmung an der Parteibasis, der freche Aufmarsch der Linkspartei.

Knapp drei Wochen vor dem Hamburger Parteitag, auf dem sicher nicht nur über Grundsatzfragen gestritten wird, will Beck die Entscheidung herbeiführen. Er wirft alles über Bord, was die Sozialdemokraten belasten muß - vor allem die Kernstücke der Agenda 2010 aus der rot-grünen Regierungszeit. Die Ankündigung, Arbeitslosengeld für ältere Beschäftigungslose wieder 24 Monate lang zu zahlen, markiert erst den Anfang - alle Hartz-Reformen stehen zur Disposition. Die nächsten Stichworte werden Rente mit 67, Mindestlohn und Leiharbeit heißen.

Es geht um noch mehr - jeder in der SPD weiß, was Becks Notmanöver bedeutet: Die Sozialdemokraten müssen mit ihrer alten Garde brechen. Mit aktiven Regierungsmitgliedern wie Vizekanzler Franz Müntefering oder Fraktionschef Peter Struck, mit Politpensionären wie Altkanzler Gerhard Schröder oder Ex-Arbeitsminister Wolfgang Clement. Andere wie Außenminister Franz Steinmeier oder Finanzminister Peer Steinbrück müssen springen oder sie werden fallen. So ernst ist die Lage. Die Parteibasis fordert den neuen Kurs ein.

Die Arbeitsmarktreformen, die Deutschland dringend braucht, sind im Kern nicht schlecht, sie sind aber schlecht gemacht. Die SPD hatte in die Hartz-Gesetze Fehlkonstruktionen eingebaut, die eine hitzige Diskussion über die Gerechtigkeitslücke in den Sozialsystemen ausgelöst haben. Vor allem Clement hatte seiner Partei das eingebrockt.

Mit dem harten Ruderschlag nach links hofft Beck, wenigstens die Unterstützung der Gewerkschaften zurückzugewinnen. Auch um den Preis, daß alle Wirtschaftsforscher und die Einsichtigen unter den SPD-Sympathisanten ihm vorhalten werden, daß die Abkehr von den Reformen die schlechteste Entscheidung ist, die er für Deutschland treffen konnte.

Vermutlich glaubt SPD-Chef Beck, er habe keine andere Option. Sein Terminkalender ist schon voll mit Wahlkampfauftritten für das Jahr 2008 - in den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Hessen und später im Jahr in Bayern muß sich die SPD den Wählern stellen. Nach den bisher erhobenen Umfragewerten wäre keine Abstimmung, sondern eine Strafaktion an den Sozialdemokraten zu erwarten.

Natürlich ist auch klar, daß Beck mit seinem Reformverzicht de facto den Koalitionsvertrag mit der Union aufgekündigt hat - über die Köpfe der SPD-Regierungsmitglieder hinweg. Was kann die Große Koalition denn in den kommenden zwei Jahren noch erreichen, wenn die Verabredung auf die bitter notwendigen Reformen nicht mehr gilt? Wenn Beck doch in einem Bündnis mit Linkspartei und Grünen die Rettung sieht?

Viel ehrlicher wäre es, wenn die SPD einen Strich unter die Große Koalition zöge, um Deutschland die Chance zu lassen, sich eine neue Reformregierung zu wählen. (Siehe auch Bericht auf Seite 5)


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