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06.10.07 / Ost-Deutsch (35): Zeche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Ost-Deutsch (35):
Zeche
von Wolf Oschlies

Greift zum Becher, wack’re Zecher / füllet ihn mit deutschem Wein“, riet 1822 der schwäbische „Sängervater“ Karl Pfaff. Mit dem „Zechensterben“ unserer Tage haben seine „Zecher“ insofern zu tun, als es bei beiden um Geld geht, für die „Zeche“ am Thresen oder für „Zechen“ im Revier. Im Venedig des 13. Jahrhunderts war der „zecchino“ eine Goldmünze, die als „Zechine“ bis zu uns gekommen ist. Im Mittelhochdeutschen bezeichnet „zeche“ Gruppenaktivitäten wie den Erwerb von Schürfrechten im Bergbau. Von daher stammen die drei Wortbedeutungen der „Zeche“: Kneipenrechnung, Kohlengrube oder Zunft, Innung.

Letztere Bedeutung ist seit jeher in Österreich verbreitet, von wo sie auch in altkroatische Texte gelangte. Das restliche Osteuropa hält sich an die beiden ersten Bedeutungen. Bei Russen, Bulgaren und Ukrainern ist „cech“ die Fabrik, Werkshalle. Seit Urzeiten bis heute: In Moskau steht eine private „kolbasnyj cech“ zum Verkauf, eine Wurstfabrik, im bulgarischen Sliven werkelt eine „sladkarski cech“, eine Groß-Konditorei, im lettischen Riga betreibt ein Russe seine „transportnyj cech“, im ukrainischen Donezk-Becken wurde eine „podpolnyj alkogolnyj cech“ ausgehoben, eine illegale Schnapsbrennerei etc. Neu sind jedoch die „kobsarskij cech“ in Kiew und Charkow, die „Gitarrenwerkstatt“, in der uralte Instrumente gelehrt werden, die „cech russkich istorikov“ (russische Historikerwerkstatt), ein Studentenzirkel an der Universität Saratow, und ähnliche mehr.

Ganz anders bei Südslaven, wo das Substantiv „ceh“ meist mit dem Verb „platiti“ kombiniert ist, was wie deutsch „Zeche bezahlen“ heißt: „Narod platio ceh nerealne politike“, klagte vor Jahren ein serbisches Blatt: Das Volk zahlte die Zeche einer unrealistischen Politik. Bei bosnischen Arbeitsämtern waren 2005 „dva miliona maraka kafanskih cehova“ aufgelaufen, zwei Millionen Mark Kneipenrechnungen. In Belgrad seufzte ein Kommentator: „Istorija uci da ce ceh biti veci od ocekivanog“ (Die Geschichte lehrt, daß die Zeche höher als erwartet ausfällt). Mein persönlicher Favorit ist ein Graffito aus Kroatien: „Neko drugi ce morati da plati ceh, ja ovakov zivot nisam narucio“ (Soll jemand anders die Zeche zahlen, ich habe dieses Leben nicht bestellt). Stimme einer Generation!


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