28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.10.07 / Feiern mit dem Stasi-General / Ex-Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit treten zunehmend frecher in die Öffentlichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Feiern mit dem Stasi-General
Ex-Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit treten zunehmend frecher in die Öffentlichkeit
von Markus Schleusener

Groß war die Aufregung, als sich Werner Großmann kürzlich zu einem Besuch beim Stadtteilfest in Berlin-Lichtenberg ankündigte. 1986 wurde der 78jährige Nachfolger von Chefspitzel Markus Wolf und ist heute der ranghöchste lebende Vertreter der Stasi und damit die Ikone der Ewiggestrigen in der früheren DDR.

Großmann liebt diese Rolle. Souverän tritt der Stasi-Generaloberst a. D. als Nachlaßverwalter des DDR-Geheimdienstes auf, der nicht nur die Menschenrechte der eigenen „Untertanen“ mit Füssen trat, sondern immer auch mit einem Bein im Westen vertreten war und bereits Listen für die Internierung von westlichen Klassenfeinden vorbereitet hatte. Als Rechtfertigung vor sich selbst und ihrer betagten Anhängerschaft reicht den Stasigeneralen stets der Verweis auf die „Notwendigkeiten“ im Kalten Krieg.

Nun wollte der Ex-Spionageführer in aller Seelenruhe Bücher signieren auf besagtem Straßenfest. Doch das war vielen denn doch zuviel der „Normalität“. Es hagelte Proteste, was Großmann, der für die Stasi-Arbeit in Westdeutschland zuständig war, offenbar überraschte. Nach 17 Jahren der Aufarbeitung ist über das Spitzelwesen der Stasi in der DDR sehr viel mehr bekannt als über das ebenfalls weitverzweigte IM-Netz im Westen. Dabei haben die Gerichte seit der Vereinigung auf diesem Feld schon einiges erreicht: Gegen 3000 Westdeutsche (darunter auch viele West-Berliner) wurde ermittelt, gegen 500 schließlich in den 90er Jahren Anklage erhoben.

Es sind viele unspektakuläre, aber nicht minder interessante Fälle dabei. So versuchte das „Ministerium für Staatssicherheit der DDR“ (MfS) sogar Jugendliche in der alten Bundesrepublik anzuwerben, wenn es sich davon Informationen nach deren Einstieg ins Berufsleben versprechen konnte. Solchen Anwerbeaktionen war allerdings nur mäßiger Erfolg beschieden. Allerdings sind vier Fälle überliefert, in denen junge Polizeianwärter von den eigenen Eltern (die selbst West-IM waren) angeworben werden sollten.

Der erste erlitt einen Unfall, bevor er seine Ausbildung abschließen konnte. Im zweiten Fall unterband die Mutter (auch sie war IM) das „Abschöpfen“ ihres Sohnes, als sich der spitzelnde Vater vom Dienst für das MfS aus gesundheitlichen Gründen zurückzog.

Beim dritten Anwerbeversuch war ebenfalls die Mutter im Wege, die das systematische Abschöpfen des Sohnes im Polizeidienst erschwerte. Die MfS-Führungsoffiziere versuchten daraufhin, die Eltern ihres Wunsch-IM gegeneinander auszuspielen. „Da er (der Stasi-Führungsoffizier) erkannt hatte, daß in der Familie die Mutter die bestimmende Person war, suggerierte er dem Vater wirkungsvoll, mit der Anwerbung seines Sohnes könne er sowohl dem MfS als auch der eigenen Ehefrau unter Beweis stellen, das letztlich er die Familie dominiere“, heißt es in der Akte über die Arbeit des Stasi-Mannes, an dessen Leine der West-IM hing.

Diese und andere Schilderungen finden sich in der gerade erschienenen Studie „Bundesbürger im Dienst der DDR-Spionage“. Der angehende West-Berliner Polizist erschien den Geheimen aus der Ost-Berliner Normannenstraße als so wertvoll, daß sie ein- bis zweitausend Mark monatlichen Agentenlohn in Aussicht stellten. Das war eine Menge, die meisten West-IM haben sich mit der sporadischen Zahlung von einigen 100 D-Mark zufriedengegeben. Der junge Mann lehnte die Anwerbung durch den eigenen Vater übrigens trotzdem kategorisch ab.

Georg Herbstritt, Mitarbeiter der Bithlerbehörde und Autor der Studie, hat sich „danach gefragt, welches soziale und berufliche Profil die West-IM aufwiesen und welche Eigenschaften und Kenntnisse sie besaßen, um für das MfS interessant zu sein“. So ist er dazu gekommen, solche Fälle wie die geschilderten genauestens zu untersuchen. Seine Arbeit über die 500 Gerichtsverfahren gegen die West-IM ist eine Milieustudie über das Phänomen Stasi im Westen.

Der letzte Polizeianwärter aus West-Berlin, der vom eigenen Vater angeworben werden sollte, ging aus Sicht der Stasi übrigens auch sehr erfolgversprechend ans Werk. Die Informationen flossen so regelmäßig vom Vater, der selbst bereits als 19jähriger bei „Horch und Guck“ angeheuert hatte, daß der Sohn bereits im Alter von 18 Jahren - ohne es zu wissen - als IM geführt wurde.

Drei Jahre später klärte der Vater den Sohn auf, doch der verweigerte nach einem weiteren Jahr die Zuarbeit für das MfS - wegen Gewissenskonflikten. Wertvolle Informationen waren von ihm nicht mehr zu bekommen.

Auch so ein Fall, über den Werner Großmann sich sicher geärgert hat. Ebenso wie über den weiteren Verlauf der Angelegenheit Straßenfest. Nach Protesten von Stasi-Opfern ist seine Autogrammstunde dann übrigens doch abgesagt worden.

Begründet wurde dies damit, daß der friedliche Verlauf des Stadtteilfestes in Berlin-Lichtenberg nicht gefährdet werden solle, bei dem Großmann Bücher signieren wollte.

Die SPD und Stasiopfer-Verbände erhoben zudem Vorwürfe gegen die Lichtenberger Bürgermeisterin Christina Emmrich (Linke), weil sie an ihrer Schirmherrschaft über das Fest weiter festhielt. Emmrich äußerte sich bei der Eröffnung des Festes recht milde über den früheren Apparatschik: „Ich halte Großmann für einen der Menschen, dem es äußerst schwer fällt, die DDR kritisch zu betrachten.“

Gleichzeitig verteidigte sie ihr Festhalten an der Schirmherrschaft. „Das ist eine der Sachen, die ich aus DDR-Zeiten gelernt habe: Keine Zensur und keine Verbote. Das können vielleicht gelernte DDR-Bürger am ehesten verstehen.“ Gelernte DDR-Bürger - möglicherweise. Vor allem aber offenbar die Anhänger des alten Regimes.

Foto: „Keine Zensur, keine Verbote“: Ex-Stasi-General Werner Großmann nutzt die Möglichkeiten weidlich, die ihm das verhaßte kapitalistische System bietet.

Foto: pa


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren